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Im Bundestag entdeckt sich die FDP wieder als liberale Kraft, wie hier ihr Vorsitzender Christian Lindner am Rednerpult.

© imago images/Bernd Elmenthaler

Treffen von Kanzlerin und Länderchefs haben sich überlebt: Jetzt ist die Chance fürs Parlament

Was die Runden mit der Kanzlerin lehren? Mitreden und mittun. FDP und Grüne zeigen, wie es geht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Politik ist Bewegung, manchmal jedenfalls. Das gilt auch für Pandemiezeiten. Es ist ja nicht so, als würde nicht regiert. Das Parlament entdeckt gleichsam auf den letzten Metern dieser Legislaturperiode mehr und mehr, dass es doch einiges mitreden kann, wenn es will.

Und verdient macht sich da gerade eine Partei, mit der man das Thema in dieser Entschiedenheit schon lange nicht mehr verbunden hatte: die FDP. Sie entdeckt sich darüber wieder als liberale Kraft, und dazu zählt der Einsatz für Bürgerrechte, für die Verfassung, alles das, was dem Einzelnen in der Gesellschaft Mitsprache sichert.

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Eine „heilige Pflicht“ nannte das Guido Westerwelle als Vorsitzender der FDP. Das jetzt zu seinem Vermächtnis zu machen, ist durchaus aller Ehren wert. Insofern ist es zweifach gut, dass Otto Fricke, der Bundestagsabgeordnete, das Parlament in jedem Fall zum Ort der Entscheidung machen will, schon gar darüber, ob der Bund in Krisenfällen mehr Befugnisse erhält.

Zumal das Gremium, das gerade immer entscheidet – Kanzlerin plus Ministerpräsidenten – in der Verfassung gar nicht vorgesehen ist und sich außerdem erkennbar überlebt hat.

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Die bisher letzte Runde, die bis in die Nacht hinein dauerte, zeigt es doch. Da wurde etwas beschlossen, wofür die Kanzlerin nachher um Verzeihung bat. Die Vorarbeit war nicht gut genug; die Regierungchefs sollten in der Nacht selbst eine rechtliche Prüfung vornehmen, was sie nicht konnten und wofür sie dann einen Staatssekretär aus dem Bett klingelten. Politik ist eben auch Handwerk – und das spricht fürs Parlament.

Noch dazu gibt es die Möglichkeit von Rede und Gegenrede vor einer Entscheidung der Volksvertreter, die nicht ohne Grund so heißen. Kurz: Der Bundestag kann gut und schnell entscheiden, man muss ihn nur lassen. In der großen Finanzkrise hat das auch geklappt.

Spitzenkandidat kann nur einer werden, in den Bundestag kommen wohl beide: Annalena Baerbock und Robert Habeck von den Grünen.
Spitzenkandidat kann nur einer werden, in den Bundestag kommen wohl beide: Annalena Baerbock und Robert Habeck von den Grünen.

© imago images/Sven Simon

Deshalb ist es nicht profan, sich in den Bundestag wählen zu lassen. Wer Kanzler:in werden will, tut gut daran, vom (Wahl-)Volk abgeordnet zu werden. Nach der Verfassung kann zwar auch ein Ministerpräsident zum Kanzler gewählt werden; bei Kurt Georg Kiesinger war das der Fall. Er kam aus Baden-Württemberg und wurde für die Union Chef der ersten, der „Großen Koalition“.

Das könnten also auch Markus Söder (Bayern) und Armin Laschet (NRW) versuchen. Richtiger wäre, sich für einen Wahlkreis aufstellen zu lassen, wie es Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock und Robert Habeck (beide Grüne) tun. Baerbock tritt sogar in einem Wahlkreis mit und damit gegen Scholz an, ein Spitzenduell in jeder Hinsicht. Einerlei, wer dort gewinnt und wer Kanzler wird – das Parlament gewinnt in jedem Fall.

Apropos Kanzler:in. Ob Söder/Laschet/Baerbock/Scholz, ein neuer Finanzminister wird wohl in jedem Fall gebraucht. Und da gibt es einen, der sich schon ordentlich vorbereitet, mit den Haushältern im Bundestag, geradezu wie es sich gehört: Robert Habeck. Ja, Politik ist Bewegung, und manchmal führt sie weg von alten Positionen.

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