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Teilnehmerinnen der Parade des Christopher Street Day (CSD) in Freiburg (Archivbild)

© dpa/Patrick Seeger

Überflüssige Strafgesetze: Was als erstes gestrichen werden könnte

Eine Reihe von Delikten könnte gestrichen werden, doch die Politik tut sich schwer damit, irgendwo anzufangen. Dabei wäre es so einfach.

Eine Kolumne von Jost Müller-Neuhof

Dem TV-Unterhalter Jan Böhmermann und sein dem türkischen Präsidenten gewidmetes „Schmähgedicht“ ist zu verdanken, dass die Bundesrepublik vor ein paar Jahren eine Überraschung erlebte: Ein Strafgesetz wurde abgeschafft, die „Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten“. Man sah ein, die Vorschrift bringt, wenn sie etwas bringt, nur Ärger.

Einfach streichen, das ist selten. Kriminalisieren klappt, Entkriminalisieren weniger. Justizminister Marco Buschmann (FDP) möchte liberalen Grundsätzen gerecht werden und lässt sein Ministerium grübeln, welches „tote Holz“ – so nennt Buschmann die überflüssigen Gesetze – aus dem Dickicht herauszuschlagen sei.

Nun ist bilderreiche Sprache eher ungeeignet, juristische Zusammenhänge zu beschreiben. Anders gesagt: Holz ist hier nicht gleich Holz und tot ist alles auf seine Weise. Entkriminalisieren könnte und müsste man zum Beispiel das Schwarzfahren im Personennahverkehr.

Die Justiz verrenkt sich, die vermeintliche Untat als „Erschleichen von Leistungen“ zu erfassen. Doch da könnte es einigen Aufstand geben, nicht nur der Verkehrsunternehmen. Abo-Inhabende, Ticketkaufende, sie würden eifersüchtig werden.

Im Strafgesetzbuch steht ein absurdes Sexualdelikt, es ist der ,Beischlaf zwischen Verwandten’. Dieser könnte, Freiwilligkeit und Mindestalter vorausgesetzt, dem Staat egal sein. 

Jost Müller-Neuhof

Einfacher wäre, einer Tradition zu folgen. Bei der Streichung von Strafgesetzen gibt es eine. Sie hat ausschließlich mit dem Sexualverhalten von Menschen zu tun. Ende der sechziger Jahre wurde die Strafbarkeit des Ehebruchs abgeschafft. Wenig später folgte die Kuppelei, eine mittelalterliche Straftat, mit der außerehelicher Sex unterbunden werden sollte. Spät, in den neunziger Jahren, fiel dann endgültig der berüchtigte Paragraf 175, der Homosexualität lange unter Strafe stellte.

Hier könnte Buschmann anknüpfen. Im Strafgesetzbuch steht ein absurdes Sexualdelikt, es ist der „Beischlaf zwischen Verwandten“. Dieser könnte, Freiwilligkeit und Mindestalter vorausgesetzt, dem Staat egal sein. In geistiger und örtlicher Nähe befindet sich zudem das Verbot der Doppelehe, das niemand kennt und keiner braucht.

Ein fleißig-liberaler Forstwirt hätte solche Reste überkommener Sexual- und Ehemoral längst aus dem Paragrafenwald geharkt. Aber irgendetwas scheint auch daran schwierig zu sein. Vielleicht sind wir prüder, als wir meinen.

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