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Protest gegen Shell. Nach einer Ölpest auf dem Shell-Ölfeld Bonga in Nigeria (2011).

© picture alliance / dpa /( George Esiri

Umweltschutz: Der Nutzen des Virus

Hilft die Pandemie insgeheim dem Naturschutz? Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Caroline Fetscher

Atempause für die Natur! Tröstlich hörte sich an, was die ökologische Forschung seit Frühjahr der Coronakrise abgewinnen konnte. Immerhin kreuzen weniger Flugzeuge den Himmel, es gibt weniger Tourismus, weniger Umweltbelastungen, Ozeane werden weniger überfischt, Bestände erholen sich. Zwar müssen sich Menschen weltweit mit Ausnahmezuständen arrangieren, doch genießt die Ökosphäre den unfreiwillig entstanden Schutzraum, eine Art temporären Safe Space for Nature.

Ganz so ist es freilich auch wieder nicht. Satellitenaufnahmen von Brasiliens Forschungsinstitut INPE zeigten allein im Oktober 2020 mehr als 17000 Brandherde in Amazonien, 120 Prozent mehr als im Oktober des Vorjahres. Illegale Brandrodung tilgt einen Quadratkilometer Tropenwald nach dem anderen, obwohl Präsident Jair Bolsonaro das Abfackeln inzwischen per Dekret untersagt hat.

Parallel dazu hat er allerdings, ganz im Trump-Style, die Mittel der Umweltbehörden stark beschnitten, was indirekt zum Brandschatzen der Ressource Regenwald ermuntert, zum Entsetzen von Umweltbewegungen und lokalen Bevölkerungen.

Destruktive Brandrodung

Dreißig Jahre ist es her, dass in Brasilien ein Schutzgebiet für Kautschuksammler gegründet wurde, die „Reserva Extrativista Chico Mendes“. Sie trägt den Namen des legendären Gewerkschafters, den alle gekannt hatten, die gegen die destruktive Praxis von Brandrodung und Viehzucht und Futtermittelplantagen aktiv waren. Und alle hatten um sein Leben gefürchtet. Zu Recht. Im Dezember 1988 wurde Mendes an seiner Haustür von einem Großgrundbesitzer erschossen. Es ist ein guter Zeitpunkt, an ihn zu erinnern.

Zugleich ein guter Zeitpunkt, an den Schriftsteller und Umweltaktivisten Ken Saro-Wiwa zu erinnern, wozu nun die „Gesellschaft für bedrohte Völker“ aufruft. Saro-Wiwa hatte in Nigeria eine Initiative für die Ogoni und andere Bevölkerungsgruppen im Nigerdelta gegründet, deren Lebensgrundlagen durch die rücksichtslose Ölförderung großer Konzerne zerstört werden.

„Do not drink, fish or swim here“, warnen Schilder an den Gewässern. Saro-Wiwa hatte Firmen wie Shell vorgeworfen, die Gegend in eine verseuchte Mondlandschaft zu verwandeln - und die Millionenprofite nicht an die Bevölkerung weiterzugeben.

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Entschädigung in Millionenhöhe

Erfolge von Saro-Wiwas Kampagnen brachten Diktator Sani Abacha derart auf, dass er den Schriftsteller und acht seiner Mitstreiter am 10. November 1995 erhängen ließ. Die Männer sollen in einem Privatflugzeug von Shell zur Hinrichtung geflogen worden sein, was der Konzern leugnete, der 2009 dann doch 15,5 Millionen Dollar Entschädigung an die Hinterbliebenen zahlte. Lecks bei Bohrplattformen und Ölförderpumpen gibt es nach wie vor nahezu täglich.

Eine interaktive Landkarte des Nigerdeltas von Amnesty International zeigt auf, wie die Anzahl der Ölunfälle dort Jahr für Jahr zugenommen hat. Das Wasser ist ölverseucht, etwa 30000 Menschen haben mittlerweile die Fischerei aufgegeben, und auch Boden und Luft sind verschmutzt. Vergebens dokumentieren auch die Vereinten Nationen die Schäden. Umweltorganisation klagen über Korruption und Machtmissbrauch an, wie schon zu Saro-Wiwas Lebzeiten.

Die Vorstellung, dass „nach Corona“ alles Treiben und Handeln weitergeht wie zuvor, ist doppelt unverantwortlich. Erstens setzt sich auch während Corona enorm viel Dysfunktionales und Dummes fort. Zweitens wird es nach Corona erst recht darum gehen, Schaden und Nutzen im Umgang mit Ressourcen neu zu bilanzieren, auch im Interesse kommender Generationen.

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