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"Und erlöse uns von allen Üblen" #59: Eine kaum verhohlene Erpressung

Die Polizeireporterin setzt ihren Chef unter Druck. Die Ermittlerin kriegt einiges mit. Ein Fortsetzungsroman, Teil 59.

Was bisher geschah: Ermittlerin Hornstein hat die Verbindung ihres Chefs Lawerenz zum ermordeten Freypen und dem Verleger Schwarzkoff entlarvt. Sie vermutet dort ein Mordmotiv.

In 100 Teilen bis zur Bundestagswahl 2017 erscheint der Politkrimi "Und erlöse uns von allen Üblen" online als Fortsetzungsroman im Tagesspiegel. Hier Folge 59 vom 13. August.

In ihrem Büro, das auf demselben Flur liegt wie das von Lawerenz, wählt Susanne Hornstein die Nummer des Innenministers und wird sofort durchgestellt, als sie ihren Namen sagt.

"Und?"

"Wie ich vermutet habe: Freypen hat ihn erpresst. Lawerenz hat zwar mit dem Mord nichts zu tun, hat ein sicheres Alibi. Aber er hat ihm zweifellos dienstliche Informationen gegeben, die streng vertraulich waren. Er hat es zugegeben. Mich wundert es nicht mehr, dass wir bei unseren Razzien gegen die Rechten nie eine Verbindung zu den Nationalen von Freypen herstellen konnten. Die wussten immer einen Tag vorher, was wir vorhatten. Wollen Sie einen Bericht? Gut. Ich kann hier nichts mehr tun, ich muss zurück nach Hamburg. Vielleicht ist Schwarzkoff unser Mann."

"Danke, Frau Doktor Hornstein" , sagt der Minister ruhig und legt auf. Dann drückt er eine andere Taste, die ihn mit seinem Vorzimmer verbindet: "Keine Gespräche mehr, bitte." Er würde niemals vergessen, bitte zu sagen. Er wählt Lawerenzs direkte Nummer selbst.

Andrea Hofwieser hat sich für das Gespräch mit ihrem Verleger sorgfältig vorbereitet. Das grüne Kleid, das sie anhat, ist über den Hals bis fast zum Kinn geschlossen. Jens-Peter Schwarzkoff fragt sich unwillkürlich, ob sie ein paar Flecken verbergen will, aber so genau will er es nicht wissen, denn falls das so wäre, dann würden die wohl noch von ihm stammen. Sie sind allein in seinem Zimmer, es regnet draußen aus fast schon schwarzem Hi­mel, der Wetterbericht hatte wieder mal gelogen. Die Schreibtischlampe beleuchtet ein Blatt Papier, das vor ihm liegt.

Schwarzkoff räuspert sich. "Also, es tut mir ..."

Andrea Hofwieser blickt ihn verächtlich an, legt ihr Handy auf die Lehne des Stuhles, sagt aber nichts, bevor ihre Zigarette brennt. Seinen Versuch, ihr Feuer zu geben, hat sie fast wütend abgelehnt. Sie will ihn auf Distanz halten: "Sie kennen das Exposé, Herr Schwarzkoff. Haben Sie Fragen dazu?"

Er atmet tief durch und schaltet sofort um auf verlegerische Geschäftigkeit. Es ist offensichtlich, dass sie nicht das Bedürfnis hat, über die Szene in der Tiefgarage auch nur noch ein Wort zu verlieren oder sich gar Entschuldigungen von ihm anzuhören. Umso besser, denkt er, aber weiß gleichzeitig, dass sie es ganz bestimmt nicht vergessen hat. Dass er so oder so dafür bezahlen muss. Sie aber auch, sagt er sich befriedigt und denkt an das Fax, das er Mulder geschickt hat.

