zum Hauptinhalt
Vertraue Fidesz heißt es auf dem Schild am Mikrofon. Ungarns Präsident Viktor Orban hat bei den Kommunalwahlen für seine Regierungspartei um Stimmen geworben. Unter seiner Regierung ist es für die Zivilgesellschaft schwer geworden, überhaupt noch etwas zu erreichen.

© Reuters

Nicht-Regierungsorganisationen: Ungarn: Zivilgesellschaft unter Druck

Wie eine Umweltgruppe in Budapest versucht, die Politik von Regierungschef Viktor Orban zu überleben. Erst wurde ihr der Geldhahn zugedreht. Dann begannen die Drohungen.

Wenn gute Luft politisch ist, dann ist Levegö Munkacsoport eine hochpolitische Vereinigung. Die Umweltschützer sind Teil der Clean Air Initiative, einer Allianz von neun Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) aus mehreren europäischen Ländern. In der ungarischen Hauptstadt Budapest hat Levegö Munkacsoport erreicht, dass die Nahverkehrsbetriebe bessere Busse angeschafft haben. Vor allem aber haben die Aktivisten es geschafft, ihnen die Nachrüstung mit Partikelfiltern von alten Dieselbussen nahezubringen. Levegö Munkacsoport hat dazu beigetragen, dass die Luft in Budapest besser geworden ist.
Seit 2010 wird es für die Gruppe aber immer schwerer, gegen Feinstaub und Ruß aus Budapester Bussen anzukämpfen. Seit der Regierungsübernahme durch Viktor Orban musste die Organisation die Hälfte ihrer Stellen streichen. Öffentliche Mittel bekommt die Initiative keine mehr. Und damit steht die Umweltorganisation nicht allein. Alle NGOs, die vor 2010 schon gearbeitet haben, haben mit ähnlichen Problemen zu kämpfen.
Als womöglich regierungskritisch steht die Zivilgesellschaft in Ungarn unter Generalverdacht. Viktor Orban hat vier Jahre lang mit komfortabler Mehrheit regiert. Mit den Stimmen seiner Regierungspartei Fidesz hat er vor der Wahl am 12. Oktober die Wahlkreise so neu zugeschnitten, dass ihm nun eine Zweidrittelmehrheit im Parlament zur Verfügung steht. Erst vor ein paar Tagen hat Orban NGOs, die Mittel aus der EU oder dem Ausland bekommen, als „ausländische Agenten“ bezeichnet. Das hat er sich vom russischen Präsidenten Wladimir Putin abgeguckt. Russlands NGO-Gesetz schreibt Bürgerinitiativen vor, sich als „ausländische Agenten“ registrieren zu lassen, wenn sie auch aus dem Ausland finanzielle Unterstützung bekommen. Die ungarischen NGOs befürchten das Schlimmste.

Orban hat das Umweltministerium einfach eingespart

Dabei geht es nicht nur um die Finanzierung. Seit die Regierung Orban die Macht übernommen hat, gibt es zwischen Zivilgesellschaft und Regierung keinen Dialog mehr. Früher, erzählt Levegö-Präsident Lukács András, habe man noch mit Staatssekretären im Umweltministerium sprechen können. Inzwischen gibt es das Umweltministerium nicht mehr. Es ist ins Landwirtschaftsministerium eingegliedert worden, und in der zweiten Regierung Orban ist für Umwelt nur noch ein stellvertretender Staatssekretär zuständig. Umwelt steht in seinem Titel an dritter Stelle nach Regionalentwicklung und ungarischen Spezialitäten.
Auch in den Medien spielen die Initiativen kaum noch eine Rolle. Vor Orban wurden sie viel zitiert. Seit Orban mit seinem umstrittenen Mediengesetz auch noch den Rest der freien Presse eliminiert hat, kommen selbst relativ unpolitische Umweltorganisationen in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr vor. Orban hat sogar angefangen, die Zivilgesellschaft zu ersetzen: Fidesz-Leute gründen „NGOs“ und bewerben sich damit um EU-Mittel. In Ungarn gab es spektakuläre Fälle von Zweckentfremdung von EU-Mitteln, seit die Regierung Orban am Ruder ist. Seitdem die europäische Anti-Korruptionsbehörde Olaf besser aufpasst, haben sich die Fidesz-Akteure auf kleinere Geldquellen konzentriert. Die Nischen, in denen die echte Zivilgesellschaft Ungarns die kommenden vier Jahre Orban überleben kann, werden immer kleiner.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false