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Die Eisverluste Grönlands werden immer größer.

© Felipe Dana/AP/dpa

UN-Bericht: 1,5 Grad bald überschritten – und es wird immer heißer werden

Die Vereinten Nationen legen einen neuen Klimabericht vor. „Der vom Menschen verursachte Klimawandel wirkt sich auf die lebenserhaltenden Systeme aus.“

Die kommenden fünf Jahre werden wahrscheinlich wärmer als je seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Daran ändert auch die Covid-Pandemie nichts. Nach einem kurzen Knick in den Emissionen geht der Ausstoß von Klimagasen weiter nach oben und wird sich wohl fortsetzen. Die Welt ist deshalb nicht auf dem Weg, die Erderwärmung auf unter zwei oder gar bei 1,5 Grad zu begrenzen. Das sind die Kernaussagen eines neuen gemeinsamen Berichts der Vereinten Nationen und der Weltwetterorganisation WMO mit dem Titel „Vereint in der Wissenschaft“.

CO2 Emissionen stiegen weiter

Die CO2-Konzentrationen zeigten keine Anzeichen zu sinken und sind weiter auf neue Rekorde gestiegen, heißt es darin. Dass sich die Coronakrise nur so wenig auswirke, liege an der Menge des bereits in der Atmosphäre angereicherten Kohlendioxids. „Zur Stabilisierung des Klimawandels sind nachhaltige Emissionsminderungen auf null erforderlich“, heißt es weiter.

Die CO2-Emissionen im Jahr 2020 werden aufgrund der Covid-Politik um geschätzt vier bis sieben Prozent sinken. Der genaue Rückgang werde von der weiteren Entwicklung der Pandemie und den Reaktionen der Regierungen abhängen. Während des Lockdowns Anfang April 2020 sanken die fossilen CO2-Emissionen im Vergleich zu 2019 um beispiellose 17 Prozent. Trotzdem entsprachen die Emissionen immer noch dem Niveau von 2006. Und die Emissionen des starken Klimagases Methan aus menschlichen Aktivitäten nahmen in den letzten zehn Jahren weiter zu.

1,5 Grad Erwärmung bald überschritten

Die globale Durchschnittstemperatur von 2016 bis 2020 wird voraussichtlich die höchste seit Beginn der Aufzeichnungen sein und 1,1 Grad über dem Schnitt von 1850 bis 1900 liegen.

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Von 2020 bis 2024 beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens ein Jahr um 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegt, 24 Prozent. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent werden ein oder mehrere Monate in den nächsten fünf Jahren mindestens 1,5 Grad wärmer sein als in vorindustrieller Zeit.

In jedem Jahr zwischen 2016 und 2020 war die Ausdehnung des arktischen Meereises unterdurchschnittlich. Von 2016 bis 2019 verloren die Gletscher mehr Eis als in allen anderen fünf Jahren seit 1950.

Druck auf alle Ökosysteme

„Der vom Menschen verursachte Klimawandel wirkt sich auf lebenserhaltende Systeme von der Spitze der Berge bis in die Tiefen der Ozeane aus. Er führt zu einem beschleunigten Anstieg des Meeresspiegels mit Kaskadeneffekten für die Ökosysteme und die menschliche Sicherheit“, warnen die Autoren des Berichts.

Eisschilde und Gletscher weltweit hätten an Masse verloren. Zwischen 1979 und 2018 habe die Ausdehnung des arktischen Meereises in allen Monaten des Jahres abgenommen. Zunehmende Waldbrände und abruptes Auftauen des Permafrosts sowie Veränderungen in der Arktis und in der Gebirgshydrologie hätten die Ökosysteme immer häufiger und intensiver gestört

Der globale mittlere Meeresspiegel steigt, wobei sich die Beschleunigung in den letzten Jahrzehnten aufgrund zunehmender Eisverlustraten aus den Eisschildern Grönlands und der Antarktis sowie des anhaltenden Verlusts der Gletschermasse und der Ausdehnung der Ozeane durch Erwärmung des Wassers beschleunigt. Der Anstieg des Meeresspiegels von 2006 bis 2015 war mit 3,6 Millimetern pro Jahr beispiellos.

