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Der Kriegsherr. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat sich zuletzt immer wieder mit seinem Militär gezeigt.

© Mykhailo Palinchak/Reuters

Ukraine-Konflikt: Poroschenkos Rivalen bringen sich in Stellung

Nach dem Rückzug der ukrainischen Armee aus Debalzewe gerät der ukrainische Präsident immer mehr in Bedrängnis. Das Volk fordert einen klaren Kurs.

Eine Niederlage wie die jüngste in Debalzewe, sollte es für die Ukraine eigentlich nie wieder geben. Im vergangenen August hatte sich eine ähnliche Schlacht in Illowaisk ereignet, damals verlor Kiews Armee fast 1000 Soldaten. Sechs Monate später muss Präsident Petro Poroschenko wieder eine schwere militärische und politische Niederlage hinnehmen.

Debalzewe kommt für den Staatschef zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt. Seit Wochen steht Poroschenko unter großem Druck. Auch seine westlichen Partner in den USA und Europa kritisieren ihn offen. Ende Januar hatte sich ausgerechnet der Botschafter der Vereinigten Staaten, Geoffrey Pyatt, in einem Interview mit der Wochenzeitung "Zerkalo Nedeli" zu dem Vergleich hinreißen lassen, die derzeitige ukrainische Führung laufe Gefahr zu enden, "wie Juschtschenko und Timoschenko 2005".

Der Spitzendiplomat warf Kiew mangelnden Reformwillen vor. Das Interview verursachte intern zwar hohe Wellen, kam aber just an dem Tag an die Kioske, als in der südukrainischen Hafenstadt Mariupol ein Wohnviertel beschossen wurde. So nahm die Öffentlichkeit kaum Notiz davon. Bei dem Angriff, der den pro-russischen Separatisten zugerechnet wird, kamen 31 Menschen ums Leben, hunderte wurden verletzt.

"Er ist ein Ankündigungsweltmeister"

Auch die Ukrainer fordern von ihrem Präsidenten mehr Klarheit in seinen politischen Entscheidungen. "Er ist ein Ankündigungsweltmeister", sagt ein Parlamentarier der Regierungskoalition, der namenlos bleiben will. Was damit gemeint ist, können die Ukrainer regelmäßig im Fernsehen oder im Internet verfolgen – Poroschenko ist allgegenwärtig. Und in letzter Zeit tritt er oft in der Uniform des Oberbefehlshabers auf. "Sich in voller Montur vor die Kameras zu stellen und Botschaften herauszurufen, reicht in der jetzigen Situation aber nicht", so der Abgeordnete.

An diesem Wochenende hat Poroschenko gleich mehrfach die Gelegenheit, mit Blick auf die Zukunft der Ukraine klare Worte zu finden. Am Freitag jähren sich zum Beispiel die Schüsse auf dem Maidan. Am 20. Februar 2014 waren innerhalb eines Vormittags fast 70 Menschen erschossen worden. Das Wochenende steht daher ganz im Zeichen des Gedenkens an die Ereignisse und was danach folgte: Annexion der Krim, Kriegsbeginn im Osten des Landes und die nun drohende Spaltung der Ukraine. Doch Poroschenko wird wohl in Deckung bleiben.

Zwischen den Fronten

Kein Wunder. Der Präsident hat viele Feinde. Während die eine Fraktion ein entschiedeneres Vorgehen gegen die von Russland unterstützten Separatisten fordert, wollen andere den Krieg möglichst sofort beenden. Poroschenko droht zwischen diesen Fronten zerrieben zu werden. Als Poroschenkos gefährlichster Gegenspieler gilt derzeit Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk.

Er wäre gern selbst Präsident geworden. Doch das wurde nicht zuletzt von Alexander Turtschinow verhindert. Der verfügt über viel Geld wie Organisationstalent und schloss sich bereits während des Protestwinters dem damaligen Geschäftsmann Petro Poroschenko an. Der 50-Jährige hat in den vergangenen zwölf Monaten so viele wichtige politische Ämter bekleidet wie kaum ein anderer: Übergangspräsident, Parlamentssprecher und Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates. Es gibt in Kiew nicht wenige, die glauben, Turtschinow könnte Poroschenko schon bald beerben.

EU-Polizei im Osten den Landes?

Und der in Minsk vereinbarte, brüchige Waffenstillstand mit den prorussischen Separatisten? Dessen Einhaltung sollte nach Auffassung von Staatschef Poroschenko von einer Polizeimission der Europäischen Union mit einem UN-Mandat überwacht werden. Russland und die Separatisten wiederum plädieren für einen Blauhelmeinsatz.

Viel Zustimmung bekommen beide Vorschläge allerdings nicht: Viele westliche Politiker wollen auf keinen Fall direkt in den Konflikt zwischen der Ukraine und Russland hineingezogen werden. Und es bräuchte gerade für eine EU-Mission Moskaus Zustimmung. Doch die gilt als unwahrscheinlich. Russland hält die EU für befangen.

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