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Donald Trump, Präsident der USA, schaut während einer Pressekonferenz im Weißen Haus zur Seite.

© Andrew Harnik/AP/dpa

Ein Horrorszenario: Trumps Team bereitet sich auf Wahlabend ohne Ergebnis vor

Nach der US-Wahl könnte nicht sofort ein Gewinner feststehen – das könnte zu einem Streit über die Rechtsmäßigkeit der Wahl und ihres Gewinners führen.

Die Zweifel schürt Donald Trump schon eine ganze Weile. Der US-Präsident behauptet seit Wochen, bei der Wahl am 3. November, bei der er sich eine zweite Amtszeit sichern will, könnte es nicht mit rechten Dingen zugehen.

Dass diese Einschätzung vor allem darauf fußt, dass er nach den derzeitigen Umfragen im Rennen mit seinem designierten Herausforderer Joe Biden zurückliegt – was nach Trumps Überzeugung gar nicht sein kann –, ist eine mögliche Erklärung. Die andere ist das Chaos, das in und vor allem nach der Wahlnacht ausbrechen könnte. Denn: Eine amerikanische Präsidentschaftswahl mitten in einer weltweiten Pandemie ist ein Horrorszenario für viele Strategen.

Was passiert, wenn es in der Wahlnacht kein Ergebnis gibt, weil viele Wähler aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus ihre Stimme mit der Post eingeschickt haben, die aber von den Unmengen an Briefen überfordert ist? Wenn erst Tage oder gar Wochen nach dem Wahltag ein Sieger feststeht, der womöglich ein anderer ist, als es erste Trends aus der Wahlnacht nahelegten?

Donald Trump weckt Zweifel am möglichen Wahlausgang

Dann wird aller Voraussicht nach ein Streit über die Rechtmäßigkeit der Wahl und ihres Gewinners ausbrechen, der das ohnehin gespaltene Land vor eine Zerreißprobe stellen könnte. Schon jetzt spricht Trump von einem „Staatsstreich“ und „Betrug“ und von „korrupten“ Demokraten, die die Wahl „stehlen“ könnten. Kurzzeitig hatte er sogar eine Verschiebung der Wahl ins Spiel gebracht, wozu er gar nicht berechtigt wäre. Dass Verschwörungstheorien auch in den USA weit verbreitet sind, hat sich gerade erst in der Coronakrise gezeigt.

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Eine Wahlnacht ohne Gewinner hat es in den USA das letzte Mal vor 20 Jahren gegeben. Als sich in dem besonders umkämpften Swing State Florida auch Wochen nach dem Wahltag am 7. November trotz Neuauszählungen kein klares Bild herauskristallisierte, musste am Ende der Supreme Court entscheiden, wer diesen Bundesstaat gewonnen hatte und damit der nächste amerikanische Präsident werden sollte.

Bis heute sind viele Demokraten überzeugt, dass dies nicht der Republikaner George W. Bush, sondern ihr Kandidat Al Gore war. Dass nur 537 Stimmen den Ausschlag gaben, machte die Sache nicht einfacher.

Wie wird gewählt, wie ausgezählt, wie gewertet?

Wie in Florida 2000 könnte es in diesem Jahr gleich in mehreren Swing States aussehen, in denen die Umfragen knappe Ergebnisse voraussagen. Die „New York Times“ berichtet bereits davon, wie beide Seiten ihre Anwälte in Stellung bringen, um sich auf die erwartbaren Rechtsstreitigkeiten vorzubereiten. Die Hauptstreitpunkte sind dabei die Fragen, wie gewählt, wie ausgezählt und wie gewertet wird.

Trump-Anhänger demonstrieren in Las Vegas/Nevada gegen ein neues Gesetz, das es ermöglicht, Briefwahlunterlagen an alle Wähler zu versenden.
Trump-Anhänger demonstrieren in Las Vegas/Nevada gegen ein neues Gesetz, das es ermöglicht, Briefwahlunterlagen an alle Wähler zu versenden.

