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Thomas de Maiziere (CDU)

© Gregor Fischer / dpa

Thomas de Maizière verabschiedet sich aus dem Bundestag: Ein Diener der Sachlichkeit

Unauffällig am Abend verabschiedet sich einer der prägenden Politiker der Nach-Wendezeit. Thomas de Maizière wirbt für den Wert der Volksparteien.

Von Robert Birnbaum

„Wir brauchen starke Volksparteien“, sagt Thomas de Maizière, „und zwar mehrere.“

Bei CDU und CSU regt sich Applaus, bei der SPD aber auch. Es ist Donnerstagabend im Reichstag, Tagesordnungspunkt 20, nichts Weltbewegendes. Sonderbar nur, dass hinten auf den Stehplätzen ein solches Gedränge herrscht, dass die Sitzungsleiterin Petra Pau an die Abstandsregeln erinnern muss.

Die Zaungäste wollen die letzte Rede des Abgeordneten de Maizière hören. Sie werden nicht enttäuscht. Nach einem Leben in der Politik und über einem Jahrzehnt im Bundestag tritt der 67-Jährige nicht mehr an.

Fürs Bilanzziehen ist das zu früh, aber für ein paar grundsätzliche Bemerkungen nicht zu spät. Das Grundsätzliche hat ihn ja immer beschäftigt, selbst in der Zeit, in der er als Angela Merkels Kanzleramtschef Tag und Nacht bis über die Ohren im Regierungsalltag steckte.

Er hat Merkel früh den Weg gebahnt

Die zwei waren da schon lange eine Schicksalsgemeinschaft. „Meine Bundeskanzlerin“ nennt de Maizière in seinen Dankesworten allen voran die Frau, die er als Vizesprecherin der letzten DDR-Regierung unter seinem Cousin Lothar kennengelernt hatte. De Maizière gab Helmut Kohl später den Tipp, sie als Familienministerin ins erste Kabinett der Einheit zu holen. Die Folgen wirken bekanntlich bis heute nach.

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Seine Abschiedsrede hält aber nicht der dreifache Minister, sondern der dreimalige Abgeordnete seines Wahlkreises im sächsischen Meißen.

De Maizière hat dort am eigenen Beispiel erlebt, wie seine CDU unter Druck geraten ist. 2017 konnte er den Wahlkreis nur knapp gegen einen AfD-Herausforderer halten.

Das bildet eine der Kulissen, vor denen er sein Plädoyer für die Volksparteien hält, ein „gefährdeter, aber kostbarer Schatz unserer Demokratie.“

Volkspartei versus Stimmungsdemokratie

Volkspartei, das ist aus seiner Sicht keine Frage der Wählerprozente, sondern der Haltung und der Breite an Themen und Perspektiven. Orientierung am Gemeinwohl, Kompromissfähigkeit, Ausgleich sind seine Stichworte. „Es klingt altmodisch und nicht spektakulär“, sagt de Maizière. Mühsam sei’s auch, und hinterher niemand ganz zufrieden. Aber nur so entstehe Zusammenhalt und lange Linie, „auch mal gegen kurzfristige Stimmungen“.

Stimmungen – davon hat der Sohn eines Generalinspekteurs aus preußischer Hugenottenfamilie noch nie viel gehalten. Darum ist ihm auch alles suspekt, was als Bewegung den Anspruch erhebt, moderner zu sein als die Institutionen. „Ich finde das nicht“, sagt er.

Bewegungen könnten Themen aufrufen und Menschen mobilisieren. Aber Staat sei mit ihnen nicht zu machen: Zu einseitig, nicht nachhaltig, viele auch zu hochfahrend. „Ich höre oft eine Überheblichkeit gegenüber denjenigen heraus, die in den Mühen der Ebene an Kompromissen und nicht nur an ideellen Wunschbildern für die Menschen ackern“, sagt de Maizière.

Als er fertig ist, geht er zurück in die zweite Reihe, dankt mit einem Nicken für den Beifall und mit einer knappen Verbeugung für die Worte, mit denen ihn Vizepräsidentin Claudia Roth verabschiedet. Er sei, sagt die Grüne, ein Vertreter einer Kultur im streitbaren Umgang miteinander.

Die Betonung liegt auf „streitbar“, „Kultur“ und „miteinander“ zugleich. Er selbst hat dafür noch zuletzt das schönste Beispiel geliefert.

Der Tagesordnungspunkt 20 betrifft nämlich die Forderung der FDP, das Vermögensteuergesetz abzuschaffen. Das scheidende Mitglied des Finanzausschusses gibt kurz und trocken Nachhilfeunterricht. Auf den ersten Blick sympathisch, aber ob den Kollegen eigentlich klar sei, dass sie damit den Ländern freie Hand zu eigenen Regelungen geben würden? Was ausgerechnet die FDP ja wohl am wenigstens wollen könne?

„Schaufensteranträge“ seien das, sonst nichts. Und wenn dem Politiker, Abgeordneten und Menschen de Maizière etwas so richtig gegen den Strich geht, dann sind das Vertreter von Institutionen, die mit diesen Institutionen bloß unernst herumspielen. Wenn sie das aber obendrein im „Hohen Haus der Demokratie“ tun, das er jetzt verlässt - dann erst recht.

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