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Ein Jahr länger ab 2029? Die Wahlperiode des Bundestages könnte verlängert werden.

© dpa/Kay Nietfeld

Stille Revolution oder doch noch Debatte?: Der Bundestag soll künftig auf fünf Jahre gewählt werden

Zwischen den Wahlen zum Bundestag sollen künftig fünf statt vier Jahre liegen. Grundsätzlich besteht eine breite Übereinstimmung im Parlament. Aber nun ziert sich die Unions-Fraktion.

Eines hat der Bundestag mit der Bremer Bürgerschaft gemeinsam: Beide Parlamente haben noch eine vierjährige Wahlperiode. In 15 der 16 Bundesländer ist der Zeitraum, nach dem gewählt wird, dagegen auf fünf Jahre verlängert worden.

Im Saarland tagte das Landesparlament schon seit 1947 fünf Jahre bis zur nächsten Wahl, in Nordrhein-Westfalen werkelt der Landtag seit 1970 länger als vier Jahre. Erst in den Neunzigerjahren aber kam es zur „Fünfjahreswelle“– beginnend in Rheinland-Pfalz im Jahr 1991, verlängerten gleich acht Länder die Wahlperiode der Landtage. Schleswig-Holstein, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt folgten in den Nullerjahren. Zuletzt gab Hamburg 2015 der Bürgerschaft mehr Regierungszeit.

Bremen wird wohl bald ein Alleinstellungsmerkmal haben (oder sich dann doch noch einreihen). Denn im Bundestag deuten viele Zeichen darauf hin, dass auch das nationale Parlament sich bald mehr Zeit geben wird für eine Legislaturperiode. Die Folge: Damit können auch die Regierungen in aller Regel ein Jahr länger amtieren.

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Fünf Jahre ab 2029

Auch im Reichstagsgebäude sollen es nun also fünf Jahre werden, beginnend mit der Wahl 2029. Das hat zumindest die Wahlrechtskommission des Bundestags kürzlich so beschlossen. Der Hauptauftrag des Gremiums, das im März 2022 eingesetzt worden war, bestand zwar eigentlich darin, den Bundestag wieder auf eine vernünftige Größe zu schrumpfen.

Da sich die Ampel-Fraktion aber früh auf eine Wahlrechtsreform im Alleingang verständigte, blieb der Kommission nur noch das Diskutieren der Nebenaufträge.

Bei zwei Punkten aus dieser Liste, die in den vergangenen Jahren die Öffentlichkeit stärker beschäftigt haben, kam die Kommission allerdings nicht weit. Das Wahlrecht ab 16 Jahren würden die Ampel-Parteien und die Linken zwar gerne einführen, aber die Union und die AfD sperren sich. Weil das Grundgesetz geändert werden muss, tut sich hier vorerst nichts – auch wenn die CDU zuletzt in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Berlin ihre Widerstände koalitionshalber einstellte.

Der Anlauf für ein Paritätsgesetz, also die Verpflichtung zur Aufstellung paritätischer Listen, scheiterte in der Kommission ebenfalls. Es wurde im Abschlussbericht zwar mehrheitlich festgestellt, dass der Frauenanteil im Bundestag erhöht werden soll, aber ebenso, dass hinsichtlich des konkreten Handlungsbedarfs Uneinigkeit bestehe. Hier gibt es auch massive verfassungsrechtliche Zweifel, weshalb neben der Union und der AfD auch die FDP nicht mittut. 

Ich glaube nicht, dass die Verlängerung auf fünf Jahre kurzfristig realisierbar ist.

Ansgar Heveling, Justiziar der CDU/CSU-Fraktion

Und so ist es nun die längere Wahlperiode, die als einziges unumstrittenes Ergebnis der Kommissionsarbeit gelten kann. Es ist eine eher „stille Revolution“, die sich da gerade ereignet. Denn eine große Debatte fand und findet nicht statt. Es wirkt ein bisschen so, also ob sich das Parlament in großer Einmütigkeit (mit Ausnahme der AfD) an eine Entscheidung heranschleichen möchte, bei der man ansonsten eine größere öffentliche Diskussion erwarten könnte.

