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Lernen wird auch mit der Bafög-Reform aufgewertet.

© Julian Stratenschulte/dpa

Überfällige Bafög-Reform: Mit lebenslangem Lernen wird Ernst gemacht

Bafög bis 45 Jahre möglich und Anpassung der Sätze: Ein Anfang, aber eine umfassende Reform wird der Lackmustest für die neue Ministerin. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Tilmann Warnecke

In diesen Tagen beginnen wieder die Vorlesungen an den Hochschulen in Deutschland. Ein Motivationsschub kommt aus dem Bundeskabinett. Das Bafög soll erhöht werden, die Zahl derjenigen, die die Studienunterstützung beantragen dürfen, soll steigen. Es ist ein wichtiges Signal an die Studierenden – gerade weil ihre Belange in Zeiten der Pandemie, anders als die der Schüler:innen, völlig aus der öffentlichen Debatte gefallen sind.

Überfällig ist es ohnehin, dass die Ampelkoalition – wie im Koalitionsvertrag versprochen – das Bafög attraktiver machen will. Die Wissensgesellschaft von heute braucht möglichst viele gut ausgebildete Menschen.

Deutschland hat zudem ein besonderes Problem damit, Bildungsaufstieg vom sozioökonomischen Status der Familie zu entkoppeln. Eine starke Studien- und Ausbildungsförderung wäre für beides Teil der Lösung.

Doch in den vergangenen Jahren ist genau das Gegenteil passiert. Das Bafög siecht dahin. Inzwischen bekommt nur noch jede:r Zehnte unter den Studierenden Bafög – beim Start in den 1970ern war es einst die Hälfte. Die CDU-Bundesbildungsministerinnen, die das Ressort über 15 Jahre leiteten, interessierte das Thema herzlich wenig. Während Rentner:innen praktisch Jahr für Jahr – zu Recht! – eine höhere Pension erhalten, gab es für Studierende eine Nullrunde nach der nächsten.

Ob Berufstätige wirklich nochmal studieren, bleibt fraglich

Gut also, dass die Sätze jetzt um fünf Prozent steigen. Und die Elternfreibeträge gleich um zwanzig Prozent: Diese legen fest, bis zu welcher Einkommensgrenze der Eltern Studierende überhaupt Bafög erhalten. Künftig kann man sogar bis zu einem Lebensalter von 45 Jahren Bafög beantragen (statt wie bisher in der Regel bis 30 Jahre). Die Ampel macht so Ernst mit lebenslangem Lernen, das in Sonntagsreden von der Politik gerne besungen, aber selten im Alltag unterstützt wird.

Dass Beschäftigte ihre Arbeitskarriere unterbrechen, um sich mit einem Studium neu zu orientieren oder weiterzuqualifizieren, kommt in Deutschland viel zu selten vor – auch wenn abzuwarten bleibt, ob die Bafögsätze hier wirklich einen massiven Anreiz setzen werden.

Die jetzt beschlossene Reform reicht nicht

Ausruhen können sich die neue Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) und mit ihr die Ampel auf der jetzt beschlossenen Reform allerdings nicht. Dringend nötig wäre eine gesetzliche Verankerung für eine regelmäßige Erhöhung der Sätze, umso mehr angesichts der aktuellen Inflation. Dass das Bafög – wie zuletzt zwischen 2010 und 2016 geschehen – über Jahre gar nicht erhöht wird, darf künftig nicht mehr geschehen: Eine zukunftsorientierte Politik sieht anders aus.

Die Liberale Stark-Watzinger sollte auch nicht davor zurückschrecken, die Studienförderung wieder in die Richtung eines Vollzuschusses zu entwickeln. Dass Studierende nach ihrem Abschluss auf Tausenden Euro Schulden sitzen – selbst wenn sie lange Zeit haben, diese zurückzuzahlen –, kann sich ein Land mit Fachkräftemangel schlicht nicht mehr erlauben.

Für Stark-Watzinger ist eine umfassende Bafög-Reform auch ein Lackmustest, wie sehr sie in ihrem Amt gestalten will und kann. Im Grunde sind die Erwartungen an sie gering: Sie soll es besser machen als ihre glücklose Vorgängerin Anja Karliczek (CDU). Das ist nicht allzu schwer. Noch scheint Stark-Watzinger aber Zeit zu brauchen, sich richtig freizuschwimmen. Wichtig wäre es: Eine starkes Land braucht eine starke Bildungs- und Forschungsministerin.

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