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Mai 2020: Polizeieinsatz in Pirna bei Protest gegen die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie.

© Robert Michael/dpa

Suspendierter Polizist aus Sachsen: Corona-Rebell will für die AfD in den Bundestag

Die AfD als Lobby der Coronaleugner: Ein Polizist aus Sachsen, der einen Protest in Pirna organisierte, kandidiert für den Bundestag.

Von Matthias Meisner

Es war einer der ersten Proteste von Corona-Rebellen in Sachsen - und es ging damals, Ende April in Pirna, ziemlich lebhaft zu. Rund 180 Menschen waren auf der Straße, unter ihnen viele AfD-Anhänger und -Mitglieder, Neonazis, Verschwörungstheoretiker und Coronaleugner. Aber auch Familien, Senioren und Unternehmer. Einsatzkräfte, die laut Polizeibericht fortlaufend Verstöße gegen die Beschränkungen und Auflagen feststellten, wurden von Teilnehmern als „Merkel-Schergen“ und „Wichser“ beschimpft.

Mittenmang beim Corona-„Spaziergang“: ein Beamter der Polizei Sachsen, der Obermeister Steffen Janich, bis dahin eingesetzt im Polizeirevier Pirna. Janich, ein Kreisrat der AfD, hatte sich in Pirna als Versammlungsleiter zur Verfügung gestellt. Die Konsequenz: Der Beamte wurde vom Dienst suspendiert, seine Dienstwaffe musste er abgeben. Seine Bezüge wurden, so berichtet sein Anwalt, gekürzt. Nach wie vor läuft ein Disziplinarverfahren, ein Termin am Verwaltungsgericht ist noch nicht angesetzt.

Jetzt schickt sich Janich an, für die AfD in den Bundestag einzuziehen - und er hat reelle Chancen. Am vorvergangenen Wochenende wurde der AfD-Kommunalpolitiker als Direktkandidat der Partei im Wahlkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge nominiert. Janich setzte sich gegen sechs andere Bewerber durch, Frauen hatten nicht kandidiert. Auch die Anti-Asyl-Hochburgen Freital und Heidenau gehören zum Wahlkreis.

2017 hatte den Wahlkreis die damalige AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry haushoch gewonnen. Petry, die kurz nach der Wahl ihrer Partei den Rücken kehrte, kam auf 37,4 Prozent der Erststimmen, das beste Ergebnis in Sachsen. Vom zweitplatzierten Bewerber, einem langgedienten Bundestagsabgeordneten der CDU, trennten Petry 8,6 Prozentpunkte. Nicht absehbar ist, ob Janich auch einen aussichtsreichen Platz auf der sächsischen AfD-Landesliste für den Bundestag bekommt.

Der sächsische AfD-Kommunalpolitiker Steffen Janich bei einer Kundgebung seiner Partei im Juni 2018 in Pirna.
Der sächsische AfD-Kommunalpolitiker Steffen Janich bei einer Kundgebung seiner Partei im Juni 2018 in Pirna.

© Youtube-Video

AfD will parlamentarischer Arm der Corona-Protest-Szene sein

Seine Rolle als Polizist und als Wortführer von Corona-Protestierern dürfte bei der Entscheidung für Janich eine Rolle gespielt haben. Die AfD bietet sich an als parlamentarischer Arm der Szene.

Erst vergangene Woche trug der AfD-Abgeordnete Karsten Hilse, ein Polizist aus dem Wahlkreis Bautzen, ein „Querdenken“-T-Shirt, als er im Bundestag sprach.

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Insgesamt versucht die AfD, Staatsdienern in ihren Reihen eine Rolle zu geben. Aus Sachsen beispielsweise zog 2017 auch Jens Maier, Richter am Landgericht Dresden, in den Bundestag ein - ein Politiker, der inzwischen vom sächsischen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird.

