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Schüler kaufen Süßigkeiten im Hof ihrer Schule in Idlib.

© Amer Alhamwe/AFP

Syrien: Vereinbarung zur Entmilitarisierung Idlibs droht zu scheitern

Die mächtigste Dschihadisten-Gruppe hat eine Frist zum Rückzug verstreichen lassen. Die Zivilbevölkerung hofft auf einen kriegsfreien Alltag.

Einen Monat nach der russisch-türkischen Vereinbarung über die Einrichtung einer entmilitarisierten Pufferzone in der syrischen Rebellenhochburg Idlib wächst die Gefahr neuer Kämpfe. Die mächtigste Dschihadisten-Gruppe der Region ließ eine Frist zum Rückzug ihrer Kämpfer aus dem geplanten, zehn bis 15 Kilometer breiten Korridor verstreichen. Zugleich bekräftigte Syriens Regime das Ziel, Idlib wieder unter seine Kontrolle zu bringen. Damaskus öffnete zudem einen wichtigen Grenzübergang nach Jordanien und legte damit den Grundstein für eine Wiederbelebung des Handels. Auch ein Grenzübergang für UN-Truppen an der Grenze zu den von Israel besetzten Golanhöhen wurde ebenfalls in Betrieb genommen.

Staatschef Baschar al Assad scheint fest davon auszugehen, dass ihm der Sieg im schon mehr als sieben Jahre dauernden Krieg nicht mehr zu nehmen ist.

In der Region halten sich drei Millionen Menschen auf

Der von Al-Qaida-Kadern geführte Milizenverband Hayat Tahrir al Scham (HTS) beherrscht große Teile der Pufferzone in Idlib, die Aufständische und Regimeeinheiten trennen soll. Die Islamisten betonen, sie wollten den Kampf gegen Assad nicht aufgeben. Ob sie ihre schweren Waffen aus der geplanten Pufferzone vollständig abgezogen haben, ist ebenfalls unklar.

Der Deal zwischen Russland und der Türkei soll einen Großangriff auf Idlib verhindern. In der Region halten sich rund drei Millionen Menschen auf, von denen viele in die nahe Türkei flüchten könnten. Moskau hatte Ankara bis zum 15. Oktober Zeit gegeben, um die im September getroffene Vereinbarung umzusetzen. Da dies nicht geschehen ist, drohen neue Gefechte. So erklärte Damaskus, Soldaten hätten Idlib umzingelt und seien zum Angriff bereit. Damit kommt es insbesondere auf Russland an. Assads Schutzmacht wird Damaskus zufolge eine Bewertung darüber abgeben, ob die Ankündigung der HTS bedeutet, dass die Abmachung zwischen Ankara und Moskau null und nichtig ist. In diesem Fall könnte es zur befürchtenen Schlacht um Idlib kommen.

Vorräte an Medikamenten reichen noch eine Woche

Bisher hält die Waffenruhe noch – und gibt den Menschen Hoffnung. Denn die vergangenen Wochen konnten Idlibs Einwohner nutzen, um ihren kriegsfreien Alltag zu organisieren. Dazu gehört, Lebensmittel auf Märkten anzubieten sowie zerstörte Häuser und Straßen wieder aufzubauen. So berichtet es der Mediziner Ahmad Tarakji im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Er ist kürzlich von einer zweitägigen Tour aus Idlib zurückgekehrt. Dort hat der Chirurg in seiner Funktion als Präsident der Syrian American Society mehrere Krankenhäuser besichtigt, um sich ein Bild über die Lage zu machen. Die ist Tarakji zufolge alles andere als gut. „Die Vorräte an Medikamenten wie Antibiotika reichen gerade noch für eine Woche.“ Ein Grund dafür sei, dass die Hilfe durch UN-Organisationen abnehme. Der Arzt macht dafür nicht zuletzt den Druck des syrischen Regimes verantwortlich.

Internationale Garantien für die Waffenruhe verlangt

Dennoch wird die Feuerpause von Idlibs Einwohnern nach Tarakjis Worten begrüßt. Aber es gebe große Zweifel, ob die Waffenruhe dauerhaft sein wird. „Niemand traut Russland über den Weg.“ Es brauche internationale Garantien, etwa durch die USA und die EU, dass Idlib nicht angegriffen wird. Und Tarakji fordert im Sinne einer friedlichen Zukunft, zivilgesellschaftliche Gruppen zu stärken. „Dies ist die beste Gewähr, dass Extremisten nicht die Oberhand gewinnen.“

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