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Ein neuer Mechanismus sieht vor, dass EU-Ländern Mittel aus dem Gemeinschaftsbudget gekürzt werden können, wenn wegen Rechtsstaatsverstößen Missbrauch droht.

© Arne Immanuel Bänsch/dpa

Update

Ungarn und Polen empört über abgewiesene Klagen: EuGH billigt Rechtsstaatsmechanismus – von der Leyen dämpft Erwartung auf baldige Strafen

Die Regelung zur Ahndung von Verstößen gegen den Rechtsstaat verstößt nicht gegen EU-Recht, so die Richter. Das könnte Konsequenzen für Polen und Ungarn haben.

Der Europäische Gerichtshof hat eine neue Regelung zur Ahndung von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit in EU-Ländern für rechtens erklärt.

Die Richter in Luxemburg wiesen am Mittwoch Klagen von Ungarn und Polen ab und machten den Weg für die Anwendung des sogenannten EU-Rechtsstaatsmechanismus frei. Damit dürfen Ländern - in einem letzten Schritt - EU-Mittel gekürzt werden (Rechtssachen C-156/21 und C-157/21).

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Konkret geht es um eine „Verordnung über die Konditionalität der Rechtsstaatlichkeit“, die seit Anfang 2021 in Kraft ist. Sie soll dafür sorgen, dass Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien wie die Gewaltenteilung nicht mehr ungestraft bleiben, wenn dadurch ein Missbrauch von EU-Geldern in einem Land droht. Dann kann die EU-Kommission vorschlagen, die Auszahlung von Mitteln aus dem EU-Haushalt zu kürzen.

Die EU-Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen wollte bis zum Urteil warten, ehe sie den Mechanismus auslöst. So sieht es auch eine Einigung der Staats- und Regierungschefs vom Sommer 2020 vor, mit der man die Regierungen in Budapest und Warschau dazu gebracht hatte, ihre Blockade wichtiger EU-Haushaltsentscheidungen aufzugeben.

Polen und Ungarn reagieren empört

Polen und Ungarn reagierten empört auf die Abweisung ihrer Klagen. Die Entscheidung des EuGH stelle einen „Angriff auf unsere Souveränität“ dar, erklärte der polnische Vize-Justizminister Sebastian Kaleta auf Twitter. „Polen muss seine Demokratie gegen die Erpressung verteidigen, die darauf abzielt, uns unser Recht auf Selbstbestimmung zu nehmen.“

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Die ungarische Justizministerin Judit Varga nannte das Urteil eine „politische Entscheidung“. Sie sei ein „lebendiger Beweis dafür, dass Brüssel seine Macht missbraucht“, erklärte sie auf Facebook.

Von der Leyen dämpft Erwartung auf baldige Strafen

Ob und wie schnell die EU-Kommission den Mechanismus nun auslöst, ist unklar. Zum einen muss sie unter Berücksichtigung des Urteils noch die Leitlinien zur Anwendung des Instruments fertigstellen.

Hinzu kommen politische Erwägungen: Polen ließ zuletzt vorsichtige Signale einer Annäherung an Brüssel erkennen. In Ungarn steht Anfang April die Parlamentswahl an. Sollte die EU-Kommission zuvor den Rechtsstaatsmechanismus auslösen, könnte dies als Einmischung in den Wahlkampf verstanden werden.

Auch Kommissionschefin von der Leyen dämpfte nach dem Rechtsstaats-Urteil des Europäischen Gerichtshofs Erwartungen nach baldigen Strafen gegen Ungarn oder Polen. In einer ersten Stellungnahme unterstrich sie ihre Entschlossenheit zum Schutz des EU-Haushalts.

Ihre Behörde werde nun aber erst einmal gründlich die Begründung des Urteils und mögliche Auswirkungen analysieren. In den kommenden Wochen werde man dann die Leitlinien zur Anwendung des Mechanismus beschließen.

Von der Leyen betonte, die Kommission habe seit Inkrafttreten der Verordnung vor einem Jahr die Lage in allen EU-Staaten beobachtet. Jeder Fall werde eingehend geprüft. „Wenn die Voraussetzungen der Verordnung erfüllt sind, werden wir entschlossen handeln.“

Sie habe versprochen, dass kein Fall verloren gehen werde - und dieses Versprechen auch gehalten. Das Europaparlament fordert seit längerer Zeit, entschlossener als bisher gegen Ungarn und Polen vorzugehen. (dpa)

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