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Maxine Waters, Abgeordnete der Demokraten im Repräsentantenhaus, hat mit ihren Äußerungen selbst den Richter im Chauvin-Prozess verärgert.

© Chip Somodevilla/Getty Images/AFP

Urteil im George-Floyd-Prozess: Kommt es noch zu einem Berufungsverfahren?

„Dann müssen wir konfrontativer werden“: Einer Abgeordneten der Demokraten wird vorgeworfen, die Geschworenen im Chauvin-Prozess unter Druck gesetzt zu haben.

Sie ist eine Ikone der Bürgerrechtsbewegung. Maxine Waters, 82 Jahre alt und seit drei Jahrzehnten Abgeordnete aus Los Angeles im Repräsentantenhaus des amerikanischen Kongresses, nimmt kein Blatt vor den Mund. Die Demokratin kämpft und redet schnörkellos. Angst vor ihren vielen Widersachern aus den Reihen der Republikaner hat sie nicht.

Doch könnte es sein, dass Waters nun ausgerechnet der Verteidigung des Ex-Polizisten Derek Chauvin einen Grund geliefert hat, in die Berufung zu gehen? Chauvin war am Dienstag in allen drei Anklagepunkten schuldig gesprochen worden, den Afroamerikaner George Floyd getötet zu haben.

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Am vergangenen Wochenende war Waters nach Minneapolis gereist, um sich mit Demonstranten der „Black-Lives-Matter“-Bewegung zu solidarisieren. Einige von ihnen hatten sich vor dem Brooklyn Center zu einer Mahnwache für den am 11. April von einer Polizeibeamtin getöteten Afroamerikaner Daunte Wright versammelt. Im Gespräch mit Reportern wurde Waters gefragt, was im Falle eines Freispruchs von Chauvin geschehen solle.

Daraufhin antwortete sie: „Dann werden wir in den Straßen bleiben. Und wir werden noch aktiver werden müssen, wir werden konfrontativer werden müssen. Und wir müssen ihnen klarmachen, dass wir es ernst meinen.“

Auch US-Präsident Joe Biden äußerte sich vor der Urteilsverkündung

Waters‘ Anhänger werteten das als Aufruf zum zivilen, gewaltfreien Widerstand. Waters‘ Gegner indes – und die Anwälte Chauvins – sehen darin eine Gewaltandrohung. Wurden die zwölf Geschworenen unter Druck gesetzt? Rechtsausleger Tucker Carlson spitzte auf „Fox News“ die Botschaft mit seinen eigenen Worten zu: „Macht das, was wir sagen, oder wir bringen euch um.“

Am Montag wurde der Prozess mit den Plädoyers fortgesetzt. Chauvins Anwalt, Eric Nelson, forderte aufgrund der Äußerungen von Waters einen Abbruch. Der Vorsitzende Richter, Peter Cahill, wies den Antrag zwar zurück, zeigte sich aber verärgert.

Waters‘ Sätze könnten dazu führen, sagte er, dass der Ausgang des Prozesses in einem Berufungsverfahren gekippt wird. „Ich würde mir wünschen, dass gewählte Volksvertreter aufhören, über diesen Fall zu sprechen, vor allem auf eine Art und Weise, die respektlos gegenüber dem Rechtsstaat und der Justiz ist.“

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Bis dahin waren die Geschworenen von der Außenwelt nicht abgeschnitten worden. Sie durften zu Hause übernachten, wurden allerdings regelmäßig von Richter Cahill ermahnt, keine Nachrichtensendungen zu sehen.

Erst ab Montag, als sie sich zu Beratungen zurückzogen, mussten sie ohne Fernseher, Radio, Laptop oder Handy in einem Hotel übernachten. Deshalb kannten sie wahrscheinlich zwar die Äußerungen von Waters, nicht aber die am Dienstag im Weißen Haus zum Ausdruck gebrachte Hoffnung von US-Präsident Joe Biden: „Ich bete, dass das Urteil das richtige Urteil wird.“

Wurde der Angeklagte vorverurteilt?

Fast zeitgleich brachten die Republikaner im Kongress einen Antrag ein, um Waters‘ Äußerungen als Anstiftung zur Gewalt zu verurteilen. Der wurde von der knappen demokratischen Mehrheit mit 216 zu 210 Stimmen abgelehnt.

Allerdings ließen es sich Republikaner nicht nehmen, auf angebliche Parallelen von Waters zu Ex-Präsident Donald Trump hinzuweisen, dessen Aufruf zur Stürmung des Kongresses Anlass für ein Amtsenthebungsverfahren war.

Waters sei von Kalifornien nach Minnesota geflogen, schimpfte der Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, um allen mitzuteilen, dass der Angeklagte verurteilt werden müsse, andernfalls es „big trouble“ geben werde.

Innerhalb von sechzig Tagen müssen Chauvins Anwälte dem Gericht mitteilen, ob sie gegen das Urteil in Berufung gehen. Wenn ja, müssten sie Vorverurteilung des Angeklagten und Einschüchterung der Geschworenen nachweisen.

Was eine mögliche Vorverurteilung betrifft, können sie sich auf eine außergerichtliche Einigung der Stadt Minneapolis mit der Familie von George Floyd beziehen, in der sich die Stadt, 14 Tage vor Beginn des Prozesses, zu einer Entschädigungszahlung in Höhe von 27 Millionen Dollar verpflichtete. Dennoch schätzen die meisten Juristen die Chancen für ein erfolgreiches Berufungsverfahren als gering ein.

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