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Ein Einkaufswagen voller Stiefmütterchen in einem Gartenmaerkt.

© dpa/Sebastian Gollnow

Update

Urteil zu Corona-Beschränkungen: Wie der Einzelhandel Recht bekam - und dennoch verlor

Stunden nachdem ein Gericht die Beschränkungen für den Handel für rechtswidrig erklärt hatte, beschließt die Politik noch härtere Regeln. Wie geht es weiter?

Wie gewonnen, so zerronnen – so könnte man die Gefühlswelt der Einzelhändler in Nordrhein-Westfalen am Montag zusammenfassen. Am Vormittag hatte zunächst das Oberverwaltungsgericht Münster einer Klage einer Media-Markt-Filiale stattgegeben. Die Tatsache, dass Buchhandlungen und Gartenmärkte im Gegensatz zu anderen Einzelhändlern wie eben Elektronikmärkten Kunden ohne Terminvereinbarung und Personenbegrenzung empfangen durften, verstieß nach Ansicht der Richter gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

Damit waren auf einmal alle Beschränkungen für den Einzelhandel in dem Bundesland aufgehoben. Das Gericht betonte, das Land habe in der Pandemie-Bekämpfung durchaus einen Gestaltungsspielraum. So sei es etwa zulässig, schrittweise zu lockern.

Das Land überschreite im konkreten Fall aber seinen Spielraum, weil ein Grund für eine weitere Differenzierung zwischen den verschiedenen Händlern fehle. Auch die Textilkette Breuninger und die Baumarktkette Obi hatten in Münster geklagt. Media Markt und Saturn öffneten nach dem Urteil ihre rund 90 Läden in NRW bereits wieder.

NRW reagiert - nur anders als von den Händlern erhofft

Die Landesregierung reagierte ebenfalls prompt – allerdings anders als von den Händlern erhofft. Man habe eine angepasste Coronaschutzverordnung erlassen, teilte das Gesundheitsministerium nur wenige Stunden nach dem Urteil aus Münster mit. Und demnach gelten die Beschränkungen nun einfach für alle Händler – auch für die zuvor ausgenommenen Buchgeschäfte und Gartenmärkte. Damit ist das Argument der Gleichbehandlung zwar vom Tisch; statt der erhofften Erleichterungen sind die Regeln nun allerdings noch verschärft worden.

Für Rechtsanwalt Klaus Nieding ist der Fall damit aber noch nicht beendet. Seine Kanzlei vertritt mehrere Händler in ähnlichen Verfahren. „Wir werden wieder klagen mit dem Hinweis auf die Ungleichbehandlung des Einzelhandels im Hinblick auf Vollsortimenter Supermärkte“, sagte er dem Tagesspiegel.

Und er lobt das Urteil. „Das ist exakt unsere Argumentation in allen anderen Bundesländern auch und zeigt, dass die Gerichte dieser Argumentation folgen.“ Die Händler seien auf dem richtigen Weg. „Die Gerichte brauchen nur Kläger und sind dann in der Lage, die Maßnahmen der Politik rechtlich zu beurteilen.“

In Berlin keine Normenkontrollklage möglich

Die Entscheidung aus Münster ist nicht die erste, die die Sicht des Handels stärkt. „Im Saarland und in Frankfurt haben die Gerichte bereits ebenfalls zugunsten der Händler geurteilt“, weiß der Berliner Anwalt Niko Härting. „Im Saarland meldete die Urteilsbegründung so große Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verordnung an, dass sie anders als in NRW nicht verändert wurde.“

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Hat das Urteil konkrete Auswirkungen für die Händler in Berlin? Nein, erklärt Härting. In jedem Bundesland müssten die Klagen einzeln geprüft werden. Dabei gibt es in Berlin sowie in Hamburg eine Besonderheit. „In den beiden Ländern ist keine Normenkontrollklage möglich ist“, so Härting. „Das heißt, hier kann man nicht die gesamte Rechtmäßigkeit einer Verordnung vom Oberverwaltungsgericht prüfen lassen, sondern kann nur einklagen, dass das eigene Geschäft gegebenenfalls wieder öffnen kann.“ In Berlin würde er aber die selbe Entscheidung wie in Münster erwarten.

Zahlreiche Händler gehen mit Klagen gegen die Schließungen und die Auflagen für ihre Öffnungen vor. Dem Branchenverband HDE zufolge lagen im Lockdown die Umsatzverluste bei rund 700 Millionen Euro am Tag. Media Markt gab sich nach dem Urteil kämpferisch. „Wir setzten darauf, dass es auch über Nordrhein-Westfalen hinaus Signalwirkung hat“, sagte ein Sprecher.

Andere Händler wie etwa der Textildiscounter Kik öffneten ihre Läden nicht direkt nach dem Urteil. Es mache aber deutlich, wie kopflos und willkürlich die Entscheidungen zur Corona-Bekämpfung getroffen worden seien, sagte Firmenchef Patrick Zahn. Deshalb werde es wohl nach der Pandemie noch eine Klagewelle geben, in der der Handel Schadenersatz für die Schließungen fordern werde.

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