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Boris Johnson und Jair Bolsonaro.

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Trumps Brüder im Geiste: Was die Corona-Infektionen bei Bolsonaro und Johnson bewirkt haben

Der britische Premier und Brasiliens Präsident sind rechte Populisten wie Trump. Beide waren - wie jetzt auch der US-Präsident - an Covid-19 erkrankt.

Der britische Premier Boris Johnson und Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro sind rechte Populisten wie Trump und stimmen in Verhalten und auch in politische Ansichten mit dem US-Präsidenten überein. Eines allerdings haben sie Trump sogar voraus: Johnson und Bolsonaro haben ihre Corona-Erkrankungen bereits überstanden. Und trotzdem bagatellisieren sie die Pandemie – jeder auf seine Art.

„Ich habe immer gesagt, nichts muss geschlossen werden, niemand muss zu Hause bleiben“, sagt Jair Bolsonaro.
„Ich habe immer gesagt, nichts muss geschlossen werden, niemand muss zu Hause bleiben“, sagt Jair Bolsonaro.

© Silvia Izquierdo/AP/dpa

Bolsonaro schwört auf Hydroxychloroquin

Vor wenigen Tagen weihte Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro den Bau eines Wasserversorgungssystems im trockenen Nordosten des Landes ein. Dabei kam er auf eins seiner Lieblingsthemen zu sprechen: Hydroxychloroquin. Das Malaria-Mittel ist für Bolsonaro zur ultimativen Antwort auf Covid-19 geworden.

„Gott war so gnädig, dass er uns Hydroxychloroquin geschenkt hat, um denen zu helfen, die krank sind“, rief er der jubelnden Menge zu, die sofort einen Sprechchor anstimmte: „Mito, Mito!“ Es heißt Mythos und ist der Name, den Bolsonaro-Fans gerne für ihr Idol verwenden.

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Bolsonaro schwört auf Hydroxychloroquin, weil er das Mittel selbst einnahm, nachdem er Anfang Juli positiv auf Covid-19 getestet worden war. Auch seine Frau Michelle, seine Söhne sowie zahlreiche seiner Minister infizierten sich im Lauf der vergangenen Monate. Bei keinem nahm die Krankheit einen schweren Verlauf.

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Auch bei Bolsonaro nicht, der sich während seiner Isolation dabei filmte, wie er Hydroxychloroquin schluckte und der Bevölkerung empfahl, es ihm gleichzutun. Wie ein Arzt empfahl er eine Kombination mit dem Antibiotikum Azithromycin sowie dem Mineral Zink und Vitamin D. Er wies das Militär an, Millionen von Hydroxychloroquin-Pillen herzustellen und ließ die Steuern auf alle vier Mittel aufheben.

Als Bolsonaro dann nach wenigen Wochen genesen war, begab er sich wie schon vor seiner Corona-Infektion schnurstracks wieder in Menschenmengen – meistens ohne Mundschutz und ohne Abstand zu halten. Wissenschaftler reagierten entsetzt auf Bolsonaros Verhalten und seine Hydroxychloroquin-Werbung.

Einer der drei Gesundheitsminister, die Brasilien seit Beginn der Pandemie hatte, nahm seinen Hut, weil Bolsonaro von ihm verlangte, das Medikament anzupreisen. Internationale Wissenschaftsstudien haben dem Mittel keine Wirkung gegen Covid-19 nachgewiesen. Stattdessen kann es zu Herzrhythmusstörungen führen.

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All das ist Bolsonaro egal. Sein großes Idol ist Donald Trump und wie dieser schwört er auf seine Instinkte und Eingebungen. Trump war es auch, der Hydroxychloroquin als Wundermittel gegen Covid-19 anpries, bevor Bolsonaro es „entdeckte“.

Genauso wie Trump steht Bolsonaro auch der Wissenschaft und den Universitäten feindselig gegenüber, stattdessen ist er aufgeschlossen für Verschwörungstheorien – etwa, dass Covid-19 von seinen Gegnern gebraucht werde, um Brasilien zu schaden. Brasiliens Außenminister Ernesto Araújo sieht hinter Covid-19 sogar einen „kommunistischen Plan“ um über internationale Organe wie die Weltgesundheitsorganisation den „Globalismus“ einzuführen – ein Vehikel des Kommunismus

Hinter Bolsonaros Weigerung, das neue Coronavirus trotz der eigenen Erkrankung als ernsthafte Gefahr anzuerkennen, steckt auch seine Überzeugung, dass man die Pandemie ohne Quarantäne und Schließung der Wirtschaft in den Griff bekommen hätte. Einzig Risikogruppen hätten sich isolieren sollen, so seine Argumentation. Sie richtet sich gegen die teils drastischen Einschränkungen, die Brasiliens Gouverneure und Bürgermeister erließen.

