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Michael van der Veen, Anwalt des ehemaligen US-Präsidenten Trump

© dpa/Senate TV/Uncredited

Update

Urteil im Impeachment-Verfahren steht kurz bevor: Trumps Anwälte werfen Anklägern „monströse Lüge“ vor

Die Verteidiger von Donald Trump holen im Impeachment-Verfahren zum Angriff aus. Im US-Senat spielten sich dabei ungewohnte Szenen ab.

Nach zwei Stunden Vortrag der Verteidigung könnte man zu der Auffassung gelangt sein, Donald Trump solle verurteilt werden, weil er die Worte „Kampf“ oder „kämpfen“ verwendet habe. In Endlosschleifen zeigt der Anwalt David Schoen aus dem Zusammenhang gerissene Videosequenzen, in denen Demokraten oder ihnen nahestehende Aktivisten diese Worte verwenden.

Im Sitzungssaal des US-Senats spielen sich dabei ungewohnte Szenen ab, wie Reporter berichten. Senatoren lachen, kommentieren die Szenen laut, die stark an einen Werbespot der Trump-Kampagne erinnern. Oder an Berichte beim rechten Sender Fox News.

Am Freitag, Tag vier des zweiten Impeachment-Prozesses gegen den früheren US-Präsidenten wegen „Anstiftung zum Aufruhr“ im Zusammenhang mit dem Sturm auf das Kapitol, hat die Verteidigung das Wort. Und ihr Auftritt gerät viel parteiischer als gedacht.

Die Verteidigung argumentiert, Trumps Rede am Morgen des 6. Januars sei vom Recht auf Meinungsfreiheit geschützt, ein Argument, das konservative Amerikaner gerne verwenden.

Das Impeachment sei „cancel culture“

Auch ansonsten benutzen die Anwälte bei Republikanern beliebte Wendungen, etwa, wenn sie davon sprechen, dass das Impeachment-Verfahren gegen Trump ein Beweis der „cancel culture“ sei, dass die Demokraten selbst zu Gewalt bei den Anti-Rassismus-Protesten aufgerufen hätten, oder dass einer der ersten am 6. Januar Verhafteten ein Mitglied der Antifa gewesen sei – immer wieder kolportiert der Trump-Kosmos wahrheitswidrig, nicht dessen Anhänger, sondern Linksextremisten hätten das Kapitol gestürmt. Die Faktenchecker der großen US-Medien kommen mit dem Twittern gar nicht hinterher.

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Nach zwei Tagen, in denen die demokratischen Ankläger einen packenden, verständlichen und vor allem überzeugenden Fall vor den Senatoren, die als Jury in diesem Prozess agieren, ausgebreitet haben, war die Spannung groß, wie die Gegenseite reagieren würde. Auch, weil vor allem Anwalt Bruce Castor zum Auftakt am Dienstag einen verwirrenden Auftritt hinlegte.

Die Anklage hatte einen starken Auftritt

Jamie Raskin, Stacey Plaskett und die anderen demokratischen Abgeordneten, die die Anklage führen, haben es verstanden, Emotionen zu schüren und das ganze Ausmaß der Gefahr zu verdeutlichen, in der sich die amerikanische Demokratie und ihre Repräsentanten am 6. Januar befanden. Und befinden: Noch immer schützen tausende Nationalgardisten das Kapitol in Washington.

Trumps Anwalt David Schoen
Trumps Anwalt David Schoen

© U.S. Senate TV via Reuters

Wie würden Castor und seine Kollegen Eindruck zu widerlegen versuchen, dass Trump seine Anhänger zu einem Gewaltausbruch animierte, der das Fundament der Demokratie, die friedlichen Machtübergabe, aushebeln sollte?

Die schnelle Antwort ist: indem sie nach der Devise vorgehen, Angriff ist die beste Verteidigung. Im Vertrauen darauf, dass, egal, wie stark der Auftritt der Anklage ist, der Großteil der republikanischen Senatoren für einen Freispruch stimmen wird, geht es ihnen ganz offensichtlich nur darum, die eigene Seite anzufeuern. Auch gerne mit alternativen Fakten.

Trump sei das Opfer, argumentiert die Verteidigung

Die Demokraten, so argumentieren sie, hätten Trump doch von Anfang an loswerden wollen. In Wahrheit sei er das Opfer. Dieser durchsichtige Versuch, die Reihen zu schließen, ist zwar infam, könnte aber seinen Zweck erfüllen. Darum nimmt die Verteidigung von den ihr zustehenden 16 Stunden auch nur etwas mehr als drei Stunden in Anspruch.

Das Verfahren vor dem Senat sei ein „ungerechter und offensichtlich verfassungswidriger Akt der politischen Rache“, sagte Trumps Anwalt Michael van der Veen zum Auftakt. Die Behauptungen der Demokraten, dass der Republikaner die Demonstranten angestachelt habe, seien eine „absurde und monströse Lüge“.

Nach derzeitigem Stand werden sich wohl höchstens sechs der 50 Republikaner gegen Trumps aussprechen: Mitt Romney, Susan Collins, Lisa Murkowski, Pat Toomey, Ben Sasse und vielleicht Bill Cassidy. Insgesamt müssten 17 Republikaner mit den Demokraten stimmen, um Trump zu verurteilen und ihn davon abzuhalten, 2024 noch mal zur Präsidentschaftswahl anzutreten.

Was macht Mitch McConnell?

Spannend ist allerdings die Frage, was Mitch McConnell machen wird. Der langjährige republikanische Fraktionschef hat sich angeblich immer noch nicht entschieden. Die Verhandlung, so beschreiben es Reporter aus dem Sitzungssaal, verfolge er fast regungslos – auch die Show der Trump-Anwälte am Freitag.

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Nach dem Angriff auf das Kapitol zeigte McConnell sich entsetzt und ließ erkennen, dass er Trump dafür verantwortlich macht. Auch bei der Debatte im Kongress unmittelbar vor dem Angriff hatte er erklärt, wie gefährlich es sei, dass Trump seine Niederlage leugne und alles versuche, das Ergebnis zu verändern.

Trump und McConnell haben seit Dezember nicht mehr miteinander gesprochen

Die beiden sollen seit Dezember nicht mehr miteinander gesprochen haben. Zudem hat McConnell Verschwörungstheorien, wie sie auch Trump verbreitet, als „Krebsgeschwür“ der Republikanischen Partei bezeichnet.

Bezweifelt wird zwar, dass er letztlich dafür stimmen wird, Trump zu verurteilen und dabei vielleicht andere Kollegen mitzieht. Denn das könnte die Chancen seiner Partei schwächen, 2022 die Mehrheit im Senat zurückzuerobern – und seine Stellung als Minderheitsführer gefährden. Ein Großteil der 74 Millionen Amerikaner, die Trump im November gewählt hatten, hält weiter fest zu ihm.

Aber ganz vielleicht entschließt sich der 78-Jährige auch, mit einer überraschenden Gewissensentscheidung das mögliche Ende seiner Karriere einzuläuten: 2026, wenn er wiedergewählt werden müsste, wäre der Senator aus Kentucky 84.

Nach der Präsentation der Republikaner haben die Senatoren als nächstes bis zu vier Stunden lang die Möglichkeit, schriftliche Fragen zu stellen. Danach wird entschieden, ob noch Zeugen angehört werden, wonach es nicht aussieht. Nach den Abschlussplädoyers fällt dann das Urteil über Trumps Verantwortung für den 6. Januar – und damit auch über seine Zukunft. Er könnte bereits am Samstag freigesprochen werden.

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