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Der bei einem Verkehrsunfall in Berlin-Mitte zerstörte SUV wird auf einen Abschleppwagen gehoben.

© Paul Zinken/dpa

Tragischer Unfall in Berlin-Mitte: Abrüsten im Verkehr sollte die Folge dieses Unglücks sein

Verkehrsgewalt zeigt sich bei jenem tragischen Unfall in Berlin-Mitte, aber auch in Gesten und Machtverhältnissen. Abrüstung täte gut. Ein Kommentar.

Verkehrsunfälle gehören zu unserem Leben. Wir gehen darüber, sofern nicht selbst betroffen, zur Tagesordnung über. Doch manche scheinen wichtiger zu sein und eine Art Zäsur zu setzen, weil besonders viele Menschen sterben, oder weil andere Begleitumstände sie über das normal Tragische hinweg zum Symbol einer ohnehin aufgeheizten Debatte werden lassen.

Der Verkehrsunfall, der am Freitagabend in der Invalidenstraße passiert ist, hat diesen symbolischen Charakter, und zwar unabhängig von den offenen Details. Denn wenn Reizworte wie „Porsche“ und „SUV“ mit der vorläufigen Diagnose stark überhöhter Geschwindigkeit zusammentreffen, dann stecken wir mitten in einer prallen Thematik, die vom Klimaschutz über die Armutssituation bis zu den „Profilierungsfahrten“ und illegalen Autorennen vorwiegend migrantischer junger Männer das ganze Spektrum politisch brisanter Fragen umfasst.

Das alles mag in diesem Einzelfall kaum eine Rolle gespielt haben, es scheint sich um einen „normalen“, kaum abwendbaren Unfall zu handeln. Dennoch ist es verständlich, dass eine für den Sonnabend angekündigte Mahnwache sogleich das Stichwort „Gegen Verkehrsgewalt“ einführte, denn um die geht es hier auch.

Es geht darum, dass der Straßenverkehr in seiner gegenwärtigen Form nicht nur seinen banalen Zweck des Fahrens von A nach B erfüllt, sondern hierzulande in besonderem Maß aufgeladen ist mit Machtspielen, Protzgesten, Kompromissunfähigkeit und Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Autofahrern ebenso wie gegenüber Radlern und Fußgängern. Dass sich diese offensichtliche Verschärfung der Sitten – man nehme nur die zunehmenden Rotlichtverstöße – generell nicht in steigenden Opferzahlen niederschlägt, ist kein gutes Gegenargument, weil dies vor allem an den immer sicherer werdenden Autos liegen dürfte.

SUV machen anderen Verkehrsteilnehmern Angst

Verkehrsgewalt also ist das Thema, wenn man sie auch als strukturelle Gewalt versteht, die sich nicht allein in manifesten Taten zeigt, sondern in Gesten, Markenhierarchien, ja Machtverhältnissen. Sinnfrei röhrende Auspuffanlagen, hektische Autobahnjagden und aggressiv hochgereckte Mittelfinger sind ihre Zeichen. Kaum jemand, der sich – wie immer mehr Deutsche – einen dicken SUV zulegt, weil man darin ja so sicher ist und einen so guten Überblick hat, verschwendet auch nur einen Gedanken daran, dass diese im Stadtverkehr vollkommen sinnlosen Fahrzeuge anderen Verkehrsteilnehmern Angst machen. Wegen ihrer irren kinetischen Energie und ihrer Leckmich-Attitüde.

Oder, womöglich schlimmer: Sie sollen das sogar, sie sollen den überlegenen Status ihres Halters über das gemeine Verkehrsvolk in den verbeulten Polos und Twingos zeigen; die Jungmänner der Sonnenallee posen mit solchen Autos sicher auch nicht nur wegen deren hervorragender Geländeeigenschaften. Ja, auch in einem panzerartigen SUV mit schwarzem Mattlack und getönten Scheiben können ein vorbildlich defensiver Fahrer sowie ein leidlich sparsamer Hybridmotor stecken – aber draußen kommt oft etwas ganz anderes an.

Sehr wahrscheinlich hätte es in Mitte auch Tote gegeben, wenn dort ein Renault oder Tesla derart unkontrolliert durch die Gegend geflogen wäre. Aber so war es nun einmal nicht. Verstärktes Nachdenken über die Dringlichkeit einer Abrüstung im Verkehr sollte die zwingende Folge dieses Unglücks in Berlin-Mitte sein.

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