In der Kommission immerhin hat sie, bei geringer Beachtung in der Öffentlichkeit, stattgefunden, wie der Abschlussbericht zeigt. Verfassungsrechtlich ist die Verlängerung der Wahlperiode demnach unproblematisch, darin waren sich alle einig. „Ob eine Verlängerung der Dauer der Legislaturperiode auch politisch sinnvoll wäre, wurde unterschiedlich beurteilt“, heißt es im Bericht.

Ob eine Verlängerung der Dauer der Legislaturperiode auch politisch sinnvoll wäre, wurde unterschiedlich beurteilt.

Bericht der Wahlrechtskommission des Bundestages

Pro und contra

Als Pro-Argumente wurden von Mitgliedern der Kommission, zu denen neben Abgeordneten auch Juristen, Politikwissenschaftler und Mathematiker gehören, genannt, dass zu Beginn der Wahlperiode oft Monate für die Regierungsbildung vergehen, an deren Ende aber der Wahlkampf die Sacharbeit erschwere. Eine moderate Verlängerung könne daher die Effektivität des Bundestags steigern.

Das stärkste Contra-Argument: Eine längere Wahlperiode verringere den Einfluss der Wählerschaft. In den Ländern seien zum Ausgleich direktdemokratische Elemente wie Volksbegehren verbreitet. Auf Bundesebene aber fehlen sie. Zudem habe sich gezeigt, dass viele Vereinbarungen in Koalitionsverträgen recht zügig in der ersten Hälfte der Wahlperiode umgesetzt würden.

Das Pro aber schlug das Contra. Einer schnellen Änderung des Grundgesetzes zur Verlängerung stünde eigentlich nichts im Wege. Nun aber scheint sich die Unions-Fraktion zu zieren. Ansgar Heveling, deren Justiziar, hat in der Wahlrechtskommission zwar Zustimmung signalisiert. Aber in der Fraktion ist über das Thema noch nicht offiziell debattiert worden. Es gibt noch nicht einmal eine Stimmungslage, wie es heißt. Die Frage sei offen.

Nicht isoliert

Dem Tagesspiegel sagte Heveling nun: „Die Union steht zwar grundsätzlich positiv zur Verlängerung der Wahlperiode. Aber wir sehen keinen Anlass, dies nun isoliert von anderen wahlrechtlichen Fragen zu regeln. Insofern glaube ich nicht, dass die Verlängerung auf fünf Jahre kurzfristig realisierbar ist.“

Doch was wären die anderen wahlrechtlichen Fragen? Wählen ab 16 ist ebenso durch wie die Parität. Die Bündelung der Wahltermine von Bund und Ländern hat die Wahlrechtskommission verworfen. Bleibt die umstrittene Wahlrechtsreform der Ampel. Die Unions-Fraktion wird diese in Karlsruhe anfechten, ebenso die bayerische Staatsregierung.

Ein Umstand ärgert die Union besonders: die Abschaffung der Grundmandatsklausel. Künftig soll es nicht mehr möglich sein, dass eine Partei zwar bundesweit unter der Fünfprozentmarke bleibt, aber dank dreier gewonnener Direktmandate dennoch mit ihrem Zweitstimmenergebnis in den Bundestag einzieht. Die CSU hat das als Angriff auf sich und ganz Bayern gewertet, immerhin lag sie 2021 schon recht knapp an den fünf Prozent bundesweit.

Noch ließe sich das neue Ampel-Wahlgesetz ändern, bis Mitte 2024 wäre das problemlos möglich, dann beginnen die Vorbereitungen zur Wahl im Jahr darauf. Denkbar ist natürlich, dass die Union die Verlängerung der Wahlperiode nur ein bisschen hinter die Bayern-Landtagswahl im Oktober verschieben möchte. Denn unter Umständen wirkt das Zetern gegen das Ampel-Gesetz nicht ganz so glaubwürdig, wenn man gleichzeitig mal eben die Wahlperiode um ein Jahr verlängert.

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