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BND, MAD und BfV werden vom PKGr überwacht.

© imago images/Future Image

Streit in der Ampel: Postengeschacher bei Geheimdienst-Kontrolleuren

Das PKGr soll die Arbeit der Geheimdienste überwachen. Trickreich sichern sich die Ampel-Parteien in dem Gremium Posten und eine zwei Drittel Mehrheit.

Die Einsetzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) erfolgt fast so geräuschlos, wie die Sitzungen des Geheimgremiums in der Regel stattfinden. Eben noch hat der Bundesgesundheitsminister im Bundestag die Länder geradezu angefleht, das neue Infektionsschutzgesetz im Kampf gegen Corona anzuwenden, gleich wird der Justizminister sprechen. Dazwischen, um 12.49 Uhr, ruft Vize-Bundestagspräsidentin Aydan Özoguz (SPD) die Zusatzpunkte 1a und 1b in der Tagesordnung auf. Kurz erklärt Özoguz das Verfahren, zwei Minuten wird im Eilverfahren abgestimmt, eine Debatte gibt es nicht. Dabei hat sich die Ampel hier gerade Pöstchen und eine wichtige zwei Drittel Mehrheit gesichert.

Das Parlamentarische Kontrollgremium setzt sich aus wenigen Bundestagsabgeordneten zusammen und tagt im vertrauten Kreis und überwacht die Arbeit der Nachrichtendienste, also den Bundesnachrichtendienst (BND), das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und den Militärischer Abschirmdienst (MAD). Das Parlamentarische Kontrollgremium erhält Einblicke, ist dafür jedoch zu höchster Verschwiegenheit verpflichtet. Eine wichtige Aufgabe, doch ausgerechnet hier hat sich die Ampel über Monate zerstritten und um Posten gezankt.

Der Streit beginnt schon mit der Größe des Gremiums. In der vergangenen Legislaturperiode hatte es noch aus neun Abgeordneten bestanden, nun soll es wachsen. Die Union wollte es auf elf Personen vergrößern, doch die Ampel-Fraktionen beschließen am Donnerstag das Gremium auf 13 Abgeordnete aufzustocken. Das nutzt vor allem der SPD, die dadurch vier statt zwei Sitze in dem Gremium erhält, aber auch FDP und Grüne erhalten künftig zwei statt nur einem Sitz. Die Union, obwohl nur ein Prozent kleiner als die SPD, bleibt bei drei Sitzen, AfD und Linke sollen einen Platz erhalten – in der Theorie.

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Tatsächlich werden jedoch nur elf der 13 Posten besetzt, wie gut drei Stunden später klar wird, als Vize-Präsident Wolfgang Kubicki (FDP) die Debatte über den Haushalt für das Innenministerium unterbricht und das Ergebnis der Wahl verkündet. Der Kandidat der AfD, Joachim Wundrak, fällt erwartungsgemäß klar durch. Er erhält nur 90 statt der erforderlichen 369 Ja-Stimmen. Doch auch der Innenexperte der Linken, André Hahn, der in der vergangenen Legislatur Mitglied im PKGr war, fällt mit 341 Ja-Stimmen knapp durch.

Für die Arbeit des Gremiums bedeutet das vor allem, dass die Ampel eine satte zwei Drittel Mehrheit hat, die sie prozentual im Bundestag eigentlich gar nicht hat. Mit Roderich Kiesewetter, Christoph de Vries (beide CDU) und Alexander Hoffmann (CSU) gibt es lediglich drei Abgeordnete im PKGr, die nicht der Ampel angehören. Eine solche Mehrheit kann durchaus relevant werden.

Um den Vorsitz hatten SPD und Grüne lange gestritten

So können zum Beispiel Sachverständige für eine Untersuchung nur mit zwei Drittel Mehrheit beauftragt werden, ebenso braucht es diese deutliche Zustimmung, wenn das Parlament über diese Untersuchung einen schriftlichen Bericht erhalten soll. Soll die geheime Arbeit des Gremiums öffentlich gemacht oder einzelne Mitarbeiter von Fraktionen eingebunden werden, braucht es ebenso eine zwei Drittel Mehrheit. Ein Instrument, über das SPD, Grüne und FDP nun allein verfügen.

Doch nicht nur bei der Größe geht die Ampel trickreich vor. Lange hatten sich SPD und Grüne um den Vorsitz gezofft. Mit Ulrich Grötsch (SPD) und Konstantin von Notz (Grüne) hatten beide Partei zwei versierte und anerkannte Innenpolitiker aufgestellt. Zwar hat die SPD als größte Fraktion traditionell das erste Zugriffsrecht, doch die anderen Parteien sahen es kritisch, dass ein SPD-Politiker oberster Kontrolleur von drei roten Häusern werden soll. Denn mit dem Bundeskanzleramt (verantwortlich für den BND), dem Innenministerium (verantwortlich für das BfV) und dem Verteidigungsministerium (verantwortlich für den MAD) sind in dieser Legislatur alle Geheimdienste indirekt unter Kontrolle der SPD.

Nach langen Verhandlungen auf Ebene der Fraktionsvorsitzenden der Ampel hat man sich nun auf eine Rochade geeinigt. Erst soll Konstantin von Notz für 24 Monate das Gremium leiten, danach ist Ulrich Grötsch an der Reihe. So richtig zufrieden sind damit weder SPD, noch Grüne. Doch um das Gremium endlich neu einzusetzen – zwei der alten Mitglieder wurden nicht mehr in den Bundestag gewählt – einigte man sich schließlich auf den Wechsel nach zwei Jahren. Der bisherige Vorsitzende, Roderich Kiesewetter, soll nun stellvertretender Vorsitzender werden.

Verliert den Vorsitz im PKGr: Roderich Kiesewetter von der CDU.
Verliert den Vorsitz im PKGr: Roderich Kiesewetter von der CDU.

© IMAGO/Jürgen Heinrich

Und noch eine Personalie sorgt für Unmut. Mit Matthias Bartke soll ausgerechnet ein enger Vertrauter von Bundeskanzler Olaf Scholz und Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt das Amt des Ständigen Bevollmächtigten bekommen. Der Bevollmächtigte überprüft im Auftrag des Kontrollgremiums ausgewählte Sachverhalte der Nachrichtendienste und fertigt Berichte an - eine zentrale Rolle im Hintergrund also.

Bartke ist Sozialdemokrat aus Hamburg, kennt Scholz seit Jahrzehnten, sie duzen sich angeblich. Mit Innen- und Sicherheitspolitik hatte Bartke bislang nichts am Hut. Er gilt als Sozialpolitiker, doch 2021 hat er seinen Wahlkreis an einen Grünen-Politiker verloren. Hier versorgten sich die Sozialdemokraten mit Pöstchen, heißt es erbost im Hintergrund. Bartke ist immerhin nicht der erste Hamburger im Team Scholz. Selbst Mitglieder aus dem PKGr fürchten, das Bartke nicht unabhängig arbeiten kann. Am Abend sollte er dennoch gewählt werden - doch Sitzung und Wahl blieben zunächst - natürlich - geheim.

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