© imago images/MediaPunch

Problem Nummer eins ist die Post. Trump hat den Chef des United States Postal Service ausgetauscht, der neue, Louis DeJoy, ist einer seiner Großspender im Wahlkampf. Kritiker werfen ihm vor, durch Sparmaßnahmen die ohnehin darbende Institution weiter zu schwächen, sodass sich schon jetzt die Zustellung von Briefen verzögert. Wie die zu erwartende Briefwahlflut rechtzeitig bewältigt werden soll – schon in den Vorwahlen hat sich gezeigt, wie viele Wähler darauf zurückgreifen und welche Probleme daraus entstehen können –, ist tatsächlich eine offene Frage.

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Eine Folge könnten verspätet eintreffende Wahlzettel sein, um deren Zulässigkeit dann trefflich gerungen werden kann. In New York, wo die Vorwahlen bereits am 23. Juni abgehalten wurden, standen die Gewinner in zwei Kongressbezirken erst nach sechs Wochen fest – hier hatten zehn Mal mehr Wähler ihre Stimmen vorab abgegeben. Trump behauptet immer wieder, die Demokraten sprächen sich nur deshalb für eine Ausweitung der Briefwahl aus, um das Ergebnis zu manipulieren. Das führt zum zweiten Problem, der Frage der Wahlbeteiligung.

Briefwahl ohne besonderen Grund geht in 34 von 50 Bundesstaaten

Bisher können Wähler in 34 von 50 Bundesstaaten ohne besonderen Grund per Briefwahl abstimmen. Allerdings müssen sie sich in einigen Staaten vorher registrieren und manchmal auch ihren Antrag begründen – die Angst vor der Pandemie reicht dafür häufig nicht aus, was viele ältere, durch das Virus besonders gefährdete Wähler davon abhalten könnte, ihre Stimme abzugeben. Genauso wie Afroamerikaner oder Hispanics, die ebenfalls von Corona besonders hart betroffen sind – und eher den Demokraten zuneigen.

Durchsichtig wirken da Äußerungen von Trump, der zu den Forderungen der Demokraten nach einer höheren Wahlbeteiligung erklärte, dass dann in den USA nie wieder ein Republikaner gewählt würde. In der Tat ist es so, dass die eher mobilen Wähler in den Städten häufig per Briefwahl abstimmen – und das sind mehrheitlich Demokraten.

Die Bundesstaaten sind für die Durchführung der Wahl zuständig, nicht Washington. Aber Trump will eine Ausweitung der Briefwahl verhindern. Sein Team will daher den Bundesstaat Nevada verklagen, der vorab Stimmzettel an alle Wähler verschicken will. In Nevada wechseln die Mehrheiten seit 1992 regelmäßig, 2016 stimmt der Staat für Trumps Gegenkandidatin Hillary Clinton. Gouverneur ist derzeit der Demokrat Steve Sisolak.

Eine nationale Wahl – mitten in einer Pandemie

Trumps Begründung für die Klage ist abenteuerlich: „In einem illegalen nächtlichen Putsch“ habe es Nevadas Gouverneur „für Republikaner unmöglich gemacht, den Staat zu gewinnen“, twitterte er vor ein paar Tagen. Die Post sei ohne entsprechende Vorbereitung niemals in der Lage, mit der Briefwahlflut umzugehen. „Covid als Vorwand, um den Staat zu stehlen. Wir sehen uns vor Gericht!“

Dass der US-Präsident die Angst vor Corona als „Vorwand“ bezeichnet, empört viele angesichts von mehr als fünf Millionen Infizierten und mehr als 162.000 Toten im Land. Auch für seine Behauptung, dass die Stimmabgabe per Post betrugsanfällig ist, gibt es keine Belege. Fünf Bundesstaaten (Oregon, Washington, Colorado, Utah und Arizona) setzen jetzt schon weitgehend auf die Briefwahl und melden keine Auffälligkeiten.

Das hält Trump nicht ab, schon jetzt Zweifel an dem möglichen Wahlausgang zu wecken. Beobachter trauen es seinem Justizminister William Barr – anders als 2000, als sich die Behörde aus den Rechtsstreitigkeiten weitgehend heraushielt – auch zu, dass er sich zugunsten des Präsidenten einmischt, wenn es so aussieht, als ob dieser verlieren könnte. Und manche Demokraten fürchten bereits die Reaktion von Trump auf eine für ihn negative Entscheidung des Obersten Gerichtshofs.

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