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Amy Coney Barrett ist gegen Abtreibung - und gegen die Todesstrafe

© Erin Scott / Reuters

Trumps Kandidatin für den Supreme Court: Amy Coney Barrett ist eine Frau, die fordert

Eine Konservative und Erzreligiöse soll an das höchste US-Gericht, der Alptraum des liberalen Amerika. Im Prinzip ist wenig dagegen einzuwenden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Man kann Donald Trump für vieles kritisieren, weniger jedoch dafür, dass er eine Richterstelle am Supreme Court, dem obersten Bundes- und zugleich Verfassungsgericht, zügig nachbesetzen möchte. Der Präsident nominiert, der Senat stimmt zu, so will es die Verfassung. Den Demokraten in den USA fehlen gute Argumente, um die konservative Amy Coney Barrett auf ihrem Weg in die Nachfolge der verstorbenen liberalen Richterin Ruth Bader Ginsburg zu stoppen. Der Verweis auf ähnliches Verhalten der Republikaner, als diese Barack Obama einen Kandidaten verweigerten, zieht nicht. Damals war der Senat – wie heute – republikanisch dominiert. Und der hat nun mal das Recht, mit seiner Mehrheit ja oder nein zu sagen.

Richterin Barrett, gerade mal 48 Jahre jung und dann lebenslang im Amt, wäre gleichwohl ein Alptraum für das liberale Amerika. Erzkatholisch, Abtreibungsgegnerin, sieben Kinder. Ein Alptraum – oder eine Herausforderung – dürfte sie auch für den modernen Feminismus sein, weil ihre Verbindung von Familienkarriere und Spitzenjobs Fragen aufwirft, welche patriarchalen Hürden ehrgeizige Frauen noch zu überwinden haben. Bemerkenswert ist auch Barretts Ablehnung der Todesstrafe, die sie religiös begründet. So würde sie sich als Richterin für befangen erklären, wenn sie darüber zu urteilen hätte. Statt dies als konsequent zu würdigen, wird ihr vorgehalten, Glaube und Recht zu mischen. Was sie macht, sie macht es offenbar verkehrt.

Auch Ruth Bader Ginsburg hatte Kritik am Abtreibungsurteil

Die größte Befürchtung ist, mit Barrett und der dann gefestigten konservativen Mehrheit im Gericht könne die Leitentscheidung zum Abtreibungsrecht zurückgedreht werden. Das Urteil „Roe vs. Wade“ hatte 1973 den Schwangerschaftsabbruch unter den Schutz des Selbstbestimmungsrechts gestellt. „Reversing Roe“ gilt als Grundanliegen konservativer US-Juristen. Mehrere Bundesstaaten haben restriktive Abtreibungsgesetze verabschiedet und wollen „Roe“ korrigieren lassen.

Doch sogar die liberale Ikone Ginsburg hatte Zweifel an dem Urteil. Es griff ihr zu weit vor und ging über zu vieles hinweg. Es spaltet bis heute. Eine Kritik, die bedenkenswert erscheint angesichts der Tatsache, dass auch das deutsche Verfassungsgericht weit davon entfernt wäre, ein Grundrecht auf Abtreibung anzuerkennen, das strafrechtliche Verbote pauschal ausschließt. „Reversing Roe“ muss deshalb nicht bedeuten, dass Abtreibung verboten wird. Es gibt in Politik und Verfassungsrecht mehrere Wege zum Ziel. Nicht der kürzeste ist immer der beste, sondern der, den möglichst alle mitgehen können. Ruth Bader Ginsburg wusste das. Kann sein, dass Amy Coney Barrett es auch weiß.

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