Auch ein verurteilter Justizbeamter macht Parteikarriere

Auch der suspendierte sächsische Strafvollzugsbeamte Daniel Zabel durfte im Freistaat AfD-Parteikarriere machen. Ende Februar wurde er in den sächsischen Landesvorstand gewählt. Im Mai lud ihn die AfD im bayerischen Landtag als Experten zu einer Anhörung ein. Zabel hatte nach dem tödlichen Messerattentat 2018 den Haftbefehl gegen einen tatverdächtigen Asylbewerber an rechte Kreise weitergegeben. Er wurde deshalb zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten auf Bewährung verurteilt.

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Die Richterin am Amtsgericht Dresden hatte Zabel damals laut „Süddeutscher Zeitung“ rassistische Motive bescheinigt. Sie verwies unter anderem auf eine Chatgruppe, in der Zabel die Ausschreitungen in Chemnitz als „Kanakenklatschen wie in den 90er Jahren in Berlin“ beschrieben haben soll. Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn, weil er gezielt ausländische Gefangene misshandelt haben soll.

Janichs Anwalt will Kalbitz in der AfD halten

Janich wird anwaltlich vertreten von Martin Braukmann, der auch Mitglied des AfD-Bundesschiedsgerichts ist. In dieser Rolle stimmte Braukmann gegen die Entscheidung, die Mitgliedschaft des brandenburgischen AfD-Fraktionschefs Andreas Kalbitz - der aktuell sein Amt ruhen lässt - wegen dessen Nazi-Vita zu annullieren, dies sei „rechtlich nicht zulässig“.

Die Anhaltspunkte des Verfassungsschutzes für eine Einstufung der AfD als „Prüffall“ hält der Rechtsanwalt generell für „in der Summe ziemlich dünn“. Der Geheimdienst würde „schon zum Rechtsextremen abstempeln, wer den Islam kritisiert“. Auch die Vorwürfe der Ermittler im Rahmen des Disziplinarverfahrens gegen seinen Mandanten Janich - neben der Versammlungsleitung in Pirna geht es um mehrere Facebook-Posts - hält Braukmann für „ziemlich haltlos“, wie er dem Tagesspiegel sagt.

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Der AfD-Politiker Janich teilt auf Facebook Demonstrationsaufrufe der rechtsextremistischen Gruppierung „Zukunft Heimat“ aus Cottbus, von AfD-Hardlinern wie Stephan Brandner, Jens Maier oder Björn Höcke.

Den Verfassungsschutz nennt er „Stasi 2.0“, den Rechtsstaat „eine Gesinnungsdiktatur“. AfD-Parteichef Jörg Meuthen greift er scharf an, dessen Ziel sei „Macht durch Selektion“. Gemeinsam mit Thüringens AfD-Chef Höcke schlägt Janich sich auf die Seite derjenigen, die einen Parteiausschluss von Kalbitz abwenden wollen.

In Berlin gemeinsam mit Neonazis demonstriert

Das Thema Corona hat Janich seit den Protesten in Pirna nicht losgelassen. Er berichtet im Netz über Aufmärsche von Coronarebellen in Italien und Spanien. Lobt dort auch den Wirtschaftsprofessor Stefan Homburg, der Verschwörungsgläubigen Argumente liefert. Und mobilisiert für die „Querdenken“-Proteste.

Auch bei der Großdemonstration gegen die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie am 29. August in Berlin war er dabei, jenem Protest, aus dem heraus es zur Erstürmung der Treppe des Reichstagsgebäudes kam. Und an dem sich bis zu 3000 Neonazis beteiligten - laut Beobachtern Funktionäre der NPD, der Identitären Bewegung, von „Pro Chemnitz“, Angehörige von Kampfsportgruppen sowie etwa auch der „Volkslehrer“ Nikolai Nerling und der Vegan-Koch Attila Hildmann. Viele zeigten mit Szenekleidung und Tattoos ihre Gesinnung.

Auf Facebook schimpft Janich trotzdem: „Es ist überall das Gleiche. Die machen uns zu Rechtsextremisten, obwohl unser Herz der Demokratie gehört.“

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