"Ihre Geschichte klingt zwar, sagen wir mal unglaublich, aber das ist ja nichts Schlechtes für einen Thriller. Ich bin sicher, dass wir damit Erfolg haben werden." Er sagt wir, und auch er meint etwas anderes mit seinen Worten als sie. Wir heißt so viel, dass sie selbst jetzt nicht vergessen soll, wer ihr gegenüber sitzt. Der mächtige Verleger, der über Erfolg oder Misserfolg entscheiden kann: "Ich habe mir gedacht, dass wir den Vorschuss auf fünfzigtausend festlegen, natürlich nicht zu verrechnen mit eventuellen Vorabdrucken, wobei ich für die Zeitung Erstrecht haben möchte. Das wird dann sozusagen umsonst sein. Fünfzigtausend und als Zeichen meiner Wertschätzung sollen Sie in der Zeit, in der Sie für die Zeitung ausfallen und Ihr Buch schreiben, die Hälfte Ihres Gehalts weiter beziehen. Okay?"

"Fast, Herr Schwarzkoff. Fast. Hunderttausend Vorschuss ist okay, das volle Gehalt, bis ich fertig bin. Serienrechte zu den üblichen Marktpreisen," antwortet seine Reporterin und kramt in ihrer Tasche, als habe sie das etwas Wichtiges vergessen: "Ach, da ist ja der Vertrag. Ich habe ihn von meinem Anwalt schon mal fertig machen lassen, Sie müssen nur noch unterschreiben." Sie legt das Schriftstück auf die äußerste Kante seines Schreibtischs und bewegt sich dabei keinen Zentimeter aus ihrem Stuhl in seine Richtung: "Lesen Sie es in Ruhe mal durch."

Schwarzkoff läuft rot an: "Sind Sie verrückt geworden? Hunderttausend für einen Erstling? Und noch volles Gehalt? Ich denke nicht daran, einen solchen Vertrag überhaupt nur anzuschauen."

"Wie Sie wollen. Ich habe mit meinem Anwalt, dem ich übrigens voll vertraue, schon mal eine andere Geschichte für mein erstes Buch durchgespielt. Einen ganz anderen Stoff, der mir plötzlich eingefallen ist. Ich glaube, Samstagnacht war das, ich konnte nicht schlafen , war doch alles ziemlich aufre­gend in dieser Nacht, das vergisst man nicht so schnell. Ja, wie gesagt, einen ganz anderen Stoff. Vielleicht interessiert der Sie mehr? Ich erzähle Ihnen mal schnell die Grundidee. Also, ein verheirateter Mann ..."

Schwarzkoff zerrt wortlos einen teuren Kugelschreiber aus seiner Brusttasche, schraubt die Kappe ab und unterschreibt den Vertrag, den sie auf den Schreibtisch gelegt hat. Andrea Hofwieser steht auf, nimmt die Vereinbarung und verstaut sie wieder in ihrer Handtasche: "Vielen Dank. Ich wusste, dass wir uns verstehen. Ich werde mich ab und zu bei Ihnen melden, wie es so voran geht. Urlaub nehme ich ab morgen und am Freitag muss ich nach Holland fliegen für Recherchen. Würden Sie noch so freundlich sein, der Verlagsleitung eine Hausmitteilung zu schreiben wegen der anfallenden Spesen? Dass die übernommen werden. Nochmals Danke."

Während sie zur Tür geht, zerbricht Schwarzkoff den Stift, mit dem er gerade unterschrieben hat. Sie hat sich noch einmal umgedreht, weil ihr eingefallen ist, dass sie ihr Handy hat liegen lassen. Als sie es einsteckt, schaut sie Schwarzkoff noch einmal direkt ins Gesicht und zwingt sich dazu, ihre Augen nicht abzuwenden: "Bevor ich es vergesse, aber ich bin sicher, dass ich Ihnen das eigentlich nicht extra sagen muss, wir sollten natürlich Schweigen bewahren über diese Geschichte. Sonst käme noch jemand auf die Idee, uns das Thema abzuschießen."

Wieder versteht Schwarzkoff, was sie eigentlich sagen will.

Mit dem knackenden Geräusch des zerbrechenden Kugelschreibers endete das abgehörte Gespräch, das Susanne Hornstein am nächsten Morgen abspielt. Das Geräusch ist ebenfalls in der Tonbandabschrift erwähnt und mit einem roten Farbklecks herausgehoben, aber auch sie konnte sich nicht erklären, was es bedeutete. Sie malt ein Fragezeichen an den Rand und nimmt alles mit in die Konferenz, die sie für zehn Uhr einberufen hat.

Und morgen lesen Sie: Die Polizei hat nichts in der Hand.

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