Bolsonaro: „Niemand muss zu Hause bleiben“

„Ich habe immer gesagt, nichts muss geschlossen werden, niemand muss zu Hause bleiben“, sagte Bolsonaro in dieser Woche. Covid-19 sei nicht mehr als ein „Grippchen“. Erneut zeigt sich die Unfähigkeit Bolsonaros, trotz eigener Erkrankung so etwas wie Empathie zu empfinden. In Bolsonaros Welt dreht sich alles um Bolsonaro. Auch diesen Narzissmus hat er mit Trump gemein.

Diese seit Beginn der Pandemie andauernden Querschüsse Bolsonaros haben nun zur Aufweichung der Regeln und ihrer Missachtung durch seine Anhänger geführt, etwa die Maskenpflicht an öffentlichen Orten.

Auch deswegen befindet sich Brasilien derzeit in einer seltsamen Zwischenphase. Obwohl das Land fast 150.000 Covid-19-Tote verzeichnet und täglich zwischen 500 und 1000 Menschen sterben, kehrt man wieder zur Normalität zurück. Es scheint fast so, als ob man Krankheit als ein weiteres hinnehmbares Risiko für das Leben akzeptiert.

Der britische Premier Boris Johnson sorgt mit fahrigen Parlamentsauftritten für Zweifel.
Der britische Premier Boris Johnson sorgt mit fahrigen Parlamentsauftritten für Zweifel.

© Jack Hill/dpa

Boris Johnson, der gezeichnete Regierungschef

Als anderswo längst Abstand gepredigt wurde und Italien bereits regionale Corona-Lockdowns verhängte, schüttelte der britische Premierminister Boris Johnson Anfang März noch demonstrativ Krankenhaus-Patienten die Hände.

Telefonisch klärte er die deutsche Kanzlerin Angela Merkel über die „wissenschaftsbasierte“ Vorgehensweise seines Landesgegen Sars-CoV-2 auf – Regierungswissenschaftler sprachen von „Herden-Immunität“. Die Quittung folgte auf dem Fuß.

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Gegen Monatsende hatten sich außer Johnson selbst auch dessen engster Berater, der Gesundheitsminister, dessen ärztlicher Chefberater sowie der höchste Beamte des Landes angesteckt – Zeichen der ans Kriminelle grenzenden Fahrlässigkeit, mit der die Elite des Landes der Pandemie begegnete.

Anfang April wurde Johnson ins Spital, tags darauf sogar auf die Intensivstation gebracht. Kurzzeitig hielt das Land den Atem an. Am Ostersonntag, kurz nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus, nahm der sichtlich gezeichnete Politiker eine kurze Videobotschaft auf. Da sei er dem Todgerade nochmal von der Schippe gesprungen, „kein Zweifel“, sagte Johnson.

Die Auftritte des Premiers nähren Zweifel an seiner Genesung

In Wirklichkeit bestand Intensivmedizinern zufolge zu keinem Zeitpunkt Lebensgefahr für den Patienten, der nicht intubiert werden musste. Seither haben die seltenen Parlamentsauftritte des 56-Jährigen häufig Zweifel an seiner vollständigen Genesung genährt.

Johnson wirkt oft fahrig und unkonzentriert. Öffentlich verheddert er sich in den Details der vielfältigen, verwirrenden Einschränkungen, denen derzeit schon wiedermehr als 13 Millionen Briten unterliegen. Dem Gesundheitsministerium zufolge waren bis Ende der Woche 42.202 Menschen an Covid-19 gestorben, seriöse Schätzungen sprechen von 65.000 Toten.

In Europa stehen auf die Bevölkerungszahl bezogen nur Belgien und Spanien schlechter da. Opposition und viele Wissenschaftler beklagen den Schlingerkurs der Regierung, die Nachverfolgung von Kontaktinfizierten gelingt dem ausgebluteten Gesundheitssystem nur annähernd. Zunehmend muss sich Johnson wegen seiner erratischen Politik auch innerparteiliche Kritik gefallen lassen.

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