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Einen Monat lang hat die südsudanesische Regierung den Hilfswerken der Vereinten Nationen den Zugang zu den drei am meisten betroffenen Provinzen im Norden des Landes verwehrt. Im Juli konnte kein Schiff am Nil-Hafen von Malakal anlegen und der Landestreifen für Flugzeuge durfte seit Ende Juni nicht mehr genutzt werden. Zwei Tage vor den Friedensverhandlungen sind diese Einschränkungen aufgehoben worden. Das Foto zeigt Frauen, die nach einem Abwurf von Hilfsgütern aus der Luft auf iene Überlebensration hoffen.

© Charles Lomodong/AFP

Bürgerkrieg im Südsudan: Südsudans Präsident will Friedensvertrag nicht unterzeichnen

Das Regierungslager in Juba hält den ausgehandelten Deal für "Verrat" und verlangt mehr Zeit. Auf Rebellenseite hat Riek Machar seine Unterschrift gegeben, nicht aber die Milizen, die sich von ihm abgewendet haben.

Es ist der zehnte Versuch, den seit Dezember 2013 andauernden Bürgerkrieg im Südsudan zu beenden. Und es sieht so aus, als wäre auch diese „letzte Frist“ erfolglos verstrichen. Am Montag sollten der südsudanesische Präsident Salva Kiir und sein Rivale Riek Machar einen weiteren Friedensvertrag unterzeichnen. In der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba hatte die ostafrikanische Regionalorganisation Igad – unterstützt von einer Verhandlergruppe der Afrikanischen Union, der Vereinten Nationen sowie China, Großbritannien, Norwegen und den USA – die Gespräche moderiert. Seit dem 24. Juli lag der Entwurf des Vertrags vor. Und Riek Machar unterschrieb ihn am Montag auch. Doch Präsident Salva Kiir reiste ohne Unterschrift zurück nach Juba und verlangte noch weitere 15 Tage Bedenkzeit.

Allerdings hat sich die Machars Rebellenfraktion in den vergangenen zwei Wochen gespalten. Peter Gadet, einer seiner Generäle, hat seine Miliz aus dem Bündnis abgezogen, nachdem er seit Juli mit Sanktionen des UN-Sicherheitsrats konfrontiert ist. Er darf nicht in die EU, die USA, China oder Russland einreisen und seine Auslandskonten wurden gesperrt. Kiir hatte wegen dieser Spaltung zunächst angekündigt, gar nicht erst nach Addis Abeba reisen zu wollen.

Kiirs Informationsminister Michael Makuei sagte der Internetzeitung „Sudan Tribune“ am Dienstag: „Wir glauben, dass dieses Dokument die Menschen Südsudans nicht retten kann.“ Und weiter: „Das ist Verrat. Wir werden das nicht akzeptieren.“ Die Regierung wolle den Vertrag aber 15 Tage lang „mit dem Volk“ diskutieren. Schon am Montagabend zitierte die Regierung den Präsidenten im Kurznachrichtendienst Twitter mit der Äußerung: „Wenn der Vertrag heute unterzeichnet wird, und wir morgen wieder in den Krieg ziehen: Was haben wir dann erreicht?“ Die Frage ist berechtigt, denn genau so lief es bei sämtlichen Verträgen zuvor.

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Allerdings geht der internationalen Gemeinschaft langsam die Geduld mit dem jüngsten Staat der Welt aus: Bei seinem Besuch in Äthiopien hatte der amerikanische Präsident Barack Obama Anfang des Monats gesagt, wenn die Konfliktparteien die letzte Frist am Montag reißen würden, dann müsse darüber nachgedacht werden, „welche Möglichkeiten wir haben, den Druck zu erhöhen“. Auch aus der Europäischen Union hieß es am Dienstag, das absehbare Scheitern des Friedensvertrags werde „Konsequenzen haben“. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), lobte die „Einigung“ von Addis Abeba zwar als „wichtigen Schritt“, forderte Kiir aber ebenfalls auf, den Vertrag nun auch zu unterzeichnen.

