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nKann die zweite Amtszeit planen: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

© picture alliance/dpa/Bundesregierung

Das Team hinter dem Präsidenten: Steinmeiers Schloss-Familie und die schwierige zweite Zeit

Die zweite Amtszeit dürfte die schwerere für den Präsidenten werden. Für neue Akzente soll ein Kreis Vertrauter sorgen - aber einige könnte er verlieren.

Dass es sich so gut fügt, ausgerechnet zu seinem 66. Geburtstag, konnte Frank-Walter Steinmeier nicht wissen. „Ich weiß, dass ich nicht von vornherein auf eine Mehrheit in der Bundesversammlung bauen kann“, sagte der Bundespräsident Ende Mai, als er verkündete, für eine zweite Amtszeit antreten zu wollen.

Im Nachhinein erweist sich der im kleinen Kreis entwickelte Schachzug als überaus klug, er spekulierte auf die Unsicherheiten durch die Bundestagswahl. Schließlich half ihm vor allem das Glück, dass ihm der SPD-Erfolg in die Hände spielte.

Und die Grünen schafften es nicht, das Thema in den Koalitionsverhandlungen dergestalt aufzurufen, dass sie das Amt selbst, und zwar mit einer Frau, besetzen können. Olaf Scholz verbat es sich, das Amt zur Verhandlungsmasse in den Ampel-Koalitionsverhandlungen zu machen.

Nun hat auch die Union mangels Erfolgsaussichten für eigene Kandidaten erklärt, Steinmeier bei der Bundesversammlung am 13. Februar erneut zu unterstützen, wie schon 2017.  „Gerade in diesen Zeiten braucht es an der Spitze unseres Staates eine glaubwürdige Stimme, die zusammenführt und nicht ausgrenzt“, sagt CDU-Chef Armin Laschet.

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Anfangs war er für sein großes Präsidentschaftsthema, Demokratie und gesellschaftlicher Zusammenhalt, belächelt bis verspottet worden. Einige tun das bis heute, als „Präsident der Phrasen“ bezeichnet ihn die „Neue Zürcher Zeitung“ in einem Kommentar.  "Neben einem stark ausgeprägten Hang zu Floskeln und Phrasen ist das, was Steinmeier inhaltlich sagt, auf eine Weise überraschungsfrei, dass es fast komisch wirkt. Wollte man eine Komödie über einen biederen Beamten drehen, der irrtümlich ins höchste Staatsamt purzelt und versucht, es irgendwie auszufüllen: Er wäre die Idealbesetzung“, urteilt der Leiter des Berliner NZZ-Büros.

Im Schloss Bellevue sind sie sich durchaus bewusst, dass es die größte Herausforderung wird, in der zweiten Amtszeit noch zu überraschen, genau solche Vorurteile zu entkräften - wenngleich das alte Großthema, das Ringen um den Wert der Demokratie, auch das neue werden dürfte. Die Corona-Proteste, die Radikalisierungen an den Rändern zeigen das.

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Das Schloss Bellevue, Sitz des Bundespräsidenten.

© imago/blickwinkel

Steinlein und Steinmeier: Ein bewährtes Tandem

Dafür baut Steinmeier auf ein Team, das inzwischen fast zu einer Art Schloss-Familie geworden ist, darunter langjährige Weggefährte. Aber einige sind gerade durch die neue Regierung auch zu Wackelkandidaten geworden. So  wird der Chef des Bundespräsidialamtes, Stephan Steinlein, für einen wichtigen Botschafterposten gehandelt. Steinlein, der ranghöchste Staatssekretär der Bundesrepublik, war 1989 nach der einzigen freien Wahl der letzte DDR-Botschafter in Paris, bevor er im Auswärtigen Amt Karriere machte und 1999 Pressereferent von Steinmeier und drei Jahre später sein Büroleiter im Bundeskanzleramt wurde. Seither arbeiten beide vertrauensvoll zusammen. Sie verbindet die Ablehnung von Inszenierung und stattdessen das Nachdenken, das Interesse am „großen Gespräch“, für wichtige Reden und Impulse werden immer wieder Wissenschaftler und Vordenker eingeladen. In der Corona-Zeit suchte man auch gezielt das Gespräch mit Genesenen, die über ihren harten Kampf gegen eine Covid-Erkrankung berichteten und junge Menschen schilderten ihre Long-Covid-Erscheinungen. Dazu wurden unterschiedliche Formate an neuen Bürgergesprächen entwickelt.

