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Kanzler Olaf Scholz und sein Vertrauter Wolfgang Schmidt

© Kay Nietfeld/dpa

Unbefugte Weitergabe von Gerichtsdokument: Kanzleramtschef Schmidt muss keine Fragen fürchten

Wie kam der Durchsuchungsbeschluss zur Razzia im Finanzministerium in die Medien? Der Fall darf unaufgeklärt bleiben, entschied das Oberverwaltungsgericht.

Das Bundesfinanzministerium ist nicht verpflichtet aufzuklären, wer den Durchsuchungsbeschluss zur Razzia im Ministerium im September 2021 unbefugt verschiedenen Medien zugespielt haben könnte.

Das hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) entschieden und einen anderslautenden Beschluss des Verwaltungsgerichts aufgehoben (Az.: OVG 6 S 40/21). Anlass für das Verfahren war eine presserechtliche Auskunftsklage des Tagesspiegels.

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Unmittelbar nach den Durchsuchungen im Justiz- und Finanzministerium im vergangenen Jahr wegen Vorgängen in der Anti-Geldwäschebehörde FIU waren Zitate aus dem Durchsuchungsbeschluss publik geworden. Zudem hat der damalige Staatssekretär und heutige Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) Wortlautauszüge beim sozialen Netzwerk Twitter veröffentlicht.

Nach eigenen Angaben habe er damit den aus seiner Sicht „falschen Eindruck“ korrigieren wollen, dass gegen die Leitung des Ministeriums und den damaligen Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) ermittelt werde. Der zuständigen Osnabrücker Staatsanwaltschaft hatte Schmidt mit Blick auf die bevorstehenden Bundestagswahlen Parteilichkeit vorgeworfen.

Die Veröffentlichung von Gerichtsdokumenten aus laufenden Ermittlungsverfahren ist strafbar

Die Veröffentlichung von Gerichtsdokumenten aus laufenden Ermittlungsverfahren ist nach Paragraf 353d Strafgesetzbuch verboten. Der Tagesspiegel hatte deshalb beim Ministerium nachgefragt, wer für eine mögliche Weitergabe des Beschlusses verantwortlich sei. Auskünfte dazu wurden nur unzureichend erteilt.

Nach einem Eilantrag entschied das Berliner Verwaltungsgericht, das Ministerium müsse sowohl den damaligen Staatssekretär Schmidt wie alle weiteren Mitarbeiter befragen, die mit dem Dokument befasst gewesen seien. „Anhaltspunkte für diesen Verdacht sind mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhanden“.

Die Recherche der Zeitung könne „ein gesteigertes öffentliches Interesse beanspruchen“, erklärte das Gericht und verwies auf die „hochrangige Position“ von Schmidt in der Hierarchie des Finanzministeriums (Az.: VG 27 L 298/21).

Weitere Fragen würden „die Grenze zu einer Sachverhaltserforschung überschreiten“

Der Sechste Senat des Oberverwaltungsgerichts sieht dies jetzt anders und hat einer Beschwerde des Finanzministeriums stattgegeben. Schmidt habe bei späteren Befragungen im Ministerium auf seine öffentlichen Stellungnahmen zu seiner Twitter-Veröffentlichung verwiesen.

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Diese hätten sich zwar nicht auf die Weitergabe des Dokuments an Journalisten bezogen. Das Ministerium habe aber „keinen Einfluss darauf, ob und wie der Staatssekretär die Fragen zu beantworten gedenkt“, entschieden die Richter.

Zu weiteren Befragungen sei das Ministerium „nicht verpflichtet, weil damit die Grenze zu einer Sachverhaltserforschung überschritten wäre“. Derartige „hausinternen Ermittlungen“, ob ein Amtsträger sich strafbar gemacht oder disziplinarrechtlich relevant verhalten hat, könnten mit den Mitteln des presserechtlichen Auskunftsanspruchs nicht verlangt werden.

Zudem sei es „bloße Spekulation“, dass außer Schmidt noch andere Beschäftigte des Ministeriums den Beschluss weitergeleitet haben könnten.

Der Regierungssprecher wusste nichts, der Kanzleramtschef sagte nichts

Der Beschluss des OVG ist rechtskräftig. Der Instanzenzug in Verfahren des Eilrechtsschutzes endet hier. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Behörden grundsätzlich in der Pflicht, bei Antworten auf Presse-Auskunftsersuchen auch das dienstliche Wissen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mitzuliefern.

Das OVG hat diesen Anspruch jetzt auf Fragen an die „nach der internen Geschäftsverteilung sachlich zuständige Stelle“ oder den „sachlich zuständigen Mitarbeiter“ beschränkt.

Die früheren Mitarbeiter der Ministeriums-Pressestelle, darunter der heutige Regierungssprecher Steffen Hebestreit, hatten im Beschwerdeverfahren erklärt, sie wüssten nichts über eine unbefugte Weitergabe. Kanzleramtschef Schmidt hat bisher nichts dazu gesagt, ob er das vollständige Dokument an Dritte übermittelt hat.

Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen der Twitter-Veröffentlichung von Auszügen des Beschlusses wurde kurz vor dem Wechsel Schmidts ins Kanzleramt eingestellt. Im Gegenzug zahlte der Politiker eine Geldauflage von 5000 Euro.

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