zum Hauptinhalt
Der türkische Präsident Erdogan und sein russischer Amtskollege Putin geben sich in Moskau die Hände.

© AFP/Pavel Golovkin

Update

Konflikt in Syrien: Türkei und Russland einigen sich auf Waffenruhe in Idlib

Hunderttausende Menschen sind wegen der Kämpfe in der Region Idlib auf der Flucht. Nun soll es ab Mitternacht abermals eine Feuerpause geben.

Russland und die Türkei haben sich auf einen neuen Anlauf für ein Ende der Krise in der syrischen Rebellenhochburg Idlib geeinigt. Eine neue Waffenruhe trete kurz nach Mitternacht zum Freitag in Kraft, sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Donnerstag in Moskau. Kremlchef Wladimir Putin sagte, dass nach rund sechs Stunden ein gemeinsames Dokument entstanden sei, das der Umsetzung des Waffenstillstandes diene.

Sicherheitskorridor entlang wichtiger Autobahn geplant

Außerdem soll ein Sicherheitskorridor entlang der wichtigen Verbindungsstraße M4 eingerichtet werden. Der werde „sechs Kilometer tief im Norden und sechs Kilometer tief im Süden“ der M4 etabliert.

Die M4 verläuft von der Regierungshochburg an der Mittelmeerküste im Westen des Landes über die Provinz Idlib in Richtung nordsyrische Großstadt Aleppo. Weil sie strategisch wichtig ist, wollen die Truppen des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad sie unter Kontrolle bringen.

Das Abkommen gilt für den Teil der M4, der bislang von Rebellen gehalten wird. Innerhalb des geplanten Korridors liegen wichtige Städte, aus denen sich die Regierungsgegner dann zurückziehen müssten. Schon früher hatten sich die Türkei und Russland auf eine Pufferzone für Idlib geeinigt, die jedoch eine weitere Eskalation nicht verhindern konnte.

Konkrete Maßnahmen zur Überwachung des Waffenstillstands binnen einer Woche

Nach Angaben des russischen Außenministers Sergej Lawrow sollen die Waffen entlang der Frontlinie in der bereits mit dem Sotschi-Abkommen von 2018 vereinbarten Deeskalationszone schweigen. Die Verteidigungsministerien beider Länder wollten in den nächsten sieben Tagen konkrete Maßnahmen vereinbaren, um den Waffenstillstand zu überwachen.

Eigentlich gilt dort bereits eine Waffenruhe. In den vergangenen Wochen war aber das syrische Militär mit russischer Unterstützung weiter in dem Gebiet vorgerückt. Hunderttausende Menschen fliehen derzeit vor den syrischen und russischen Angriffen in Richtung türkische Grenze.

Russland ist in dem Bürgerkrieg die Schutzmacht der syrischen Regierung. Die Türkei unterstützt in der Region Rebellen, darunter islamistische Gruppen. Nach einem Abkommen mit Russland hat die Türkei in Idlib Beobachtungsposten eingerichtet, die sie mit Waffen und Personal in den vergangenen Wochen massiv aufgerüstet hatte.

Rund drei Millionen Zivilisten laut UN in Region um Idlib

Wegen der großen Zahl an Flüchtlingen kommen Hilfsorganisationen in kurzer Zeit kaum noch damit hinterher, die Menschen zu versorgen. Die Region rund um Idlib ist eines der letzten Rebellengebiete in dem Bürgerkriegsland. Es halten sich nach UN-Schätzungen aber auch rund drei Millionen Zivilisten in dem Gebiet auf.

Die Türkei schloss am Donnerstag nicht aus, auch ihre Südgrenze zu Syrien für Flüchtlinge aus Idlib zu öffnen. Sie könnten dann auch weiter in die EU gelangen, warnte Innenminister Süleyman Soylu. „3,5 Millionen Menschen in Idlib und an den türkischen Grenzen sind derzeit in Not.“

Syrische Binnenflüchtlinge in einem Camp in Idlib.

© REUTERS/Umit Bektas

Kreise der syrischen Opposition meldeten erst am Donnerstag, dass bei neuerlichen Luftangriffen in der Provinz Idlib mindestens 14 Menschen getötet und etwa 20 verletzt worden seien.

Erdogan wollte mit seinem Besuch in Moskau verhindern, dass angesichts der Kämpfe in Idlib weitere Flüchtlinge in die Türkei kommen - sie hat bereits Millionen Syrer aufgenommen. Am Samstag hatte die Türkei die Grenze in Richtung EU geöffnet. Daraufhin hatten sich Tausende Migranten auf den Weg zur türkisch-griechischen Grenze gemacht. Beobachter gehen davon aus, dass Erdogan die EU damit unter Druck setzen wollte, um der Türkei Beistand zu leisten und mehr finanzielle Hilfe zu bekommen.

Erdogan: „Ich weiß, dass die Welt gerade zuschaut“

Das Treffen zwischen Erdogan und Putin war angesichts der dramatischen Lage der Flüchtlinge in Idlib und der Gemengelage an der EU-Grenze mit Spannung erwartet worden. „Ich weiß, dass die Welt gerade zuschaut“, sagte Erdogan zum Auftakt. Er verwies auch auf die guten Beziehungen zwischen Russland und der Türkei. Sie seien „auf dem Höhepunkt“. Putin und Erdogan hatten in den vergangenen Wochen mehrfach über Idlib gesprochen. Trotzdem spitzte sich die Lage zu.

Nach dem Tod von mindestens 34 türkischen Soldaten bei einem syrischen Luftangriff in der vergangenen Woche hatte die Türkei eine Militäroffensive gegen das syrische Militär in der Region begonnen. Putin äußerte sein Bedauern über den Tod der Soldaten und nahm die syrische Armee in Schutz, die das nicht gewollt habe.

Der russische Präsident erörterte vor dem Treffen mit Erdogan nach Kremlangaben mit EU-Ratspräsident Charles Michel die schwierige humanitäre Situation in Idlib. Dabei verurteilte Putin das aggressive Vorgehen der Rebellen. Russland gibt ihnen die Schuld an der dramatischen Flüchtlingssituation.

Deutschland bietet den Vereinten Nationen 100 Millionen für Idlib an

Der deutsche Außenminister Heiko Maas pochte auf eine schnelle Lösung: „Was wir jetzt brauchen, ist eine sofortige Waffenruhe und die Sicherung der Versorgung der Millionen Binnenflüchtlinge. Russland muss Druck auf das Assad-Regime ausüben, damit die Angriffe auf Krankenhäuser und Schulen endlich aufhören“, sagte der SPD-Politiker vor einem EU-Außenministertreffen in Zagreb.

Russland müsse außerdem seinen Einfluss auf den syrischen Machthaber Baschar al-Assad für die Einrichtung einer geschützten Zone im Norden Syriens nutzen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe darauf hingewiesen, dass es jetzt darum gehe, den Menschen im syrischen Idlib zu helfen. „Dafür brauchen wir einen Raum mit Sicherheitsgarantien. Diese Sicherheitsgarantien muss Russland geben und muss seinen Einfluss gegenüber dem Assad-Regime nutzen“, sagte der SPD-Politiker.

Kurz zuvor hatte er mitgeteilt, dass Deutschland den Vereinten Nationen 100 Millionen Euro zusätzlich für die Unterbringung und Versorgung notleidender Menschen in der Provinz Idlib anbiete. (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false