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In der Krise: Holger Stahlknecht (l, CDU), Innenminister von Sachsen-Anhalt, und Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) (Archivbild)

© dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Streit um Neonazi-Kontakte von CDU-Politiker: Koalition in Sachsen-Anhalt droht zu zerbrechen

Die Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt steht am Abgrund. Grund sind Neonazi-Kontakte eines CDU-Politikers. Ein Bruch könnte die AfD in die Verantwortung spülen.

Der Streit über Neonazi-Kontakte des CDU-Kreispolitikers Robert Möritz hat die Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt erneut an den Rand des Abgrunds befördert. Grüne und SPD hatten die CDU scharf kritisiert, weil sie Möritz nicht aus der Partei warf.

Am Sonnabend forderte dann der Generalsekretär der sachsen-anhaltischen CDU, Sven Schulze, die Grünen auf, sich für eine Pressemitteilung zu entschuldigen. Sie war überschrieben mit „Wie viele Hakenkreuze haben Platz in der CDU?“. Sollten die Grünen das nicht tun, sei eine Fortsetzung der Koalition „kaum denkbar“.

Zuvor war bekannt geworden, dass der CDU-Politiker Robert Möritz 2011 als Ordner an einer Neonazi-Demonstration beteiligt war und Mitglied des umstrittenen Vereins Uniter ist. Auf Facebook teilte er diverse Beiträge einer sachsen-anhaltischen Rechtsrock-Band. Eine wichtige Rolle spielt auch ein rechtsextremes Tattoo: die sogenannte Schwarze Sonne, eine Kombination mehrerer Hakenkreuze, die er auf seinem Arm trägt. Darauf bezogen sich die Grünen in ihrer Pressemitteilung.

CDU hält Möritz‘ Distanzierung für glaubhaft

In der CDU gab man sich dagegen mit Möritz‘ Erklärung zufrieden, er habe die Bedeutung des Tattoos nicht gekannt. Generalsekretär Schulze sagte am Sonnabend, Möritz bedauere diese Zeit und habe "mit diesen Leuten nichts mehr zu tun". Seine Distanzierung von der rechtsextremen Szene sei glaubhaft.

Hinter dem Koalitionskrach steckt allerdings mehr, als nur der Streit um einen möglichen Neonazi-Sympathisanten. Wie angespannt die Lage zwischen SPD, CDU und Grünen tatsächlich ist, zeigte ein Tweet des SPD-Landesvorsitzenden Burkhard Lischka am Sonnabend: Auch die SPD werde die Koalition in Frage stellen, wenn die CDU ins „politische Absurdistan“ marschieren wolle. Wir sehen keinen Grund, uns zu entschuldigen“, sagte auch die Landeschefin der Grünen, Susan Sziborra-Seidlitz, am Samstagabend.

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Die Atmosphäre in der Koalition, die seit 2016 in Magdeburg regiert, gilt schon länger als stark unterkühlt. Zuletzt hatte die geplante Ernennung des umstrittenen Polizeigewerkschafters Rainer Wendt zum Innen-Staatssekretär die Koalition fast beendet. SPD und Grüne drohten mit dem Bruch, die CDU rückte dann doch von der Entscheidung ab.

Wachsende Zahl von CDU-Abgeordneten hofft auf Minderheitsregierung

Neben dem Fehlen großer gemeinsamer Projekte, steht dahinter ein Richtungsstreit innerhalb der sachsen-anhaltischen CDU. Eine wachsende Zahl von Abgeordneten und Funktionären präferiert eine Minderheitsregierung der CDU. Ihr Traum: Die Einberufung eines Sonderparteitages, der Ausstieg aus der Koalition und eine Minderheitsregierung mit offiziell wechselnden Mehrheitsverhältnissen. Praktisch dürfte das auf eine Tolerierung durch die AfD hinauslaufen, nachdem man SPD und Grüne verprellt hat.

Am Sonnabend erklärte etwa der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU, Ulrich Thomas, er unterstütze die Einberufung eines Sonderparteitages. Thomas hatte sich bereits zuvor dafür ausgesprochen, Koalitionen mit der AfD „jedenfalls nicht auszuschließen“.

Die Werte-Union in Sachsen-Anhalt sprach sich ebenfalls für einen Ausstieg aus der Kenia-Koalition aus – und eine Minderheitsregierung. Dem angeschlagenen CDU-Landesvorsitzenden Holger Stahlknecht fällt es immer schwerer, diese Strömung seiner Partei in den Griff zu bekommen.

Am Sonntagnachmittag hieß es aus Koalitionskreisen, man versuche jetzt, die Scherben aufzukehren. Die Parteispitzen von CDU und Grünen seien in Gesprächen, um die Situation zu lösen. Die CDU-Spitze ging am Sonntag einen ersten Schritt auf ihre Koalitionspartner zu: Generalsekretär Schulze teilte mit, dass Robert Möritz aus dem Verein Uniter ausgetreten sei. Das Gefühl am Sonntag war: Wir leben noch – irgendwie.

Eine nächste Hürde wartet bereits in der kommenden Woche. Dann soll im Magdeburger Landtag der Haushalt eingebracht werden. Scheitert das, könnte es zum endgültigen Bruch kommen. Für Kenia kann jeder Konflikt der letzte sein.

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