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"Kopieren" steht auf dem Monitor eines Laptops.

© Armin Weigel/dpa

Urheberrechtsreform: Plant Brüssel die Zensur-Maschine für das Internet?

Um die EU-weite Reform des Copyrights ist ein heftiger Streit entbrannt. Viele Beobachter fürchten sich vor Upload-Filtern und Steuern auf Links.

Die Pläne für eine umfangreiche Copyright-Reform auf EU-Ebene waren schon recht weit fortgeschritten. Im Wesentlichen geht es darum, die Rechte von Zeitungsverlagen und anderen Urhebern gegenüber digitalen Plattformen zu stärken. Doch vor einiger Zeit haben Netzaktivisten und Nichtregierungsorganisationen entdeckt, dass Potenzial in dem hochkomplexen Thema steckt. Sie argumentieren: Die Freiheit im Internet sei durch die Pläne bedroht. Seitdem ist zunehmend unsicher, ob die Reform gelingt.

Was ist dran am Vorwurf, Brüssel plane eine Steuer auf Links?

Nichts. Das Verlinken von Inhalten, so genannte Hyperlinks, soll weiterhin für alle Akteure im Netz erlaubt  sein. Private Nutzer sollen zudem weiterhin ganze Zeitungsartikel und andere urheberrechtlich geschützte Werke auf ihren Seiten abbilden dürfen. Auch will niemand eine Steuer im Internet erheben. Wörtlich heißt es in dem Gesetzentwurf, über den die Europa-Abgeordneten abstimmen: Das Recht der Verleger, eine „faire und angemessene Entschädigung“ zu bekommen, soll die „legitime private und nicht kommerzielle Nutzung von Presseerzeugnissen durch individuelle Nutzer nicht verhindern“.

Wer soll für die Nutzung zahlen?

Digitale Plattformen und Suchmaschinenbetreiber sollen zahlen, wenn sie Artikel oder Auszüge aus Zeitungsartikeln auf ihre Seiten stellen. Es geht um Unternehmen, deren Geschäftsmodell es ist, über ihre Seiten Zugang zu Zeitungsartikeln Dritter oder Auszüge daraus zu gewähren und über das Schalten von Werbung auf ihren Seiten hohe Einnahmen zu erzielen. Die Pläne der Kommission und des Verhandlungsführers zum Thema, Axel Voss (CDU), sehen vor, dass die Betreiber der Suchmaschinen vor der Nutzung der journalistischen Inhalte sich die Genehmigung dafür einholen und für das Nutzungsrecht bezahlen müssen. Es geht um die Stärkung des Rechts am geistigen Eigentum. Der Plan dafür wird auch Leistungsschutz- oder Verlegerrecht genannt.

Wie soll es praktisch funktionieren?

Noch in seiner damaligen Funktion als Digitalkommissar hatte Günther Oettinger (CDU) vorgeschlagen, dass für eine Dauer von 20 Jahren nach der Erstveröffentlichung eines Artikels das Verwertungsrecht bei Verlegern und Autoren liegt. Gedacht ist daran, dass die Verlage sich zusammen schließen, um ein großes Gewicht in die Waagschale zu werfen und in Verhandlungen mit Google und anderen Betreibern von Suchmaschinen über eine angemessene Nutzungsgebühr einzutreten.  Der Verhandlungsführer im Parlament macht sich dafür stark, dass nicht nur die Verlage, sondern auch die Autoren an den Erlösen beteiligt werden. Er schlägt ein Verwertungsrecht von fünf Jahren vor.  

Was wollen die Kritiker des Verlegerrechts?

Die Piraten-Politikerin Julia Reda führt die Kritiker an. Sie spricht ungeachtet aller Richtigstellungen bis heute von einer drohenden Verlinkungssteuer (Link-Tax). Sie setzt darauf, Verlagen dabei zu helfen, schneller Lizenzen mit Suchmaschinen abzuschließen. Dafür ist eine „Vermutungsregel“ im Gespräch, nach der das Copyright in der Regel bei den Verlagen liegt. Das generelle Verwertungsrecht für Werke von Autoren im Internet wollen Reda und andere aber nicht den Verlagen zusprechen. Voss hält dem entgegen: „Ein Anspruch auf Vergütung auf der Basis von einer Vermutung kann leicht bestritten werden. Das ist nicht das starke Signal beim Copyright, das wir brauchen.“

Warum soll die Rechtsposition der Verlage gegenüber Google und anderen digitalen Plattformen gestärkt werden?

Die EU-Kommission und Voss sehen die freie Presse in Europa durch die digitalen Umwälzungen und die Geschäftsmodelle von Suchmaschinenbetreibern existenziell bedroht. Die zunehmende Macht von Google, Facebook und Twitter gegenüber den Verlagen und Nachrichtenagenturen habe schon zu einem beängstigenden Verlust der Medienvielfalt in der EU geführt. Voss geht es auch um die Sicherung journalistischer Standards und Qualität: „Europa ist bedroht durch immer mehr Falschinformationen, die in der digitalen Welt verbreitet werden.“

Droht Zensur im Internet?

Immer wieder heißt es, Brüssel plane zudem eine Zensur-Maschine im Netz. Die Kritiker der Pläne argumentieren weiter: So genannte Upload-Filter könnten dafür sorgen, dass künftig beliebten Diensten im Netz die Arbeitsgrundlage genommen werde wie etwa dem Lexikon Wikipedia, Dating- und Plattformen zum Austausch von Softwareprogrammen. Von einer Zensur des Internets will Voss nichts wissen. „Der Vorwurf ist maßlos übertrieben. Wir wollen nur einige Spieler im Netz, die fortgesetzt geistigen Diebstahl begehen, dazu zwingen, vor der Nutzung die Urheber zu fragen.“ Es gehe nur um die wenigen Plattformen im Netz, deren Geschäftsmodell darin bestehe, Nutzern Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken Dritter zu gewähren, ihnen die Möglichkeit zum herunterladen der Inhalte und der Weiterverbreitung zu geben. Diese Unternehmen, etwa youtube oder Facebook und Twitter, sollten verpflichtet werden, eine Software zu verwenden, die urheberrechtlich geschützte Werke erkennt und ihre illegale Nutzung unterbindet. Diese Software sei seit zehn Jahren bekannt. Sie sei etwa notwendig, um Clicks von Nutzern zu registrieren und so Künstler im Netz an der Vergütung zu beteiligen.

Wie geht es weiter?

Mittwoch legt der federführende Rechtsausschuss im Europaparlament seine Verhandlungslinie fest. Die Mehrheiten sind knapp, niemand kann derzeit voraussagen, wie die Abstimmungen ausgehen. Anfang Juli dürfte dann das Plenum abstimmen. Danach beginnen die Verhandlungen des Parlaments mit dem Gremium der Mitgliedstaaten, dem Rat. Auch im Rat sind die Lager verfeindet, Kompromisse gelten als schwierig. Die Zeit ist aber knapp. Ein Kompromiss muss bis zu den Europawahlen im Mai beschlossen sein. Andernfalls müsste in der nächsten Wahlperiode ein neuer Anlauf unternommen werden.

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