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Die britische Regierungschefin Theresa May am Sonntag in Birmingham.

© REUTERS

Tory-Parteitag zum Brexit: Theresa May ist von allen Seiten umzingelt

Beim Tory-Parteitag bahnt sich ein Machtkampf zwischen Theresa May und ihren Kritikern an – ein schlechtes Omen für die Brexit-Verhandlungen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Vom früheren britischen Premierminister Harold Wilson stammt der Spruch, dass der Zeitraum einer Woche in der Politik verdammt lang werden kann. Selten war das Bonmot so zutreffend wie im gegenwärtigen Großbritannien. Britische Politiker machen immer neue Vorschläge zum Brexit, so dass der Überblick allmählich schwierig wird. Gleichzeitig herrscht in den Brexit-Verhandlungen in Brüssel rasender Stillstand. In dieser Situation ist Theresa May am Sonntag in den Parteitag der regierenden Konservativen gestartet.

Die Problem der britischen Regierungschefin liegt vor allem darin, dass ihr eigener Plan für den Brexit kaum Aussicht auf Erfolg hat. Im Landsitz der Regierung in Chequers ersann May vor drei Monaten einen Vorschlag, an dem seither kaum jemand ein gutes Haar gelassen hat. Sowohl die britische Opposition als auch die EU haben den Plan zerrupft. Selbst in der Londoner Regierungszentrale machen sich Zweifel an dem Vorschlag breit. Das wesentliche Manko des Plans besteht darin, dass Großbritannien vom EU-Binnenmarkt nach eigenem Gusto profitieren will. Die EU lehnt dies zu Recht als „Rosinenpickerei“ ab.

Mays Rede zum Abschluss des Parteitags am Mittwoch

Wenn May am kommenden Mittwoch ihre entscheidende Rede zum Abschluss des Parteitags hält, wird ihr Augenmerk aber weniger der EU gelten, sondern ihren innerparteilichen Gegnern – allen voran dem früheren Außenminister Boris Johnson und dem erzkonservative Hinterbänkler Jacob Rees-Mogg. Beide vertreten den Flügel der Brexit-Hardliner in der Partei. Für die Zeit nach Theresa May, wann auch immer das ist, bringen sie sich derzeit in Stellung.

Dies gilt auch für Jeremy Corbyn, den altlinken Vorsitzenden der oppositionellen Labour-Partei. Deren Parteitag hat in der der vergangenen Woche gezeigt, dass Corbyn zur Machtübernahme in der Downing Street bereit ist. Corbyn möchte möglichst rasch in den Wahlkampf ziehen. Dabei will er einen Wahlkampf inszenieren, der an alte Arbeiterschlachten gegen Ausbeutung und Unterdrückung erinnert. Die Begeisterung, die Corbyn auf der Insel bei seinen Jüngern auslöst, spricht aus der Sicht des Oppositionschefs tatsächlich für baldige Neuwahlen. Die Auseinandersetzung um den Brexit dient ihm lediglich als ein Vehikel.

Brexit-Abstimmung im Unterhaus könnte scheitern

May ist also von allen Seiten umzingelt. Auf der einen Seite stehen die Brexit-Hardliner, die einen möglichst harten Bruch mit der EU und einen Freihandelsvertrag nach dem Modell der Brüsseler Vereinbarung mit Kanada ansteuern. Auf der anderen Seite schwebt Corbyn für das künftige Verhältnis mit der EU ein Modell vor, bei dem Großbritannien künftig weiter in der EU-Zollunion bleibt. Beide Positionen schließen sich aus. Und beide Seiten drohen an, den Brexit-Verhandlungen in der entscheidenden Unterhaus-Abstimmung am Ende des Jahres ein jähes Ende zu bereiten. Und bei einer Ablehnung im Parlament würde endgültig Alarmstufe Rot gelten: Ein ungeordneter Brexit, mit schlimmen Folgen für Bürger und Lieferketten, würde noch ein Stück näherrücken.

In sechs Monaten, am 29. März 2019, steht der EU-Austritt Großbritannien bevor. Bis zum nächsten EU-Gipfel, bei dem die verbleibenden 27 EU-Staaten einen vernünftigen Verhandlungsvorschlag von Theresa May erwarten, bleiben noch drei Wochen. May wird nach dem Parteitag von Birmingham Farbe bekennen müssen. Sie muss erklären, was sie will: Eine engere Anbindung an die EU in der Zollunion oder einen loseren Freihandelsvertrag. Es wäre vernünftig, wenn Mays Widersacher ihre Machtambitionen in den kommenden Wochen zurückstellen würden. Sie sollten ihr in den Verhandlungen so viel Beinfreiheit lassen, dass sie einen tragfähigen Deal mit Brüssel zu Stande bringt.

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