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US-Präsident Barack Obama eilt von Krise zu Krise.

© AFP

Ukraine und Irak: Barack Obama: Seine Welt bricht auseinander

Die Krise in der Ukraine und die Brutalität der Dschihadisten im Irak lasten auf Barack Obama. Aus dem demokratischen Friedensbringer ist ein Präsident in Kriegszeiten geworden. Wie geht der US-Präsident mit den beiden Krisenherden um?

Am vergangenen Freitagabend war Barack Obama im Bundesstaat New York unterwegs. Kurz zuvor hatte er einer perplexen Öffentlichkeit offenbart, „noch keine Strategie“ im Kampf gegen den Terror des Islamischen Staats (IS) in Syrien zu haben. Bei einem demokratischen Spendendinner in Purchase dann, etwas nördlich von New York City, bekannte der amerikanische Präsident: „Wenn man die Abendnachrichten sieht, fühlt es sich an, als falle die Welt auseinander.“

Obamas Welt zumindest ist schon auseinandergefallen. Aus dem demokratischen Friedensbringer, dessen Außenpolitik im Kern daraus bestehen sollte, die Fehler seines Vorgängers George W. Bush nicht zu wiederholen („don‘t do stupid stuff“), ist ein Präsident in Kriegszeiten geworden. Seine Politik der Zurückhaltung („Retrenchment“ genannt) hat angesichts einer schleichenden russischen Invasion in der Ostukraine und der Terrorherrschaft der Islamisten im Irak und in Syrien schlicht keine Relevanz mehr. Beide Entwicklungen fordern militärische Entscheidungen vom amerikanischen Präsidenten. Diese dürften bezogen auf die beiden Staaten unterschiedlich ausfallen.

Wie handelt Obama in Sachen Ukraine?

Der US-Präsident hat sich in der vergangenen Woche geweigert, die russische Invasion beim Namen zu nennen. Er verweist wiederholt darauf, dass die Ukraine kein Nato-Partner ist. Und doch sieht sich der Präsident mit einem anschwellenden Kanon an Forderungen konfrontiert, die ukrainische Armee mit Waffen zu unterstützen. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Senat, der Demokrat Robert Menendez, forderte in einem Radio-Interview, die USA sollten panzerbrechende Raketen und Radarsysteme schicken. „Das ist ein Wendepunkt“, sagte Menendez. Die Ukraine müsse zumindest in der Lage sein, sich zu verteidigen.

Während Obamas Besuch in Estland antwortete der estnische Präsident Toomas Ilves auf eine direkte Frage nach solchen Waffenlieferungen, die Ukraine bräuchte vor allem politische Unterstützung. „Und aus dieser Unterstützung heraus kommen Entscheidungen, die alles andere beinhalteten – wirtschaftliche Hilfe, humanitäre Hilfe und auch militärische Hilfe.“ Barack Obama versicherte die Entschlossenheit der USA, die Sicherheit Estlands zu gewährleisten. „Estland wird nie allein stehen“, versprach Obama – und es war klar, dass er damit nicht nur das Baltikum, sondern alle osteuropäischen Nato-Mitglieder meinte.

Bereits am Vormittag hatte Obama bei einem bilateralen Treffen mit seinem estnischen Gastgeber Ilves den Beistand der USA zugesichert. „Er ist unzerbrechlich, er ist felsenfest, und er ist ewig“, sagte Obama. Ilves ging jedoch weiter und forderte bei dem Treffen eine Änderung der Gründungsakte der Nato. Wenn diese der aktuellen Gefahrensituation nicht mehr gerecht werde, müsse sie abgeändert werden, sagte der Este mit Blick auf das immer aggressivere Gebaren Russlands. Vor allem sprach er sich für Nato-Basen in seinem Land aus. „Eine robuste und sichtbare Präsenz eines Verbündeten ist der beste Weg, um jegliche mögliche Aggression abzuhalten“, warb Ilves. Obama kam diesen Wünschen erwartungsgemäß entgegen, nannte indes keine Zahlen.

Allerdings fand der US-Präsident angesichts der immer offeneren russischen Invasion in der Ukraine diesmal deutlichere Worte. In einer Rede in Tallinn bezeichnete er die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Separatisten im Donbass offen als „dreisten Angriff auf die Unversehrtheit der Ukraine“ und stellte klar, dass dieser von Russland ausgehe. Die prorussischen Rebellen würden von Russland unterstützt, finanziert, trainiert, ausgerüstet und bewaffnet, sagte Obama: „Dies sind belegbare Fakten und keine Streitfrage.“ Auf die Frage nach militärischer Hilfe für die Ukraine aber antwortete der US-Präsident nicht.

Wie geht Obama im Kampf gegen die IS-Terrormiliz vor?

Am Mittwochmorgen gab die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus eine trockene Stellungnahme ab: „Die US-amerikanischen Geheimdienste haben das kürzlich veröffentlichte Video analysiert, das den US-Bürger Steven Sotloff zeigt, und sind zu der Beurteilung gekommen, dass es authentisch ist. Wir werden Sie weiter auf dem Laufenden halten, wenn es dazu mehr gibt.“

Seit Mittwochmorgen ist es amtlich. Auch der zweite Journalist in den Händen der Islamisten, Steven Sotloff, ist tot, ermordet vor laufender Kamera. Seit dem Mord an Sotloffs Kollegen James Foley vor zwei Wochen steht Obama unter immensem Druck, gegen den IS auch in Syrien vorzugehen. Reagierten die USA auf den Mord an Foley noch mit einer Art Schock, entsteht inzwischen eine fast kriegerische Stimmung in der öffentlichen Berichterstattung. Obamas Entscheidung, 350 weitere Soldaten nach Bagdad zu schicken, hat damit nur mittelbar zu tun. Diese Kräfte sollen den Schutz amerikanischer Bürger und Einrichtungen verstärken. Sie sind nicht für den direkten Kampf gegen die Islamisten entsandt.

Noch gibt es keine Anzeichen, dass Obama schnell militärisch reagieren könnte. Bei seinem Besuch in Estland sagte Obama zwar: „Unser Ziel ist klar, und das ist, den IS zu zerlegen und zu zerstören, so dass er nicht länger eine Bedrohung nicht nur für den Irak, sondern auch für die Region und die Vereinigten Staaten darstellt.“ Doch das Unternehmen werde eine langfristige Aufgabe sein, die nicht innerhalb einer Woche, eines Monats oder eines halben Jahres gelöst werde. Und wieder sagte Obama, Voraussetzung dafür sei eine internationale und regionale Koalition.

Der Golf-Kooperationsrat hat seine Bereitschaft zum Kampf gegen die Extremisten erklärt. Auch war US-Außenminister John Kerry am Wochenende zu Gesprächen mit den potenziellen Partnern unterwegs. Und der demokratische Senator Bill Nelson hat angekündigt, einen Gesetzentwurf für Luftangriffe in Syrien im Kongress umgehend einzubringen. „Wir müssen sofort gegen den IS vorgehen“, sagte Nelson. Die Unterstützung der Republikaner dafür dürfte sicher sein. Auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Repräsentantenhaus, der Republikaner Ed Royce, fordert ein aggressiveres Vorgehen gegen den IS. Die Voraussetzungen für eine Strategie sind also gegeben.

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