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Auch ein Symbol. Katholische Gläubige tragen bei der Palmsonntagsprozession in Heiligenstadt (Thüringen) eine überlebensgroße Christus-Figur.

© Swen Pförtner/dpa

Streit um religiöse Symbole in Berlin: Das Kreuz ist auch nur ein Kopftuch

Eine Berliner Lehrerin hat Ärger, weil sie ihren christlichen Glauben nach außen trägt. Die Provokation ist überfällig. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Der Osterhase sollte besser erst am Wochenende aufkreuzen, denn Karfreitag ist Hoppeln verboten. Dann gilt in allen Bundesländern ein gesetzliches Tanzverbot, ein „stiller Feiertag“ im Gedenken an den Tod von Jesus Christus (in Berlin bis 21 Uhr), und wie Umfragen zu wissen meinen, will es eine Mehrheit der Deutschen auch so. Das Beispiel zeigt, die Bundesrepublik ist ein christlich geprägtes Land mit überwiegend – gewollt oder ungewollt – christlich geprägten Bürgern. Der Fall einer Berliner Lehrerin, der per Dienstanweisung angeraten wurde, ihr um den Hals getragenes Kreuz abzulegen, mag daher auf den ersten Blick erstaunen. Wenn das Christentum mächtig genug ist, Europas Spaßmetropole zur Einkehr zu zwingen, warum sollte eine Gläubige dann dessen Kernsymbol verstecken?

Ich finde es richtig, dass auch das Kreuz bei der Lehrerin an einer öffentlichen Schule - sofern es sichtbar getragen wurde - unter das Neutralitätsgesetz fällt. Gleiche Regeln für alle, nur dann ist auch das Kopftuchverbot plausibel.

schreibt NutzerIn carolina

Der Staat muss neutral sein - aber nicht die Menschen, die ihn tragen

Auf den zweiten Blick ist die Anweisung konsequent. Sie beruht auf dem so genannten Neutralitätsgesetz, das erlassen wurde, um muslimische Frauen mit Kopftuch von Schuldienst, Polizei und Rechtspflege fernzuhalten. Während andere Bundesländer ähnliche Gesetze mit Christen-Privilegien versahen, verzichtete Berlin darauf. Wenn schon Verbote, dann für alle Religionen gleich, lautete die treffende Einsicht.

Dem Kreuz am Hals entspräche ein Halbmond um den Hals und der sollte genauso erlaubt sein: als Schmuck, vielleicht als Gesprächsaufforderung für den, der einem direkt gegenübersteht und nicht als [...] Zeichen von Frauenunterdrückung wie ein Kopftuch.

schreibt NutzerIn Viehdoktor

Es war daher eine Frage der Zeit, dass sich das Gesetz auch gegen andere richtet, die ihren Glauben nach außen tragen. Nicht einmal ein orthodoxer Jude mit Kippa auf dem Kopf dürfte hier Lehrer werden. Es spricht viel dafür, dass das Gesetz nicht nur anti-integrativ wirkt, sondern wegen seiner Striktheit und Pauschalität verfassungswidrig ist. Folgen bei weiteren Verstößen mag die Lehrerin mit christlicher Festigkeit entgegensehen. Am Ende wird möglicherweise nicht ihre Position, sondern die von Politik und Behörden erschüttert sein. Staaten müssen neutral sein. Aber nicht die Menschen, die ihn tragen. Der eine will beten, andere wollen tanzen. Letzteres übrigens ist auch Karfreitag möglich, dank Ausnahmen vom Verbot. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts seit kurzem sogar in Bayern. Nichts anderes kann für die Kopftücher und Kreuze Gläubiger gelten.

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