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Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei der „Fachtagung der Deutschen Islam Konferenz 2023“.

© picture alliance / epd-bild/Christian Ditsch

Streit über Bericht zu Muslimfeindlichkeit: Faeser darf Kritik an Publizist Henryk Broder veröffentlichen

Der Autor Henryk Broder sah sich durch das Innenministerium verunglimpft und zog vor Gericht. Doch Faeser sei nicht verantwortlich, entschieden die Richter.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) darf eine Studie des „Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit“ weiterhin unverändert veröffentlichen. Wie jetzt bekannt wurde, hat das Berliner Verwaltungsgericht bereits Anfang November einen Eilantrag des Publizisten Henryk Broder zurückgewiesen (Az.: VG 6 L 180/23).

Broder hatte das Ministerium verpflichten wollen, im Bericht geäußerte Kritik des Expertenkreises an seiner publizistischen Arbeit zu unterlassen. Gegen den Beschluss des Gerichts hat er Beschwerde eingelegt. Jetzt muss das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entscheiden.

Der frühere Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte den Expertenkreis nach dem Anschlag von Hanau im Februar 2020 einberufen. Ziel war es, Erscheinungsformen von Muslim- und Islamfeindlichkeit zu analysieren sowie auf Schnittmengen mit antisemitischen Haltungen hin zu untersuchen. Im Juni überreichte der Expertenkreis Faeser seinen Abschlussbericht, den diese, versehen mit dem Logo des Ministeriums, auf der amtlichen Webseite veröffentlichen ließ.

Broder störte sich an einer Passage, die auf eine Veröffentlichung von ihm im „Spiegel“ im Jahr 2010 Bezug nahm. In dem Text „Im Mauseloch der Angst“ ging es, aufgehängt am Karikaturenstreit und der Fatwa gegen den Autor Salman Rushdie, um den aus Broders Sicht ungenügenden Widerstand von Künstlern und Intellektuellen gegen islamistisch-fundamentalistische Strömungen, die die Meinungsfreiheit bedrohten.

Das Bundesministerium war befugt, den Bericht des Expertenkreises zu veröffentlichen.

Aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichts

Der Expertenkreis warf Broder in seinem Bericht vor, er mache sich mit seinem Text „für eine uneingeschränkte Anwendung der Meinungsfreiheit stark, während er Aufrufe zur Deeskalation und Rücksichtnahme offen verhöhnte und Muslim*innen pauschal als unwissende, ehrversessene, blutrünstige Horden dämonisierte“.

Broder meint, er werde an den Pranger gestellt

Der Publizist sah darin einen rechtswidrigen Eingriff in die Pressefreiheit und seine Persönlichkeitsrechte, für den er das Ministerium verantwortlich macht. Seine Aussagen würden verfälscht, er selbst werde mit der besonderen amtlichen Autorität der dienstlichen Internet-Präsenz an den Pranger gestellt.

Dem folgte das Gericht jedoch nicht. Die Veröffentlichung des Berichts sei nicht als amtliche Äußerung einzustufen, heißt es im Beschluss. Das Ministerium sei Auftraggeber und Herausgeber, nicht jedoch Autor des Berichts. Es habe sich die Äußerungen des Expertenkreises inhaltlich auch nicht zu eigen gemacht.

Als Wiedergabe und Verbreitung von Äußerungen Dritter sei die Kritik außerdem zulässig. Die Werturteile über Broders Text beruhten „auf einem zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern“. Denn Broder habe über Reaktionen auf Rushdies Buch „Die satanischen Verse“ geschrieben: „Millionen von Muslimen in aller Welt, die keine Zeile des Buchs gelesen und den Namen noch nie gehört hatten, wollten das Todesurteil gegen den Autor vollstreckt sehen, je schneller, desto besser, um mit seinem Blut die beschmutzte Ehre des Propheten wieder reinzuwaschen.“

Aus Sicht des Gerichts begründet dies die Bewertung des Expertenkreises, Broder stelle damit Muslime als „unwissende, ehrversessene, blutrünstige Horden“ dar, und sei – ungeachtet der Wortwahl – „in tatsächlicher Hinsicht nicht zu beanstanden“.

Bekannt wurde am Donnerstag auch ein weiterer Fall: Die Bloggerin Sigrid Herrmann-Marschall geht ebenfalls gegen das Innenministerium wegen Äußerungen des Expertenkreises über sie und ihre Arbeit als Beobachterin islamistischer Strömungen vor. In dem von ihr eingereichten Eilantrag wird der Beschluss zum Fall Broder als „schlechterdings unvertretbar“ bezeichnet, weil das Innenministerium hier als Verbreiter rechtswidriger Äußerungen haften müsse.

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