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Der Flughafen Minsk.

© imago images/ITAR-TASS

Wegen Flüchtlingskrise: Syrische Fluggesellschaft stoppt Flüge nach Minsk

Die private syrische Fluggesellschaft Cham Wings stellt ihre Flüge ein. Die Verbindung nach Minsk werde ab sofort eingestellt.

Die private syrische Fluggesellschaft Cham Wings stellt ihre Flüge nach Belarus wegen der aktuellen Flüchtlingskrise ein. Die Verbindung nach Minsk werde ab sofort eingestellt, weil die Airline bei den Passagieren "nicht zwischen Reisenden und Migranten unterscheiden" könne, erklärte die Fluggesellschaft am Samstag.

Die EU beschuldigt den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko, als Vergeltung für EU-Sanktionen Menschen aus Ländern wie Syrien und dem Irak gezielt ins Land zu locken und dann an die Grenzen der EU-Staaten Lettland, Litauen und Polen zu schleusen.

Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko schütteln sich im September in Moskau die Hände.
Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko schütteln sich im September in Moskau die Hände.

© Shamil Zhumatov/REUTERS

"Wegen der schwierigen Lage an der Grenze zwischen Belarus und Polen und weil die meisten der Reisenden auf unseren Flügen nach Minsk syrische Staatsbürger sind, haben wir entschieden unsere Flüge nach Minsk einzustellen", erklärte Cham Wings. Tausende Menschen vor allem aus dem Nahen Osten sitzen derzeit bei Temperaturen um den Gefrierpunkt im Grenzgebiet zwischen Belarus und Polen fest.

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Am Freitag hatte bereits die türkische Regierung für Menschen aus Syrien, dem Irak und dem Jemen die Weiterreise nach Belarus verboten. Die Fluggesellschaft Turkish Airlines bietet eine der am häufigsten genutzten internationalen Verbindungen nach Minsk an.

Russlands Präsident Wladimir Putin hofft auf einen direkten Dialog zwischen Deutschland und dem autoritär geführten Belarus. „Ich habe es aus Gesprächen mit Alexander Grigorjewitsch Lukaschenko und Kanzlerin (Angela) Merkel so verstanden, dass sie bereit sind, miteinander zu sprechen“, sagte Putin in einem Interview, das am Samstag im russischen Staatsfernsehen ausgestrahlt wurde.

Lage weiter angespannt

In der Grenzregion blieb die Situation angespannt. Weiterhin harren auf der belarussischen Seite der Grenze Tausende Migranten bei Temperaturen um den Gefrierpunkt auf der belarussischen Seite in provisorischen Camps im Wald aus. Zudem versuchten wieder Gruppen von Migranten in der Nacht zum Samstag, die Sperranlage zu durchbrechen und illegal die Grenze zu Polen zu überqueren. Polens Verteidigungsministerium berichtete über verstärkte Bewegung belarussischer Sicherheitskräfte in der Nähe des Grenzorte Kuznica.

Wegen der Krise um die Migranten, die an der EU-Außengrenze gestrandet sind, hatten Merkel und Putin mehrfach miteinander telefoniert. Dabei bat die Kanzlerin den Kremlchef um ein Eingreifen in den Konflikt. Später hatte der Kreml mitgeteilt, dass Moskau sich um eine Lösung bemühen wolle. Zu Putins Vorschlag eines Gesprächs zwischen Merkel und Lukaschenko sagte ein Sprecher der Bundesregierung: „Über Telefonate informieren wir grundsätzlich, nachdem sie stattgefunden haben.“

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Die EU wirft dem oft als „letzten Diktator Europas“ kritisierten Lukaschenko vor, gezielt Migranten aus Krisengebieten einfliegen zu lassen und weiter in Richtung Polen zu schleusen. Vermutet wird, dass der 67-Jährige sich so für Sanktionen rächen und den Westen zum Dialog zwingen will.

Putin sagte mit Blick auf Drohungen aus Minsk, er hoffe, dass Lukaschenko in dem Konflikt mit dem Westen nicht den Gastransit einstelle. Er habe zweimal mit Lukaschenko gesprochen. „Er hat das nicht einmal erwähnt. Aber er kann das tun. Aber das führt zu nichts Gutem, und ich spreche natürlich mit ihm über das Thema“, sagte Putin. Ein Stopp des Transits wäre auch eine Verletzung der Vereinbarungen zwischen Russland und Belarus. „Ich hoffe, dass es dazu nicht kommt“, so Putin. Lukaschenko hatte vor einigen Tagen damit gedroht, den Gastransit durch die Jamal-Europa-Leitung einzustellen.