Die Ozeane haben mehr als 90 Prozent der überschüssigen Wärme im Klimasystem aufgenommen. Das hat zu weitflächigem Ausbleichen von Korallen geführt.

Gletscherschmelze bedroht Wasserversorgung

Die Auswirkungen des Klimawandels sind laut dem Bericht am stärksten im Wasserhaushalt der Erde zu bemerken: Bis 2050 wird die Zahl der von Überschwemmungen bedrohten Menschen von derzeit 1,2 Milliarden auf 1,6 Milliarden steigen. Anfang bis Mitte der 2010er Jahre lebten 1,9 Milliarden Menschen oder 27 Prozent der Weltbevölkerung in potenziell stark wasserarmen Gebieten. Im Jahr 2050 werde diese Zahl auf 2,7 bis 3,2 Milliarden Menschen steigen. Der Klimawandel wird voraussichtlich die Anzahl der Regionen mit Wassermangel erhöhen und ihn in Regionen mit bereits bestehendem Wassermangel verschärfen.

Mit großer Sicherheit wird der jährliche Abfluss von Gletschern spätestens Ende des 21. Jahrhunderts weltweit seinen Höhepunkt erreichen. Danach wird ein globaler Rückgang dieses Abflusses mit Auswirkungen auf die Wasserspeicherung prognostiziert.

Emissionslücke bleibt

Transformationsmaßnahmen können nicht länger verschoben werden, wenn die Ziele des Pariser Abkommens erreicht werden sollen“, fordern die Autoren des Berichts. Eigentlich müssten die Emissionen zum Erreichen des Zwei-Grad-Ziels jährlich um drei Prozent, zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels um sieben Prozent im Jahr sinken.

Es sei weiterhin möglich, die Emissionslücke zu schließen, macht der Bericht Mut. Dies erfordere jedoch schnelle, gemeinsame Maßnahmen aller Länder und aller Sektoren. Ein wesentlicher Teil des kurzfristigen Potenzials könnte durch die Ausweitung bewährter Maßnahmen realisiert werden: den Ausbau der erneuerbaren Energien, mehr Energieeffizienz, kohlenstoffarme Transportmittel und ein Ausstieg aus der Kohle.

„Noch nie war so klar, dass wir einen langfristigen, integrativen und sauberen Wandel brauchen, um die Klimakrise zu bewältigen und eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Wir müssen die Erholung von der Pandemie in eine echte Chance für eine bessere Zukunft verwandeln“, fasste Guterres zusammen, der den Bericht heute um 17 Uhr online vorstellen wird.

Klimadiplomatie pausiert

Der Bericht ist der zweite seiner Art und fasst den Stand der Wissenschaft knapp zusammen. Er ergänzte damit die umfangreichen Sachstandsberichte des Weltklimarats IPCC, die nur alle sieben Jahre erscheinen. Der erste Bericht von UN und WMO erschien 2019 kurz vor dem UN-Klimagipfel von Generalsekretär Guterres in New York. Auf die gefährlichen Auswirkungen der Erderhitzung aufmerksam zu machen, ist eines der wenigen Mittel der internationalen Klimadiplomatie, um politische Entscheidungen für mehr Klimaschutz zu fördern.

Beigetragen zu dem Bericht hat das Global Carbon Project, das die Emissionen von Klimagasen weltweit beobachtet. Weiterer Input kommt vom Weltklimarat IPCC, der ozeanographischen Kommission der UNESCO, dem UN Umweltprogramm UNEP und dem meteorologischen Dienst Großbritanniens.

Die für November in Glasgow geplante UN-Konferenz zum Klimawandel ist wegen der Pandemie auf unbestimmte Zeit verschoben. Hier sollten zum ersten Mal nach der Klimakonferenz in Paris neue, bessere Klimaziele auf den Tisch gelegt werden.

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