Die humanitäre Lager verschlechtert sich stetig

Derweil verschlechtert sich die Lage im Südsudan stetig weiter. Zehntausende Menschen sind in dem Konflikt getötet worden, Tausende Frauen wurden vergewaltigt, Kinder in die reguläre Armee oder die sie bekämpfenden Milizen gezwungen. 1,6 Millionen Menschen wurden nach UN-Angaben intern vertrieben, weitere knapp 616 000 Menschen sind in die Nachbarländer geflüchtet. Mit 4,6 Millionen Menschen sind mehr als die Hälfte der Einwohner inzwischen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. In der nun beginnenden Regenzeit hat wieder keine Aussaat stattgefunden. Diese humanitäre Krise wird also absehbar nicht enden.

Zu mehr als einem kurzen Händeschütteln hat der gute Wille des südsudanesischen Präsidenten Salva Kiir (mit Hut) und seines Rivalen Riek Machar (links von Kiir) in Addis Abeba nicht gereicht.

© Tiksa Negeri/Reuters

Auch die politische Lage in Juba hat sich weiter zugespitzt. Am Tag seiner Rückkehr hat Salva Kiir vier gewählte Gouverneure abgesetzt und einen gleich verhaftet. Zwei Tage zuvor drohte Kiir Journalisten, nachdem seine Regierung zu Beginn des Monats zwei Zeitungen und drei private Radiostationen geschlossen hatte. Am Flughafen sagte Kiir nach Angaben der Journalistenvereinigung CPJ: „Wenn irgendjemand nicht weiß, dass dieses Land Menschen getötet hat, dem werden wir das eines Tages demonstrieren. Freiheit der Presse heißt nicht, gegen das eigene Land zu arbeiten.“  Steinmeier sagte am Dienstag, Berichte, „nach denen die südsudanesische Regierung gegen Personen und Institutionen vorgeht, die sich offen für den Frieden ausgesprochen haben, bereiten mir große Sorge“.

Die AU hält Obasanjo-Bericht unter Verschluss

Beiden Seiten werden brutale Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Doch die Afrikanische Union zögert, einen von ihr in Auftrag gegebenen Bericht zu veröffentlichen, der seit Ende 2014 vorliegt. Offenbar hat die Kommission unter dem Vorsitz des früheren nigerianischen Präsidenten Olusegun Obasanjo gefordert, weder Kiir noch Machar an einer neuen Übergangsregierung zu beteiligen, schreibt das südafrikanische Institut für Sicherheitsstudien (ISS).

Warum der Südsudan mit seiner Unabhängigkeit eigentlich nichts gewonnen hat, hat schon vor ein paar Monaten der Autor Edward Thomas in Berlin analysiert. Bei einer Veranstaltung der grün-nahen Heinrich-Böll-Stiftung diskutierte er mit der Südsudan-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Annette Weber, darüber, warum die südsudanesische Gesellschaft so „gespalten und polarisiert ist“, wie Kiirs Sprecher das selbst vor ein paar Tagen beschrieben hat. Edward Thomas sieht im Südsudan kein „nationales Projekt“. Das einzige, was als ein solches gemeinsames Projekt hätte gelten können, sei die Armee. Der Südsudan verfügt aber im Verhältnis zu seiner Größe über eine riesige Armee, die der junge Staat trotz Öleinnahmen nicht dauerhaft finanzieren kann. Da im Südsudan aber in den vergangenen 60 Jahren 40 Jahre lang Krieg herrschte, fehlt den Eliten, die Rebellenführer waren und es geblieben sind, die Phantasie für einen zivilen Staatsaufbau, meinte Thomas. Womöglich ist das auch einer der Gründe dafür, warum die bisherigen Friedensverträge und Waffenstillstände oft schon nach ein paar Stunden gebrochen worden sind.

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