Russland hat dem Kreml zufolge nichts mit der Krise in der Grenzregion zu tun. Keine russische Fluggesellschaft sei daran beteiligt, „diese Leute zu transportieren“, sagte Putin. Zugleich warf er dem polnischen Grenzschutz „inhumanes Handeln“ vor. Nach Angaben von Putin kommt es jetzt dazu, dass „polnische Grenzschützer und Vertreter der Streitkräfte diese potenziellen Migranten schlagen, über ihren Köpfen aus Kampfwaffen in die Luft schießen, nachts Sirenen und Licht anschalten an den Aufenthaltspunkten, wo Kinder und Frauen in den letzten Monaten ihrer Schwangerschaft sind“.

Polen verhängt Ausnahmezustand in Grenzregion

Diese Angaben, wie auch die der polnischen und belarussischen Sicherheitskräfte, lassen sich nicht unabhängig überprüfen, da Polen in der Grenzregion den Ausnahmezustand verhängt hat. Journalisten und Helfer dürfen nicht hinein. Das gilt auch für das Grenzgebiet auf belarussischer Seite.

Putin erklärte zudem, dass sich westliche Sicherheitsorgane und Geheimdienste um Schleusernetzwerke kümmern sollten, die in Europa agierten.

In Polens Grenzgebiet fand die Polizei eine weitere Leiche. Bei dem Toten handele es sich um einen 20 Jahre alten Mann aus Syrien, sagte ein Sprecher der Polizei in der Woiwodschaft Podlachien am Samstag der Nachrichtenagentur PAP. Demnach wurde die Leiche von einem Forstarbeiter in einem Waldstück nahe des Dorfes Wolka Terechowska entdeckt. Der Tote habe einen syrischen Pass bei sich gehabt. Eine gerichtsmedizinische Untersuchung soll Aufschluss über die Todesursache geben. In dem Grenzgebiet sind schon mehrere Menschen gestorben.

Migranten versuchen, Grenzen zu durchbrechen

Zudem versuchte in der Nacht zu Samstag eine Gruppe von hundert Migranten bei Wolka Terechowska vergeblich, die Grenze zu durchbrechen. Die Gruppe sei von belarussischer Seite mit Tränengas ausgestattet worden und habe dieses gegen polnische Sicherheitskräfte eingesetzt, teilte Polens Grenzschutz per Twitter mit. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Warschau schickt Belarus immer mehr bewaffnete Sicherheitskräfte an die Grenze. Das Ministerium veröffentlichte auf Twitter Videoaufnahmen, die in der Nähe des Grenzortes Kuznica entstanden sein sollen. Sie zeigen Dutzende von Uniformierten in Tarnanzügen, die entlang der polnischen Grenzbefestigung entlangmarschieren.

Belarussische Soldaten beim Aufbau eines Zelts an der belarus-polnischen Grenze.
Belarussische Soldaten beim Aufbau eines Zelts an der belarus-polnischen Grenze.

© Leonid SHCHEGLOV / BELTA / AFP

Lukaschenko ordnete humanitäre Hilfe vor allem für die Kinder der im Grenzgebiet zu Polen gestrandeten Migranten an. Es sollten etwa Essenszelte aufgestellt werden, meldete die belarussische staatliche Nachrichtenagentur Belta am Samstag. Später veröffentlichte Belta Fotos von Stromgeneratoren, die ins Grenzgebiet gebracht worden sein sollen. Mehrere Menschen drängten sich darum und luden ihre Handys auf.

Der oppositionelle belarussische Telegram-Kanal Nexta hingegen veröffentlichte Videos, auf denen zu sehen sein soll, wie belarussische Sicherheitskräfte in die Luft schießen, um Migranten einzuschüchtern. Unter den Menschen seien auch Kinder, „um die sich die staatlichen Propagandisten angeblich so sorgen“, hieß es. Weil auch auf der belarussischen Seite unabhängige Journalisten nicht ins Grenzgebiet gelassen werden, können die Angaben derzeit nicht überprüft werden. (AFP)

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