zum Hauptinhalt
Der Supreme Court hat die Briefwahl und die späte Auszählung in Entscheidungen zu Pennsylvania und North Carolina gestärkt. Hier ein Stimmzettel für die Wahl 2020.

© dpa

Twenty/Twenty täglich - noch 5 Tage bis zur US-Wahl: Unwirkliche Ruhe über Washington

Einwohner der Hauptstadt sind erstaunt, wie gelassen die Stimmung ist. Sie hatten mit Nervosität und Konflikten gerechnet. Unser Newsletter, jetzt täglich.

Die USA sind im Wahl-Endspurt. Deshalb informieren wir sie in den kommenden zwei Wochen in unserem US-Newsletter „Twenty/Twenty“ täglich über die Geschehnisse in den Vereinigten Staaten. Heute schreibt Christoph von Marschall über eine wichtige Supreme Court-Entscheidung und einen leichten Rückfall für Biden in den Umfragen. Zum kostenlosen Abo geht es hier.

Fünf Tage vor der Wahl liegt eine erwartungsvolle Ruhe über Washington und den umliegenden Suburbs in Virginia und Maryland. Dort wohnen viele, die in der Hauptstadt in Politik, Verwaltung, Lobby-Organisationen und Wirtschaft arbeiten.

Viele Gesprächspartner äußern ihre Verwunderung über diesen Gemütszustand. 2020 sei die „folgenreichste Wahl“ ihres Lebens, da hätten sie in den Tagen davor mit Hektik, Geschäftigkeit, Nervosität gerechnet.

Einerseits spielen sich die Schlachten und ihr Lärm in einiger Entfernung ab. Donald Trump und die demokratische Vizepräsidentschaftskandidatin Kamala Harris führten am Mittwoch Wahlkampf in Arizona. Trump mit Auftritten in Bullhead City und in Goodyear. Harris in Tucson und Phoenix.

Die Schlachten toben weit weg

In Arizona geht es um elf Wahlmännerstimmen und um einen Senatssitz. Dass die Demokraten in diesem lange verlässlich republikanischen Staat 2020 die Favoriten sind, zeigt: Trump ist in der Defensive, die Demokraten erweitern die Kampfzone. Joe und Jill Biden gaben derweil ihre Stimmen im „Early Voting“ in Wilmington, Delaware, ab.

Andererseits hat viele das Gefühl erfasst, dass diese Wahl irgendwie schon gelaufen ist. Sie sprechen kurz über ihre Unsicherheit auf Grund der Erfahrung von 2016 mit dem überraschenden Sieg Donald Trumps. Doch alles in allem ist ihre Zuversicht stärker als ihr Zweifel.

So gesehen passen die abgegriffenen Sprachbilder von der „Ruhe vor dem Sturm“ oder der “Stille im Auge des Orkans“ nicht auf die Lage. Hier in DC und Umgebung, wo die Demokraten in der Überzahl sind, dominiert die Hoffnung, dass ein ziemlich eindeutiges Ergebnis für Joe Biden zu erwarten ist und die Sorge erst gar nicht eintritt, dass es eine lange Auszählungsschlacht vor Gerichten oder eine anderweitig unklare Lage gibt.

Supreme Court stärkt die Briefwahl, Trumps Richterin enthält sich

Der Supreme Court hat unterdessen einen Antrag der Republikaner, die Frist für die Einsendung von Briefwahlstimmen in Pennsylvania zu verkürzen, abgewiesen. Und ebenso eine ähnliche Anfrage zur Verkürzung der Briefwahlauszählung in North Carolina. Die von Trump ernannte neue Richterin Amy Coney Barrett enthielt sich der Stimme. Auch dieser böse Verdacht, sie sei eine sichere Stimme für die Machtinteressen der Republikaner, hat sich fürs Erste nicht bestätigt.

Zur Ablenkung von der Wahl-Nervosität amüsieren sich die Menschen „inside the beltway“, innerhalb des Autobahnrings Washington, statt dessen über das Outing des „Anonymous“, der mit einem Gastbeitrag in der „New York Times“ im September 2018 beträchtliches Aufsehen erregt hatte. Innerhalb der Trump-Regierung gebe es eine Widerstandsbewegung, schrieb er. Nun kommt heraus: Der Autor war Miles Taylor, damals Stabschef des Ministers für Heimatschutz. Eigentlich ein Republikaner. Er warf jedoch Trump vor, dass der seinen Amtseid verraten habe. In einem ebenfalls anonymen Buch beschrieb er Trump später als undisziplinierten und unmoralischen Menschen. Trump fordert jetzt eine strafrechtliche Verfolgung Taylors.

Mehr als 70 Millionen haben bereits ihre Stimme per Briefwahl oder „Early Voting“ abgegeben – deutlich mehr als die Hälfte der Gesamtzahl an Wählern 2016 und rund die Hälfte der für 2020 erwarteten Zahl von mehr als 150 Millionen Bürgern. Die USA steuern auf eine hohe Wahlbeteiligung zu.

Biden fällt in den Umfragen zurück - aber auf hohem Niveau

Deshalb löst es bisher wenig Verunsicherung aus, dass Biden in den Umfragen etwas abgerutscht ist: von 10,3 Prozentpunkten Vorsprung Mitte Oktober auf nun 7,3 im Schnitt der nationalen Erhebungen. Und von 5 auf 3,6 Prozentpunkte im Schnitt der Umfragen in den entscheidenden „Battleground States“. Die bereits abgegebenen Stimmen können weder geändert noch zurückgenommen werden. Sowohl unter Briefwählern als auch „Early Voters“ führt Biden laut Befragungen mit hohem Abstand. Und auch die jetzt gemessene Führung ist im Grunde komfortabel.

Die Demokraten werden nach verbreiteter Erwartung in Virginia und Washington wohl das Weiße Haus erobern und ihre Führung im Repräsentantenhaus verteidigen. Als offen gilt hingegen, wer nach der Wahl die Mehrheit im Senat hat. Aber auch da spricht die Wahrscheinlichkeit eher für die Demokraten. Dann stünde einer moderaten Korrektur der Ära Trump machttechnisch wenig im Weg.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false