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Stephan Steinlein arbeitet seit über 20 Jahren für Steinmeier.

© Sören Stache/dpa

Von Schloss Bellevue in Habecks Klimaministerium

Verlieren wird Steinmeier in jedem Fall den Leiter des Referats Strategie und Planung/Grundsatzfragen der Digitalisierung, Peter Siller. Er war vor dem Wechsel ins Team Steinmeier Leiter der Inlandsabteilung der Heinrich-Böll-Stiftung, schrieb an Grünen-Programmen mit. Seine Berufung war auch ein Signal an die Grünen - er wechselt nun aber in das Klimaministerium von Robert Habeck.

Den Leiter der Inlandsabteilung, Oliver Schmolke, ein kluger Kopf und Stratege, kennt Steinmeier ebenfalls schon lange. Er war Leiter der Planungsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion, bevor er unter Sigmar Gabriel die Leitungs- und Planungsabteilung im Wirtschaftsministerium steuerte. In seinem Buch "Zur Freiheit" warb er bereits 2013 für eine Wiederbelebung des traditionellen Liberalismus, der FDP warf er in der Zeit einen rücksichtslosen, vulgärkapitalistischen Sozialdarwinismus vor; das Grundübel der letzten Jahre sei das Verschwinden des Begriffs der Freiheit hinter dem des Marktes gewesen. Schmolke füttert Steinmeier immer wieder auch mit Ideen, wie eine Demokratie unter Druck zusammengehalten werden kann.

Außenpolitik mit Augenmaß

Steinmeier ist zugleich auch in Bellevue seiner Leidenschaft für die Außenpolitik treu geblieben. Er hält weiter einen engen Draht zu Staats- und Regierungschefs, ist tief beunruhigt über das Auseinanderdriften in Europa - gerade der Jahrestag zum Sturm auf das Capitol in Washington und die anhaltenden innenpolitischen Spannungen in den USA zeigen, wie fragil gerade auch andere große westliche Demokratien geworden sind. Thomas Bagger leitet die Auslandsabteilung in Bellevue, sie kennen sich aus Steinmeiers Außenministerzeit. Der Sohn des früheren Bundeswehr-Generalinspekteurs Hartmut Bagger ist seit seiner Zeit  im Auswärtigen Amt - zuletzt als Chef des Planungsstabs - bestens vernetzt weltweit. Aber auch er wird nun unter anderem für einen Botschafterposten gehandelt. Bagger neigt wie Steinmeier zu einer nüchternen Bewertung des Einflusses Deutschlands, gemeinsam versuchen sie immer wieder Akzente zu setzen, ohne der Bundesregierung ins Handwerk zu pfuschen. So umwarb Steinmeier zuletzt besonders EU-skeptische Partner in Osteuropa und besuchte "blinde Flecken" in der deutschen Erinnerungskultur wie Babyn Jar in der Ukraine, wo die SS 1941 bei einem Massenmord über 33 000 Juden erschoss.

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Wolfgang Silbermann arbeitet als Redenschreiber für Steinmeier.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Ein Volkswirt als Redenschreiber

Ein Bundespräsident wirkt vor allem über seine Worte. Und hier kommt Wolfgang Silbermann eine Schlüsselrolle zu. Er leitet die Abteilung Strategische Kommunikation/Rede. Nach einem Studium in Oxford und Harvard arbeitete der Volkswirt für McKinsey, bevor er zusammen mit dem Steinmeier-Bekannten Markus Klimmer für die Kanzlerkandidatur-Kampagne Steinmeiers 2009 angeworben wurde. Mit gerade mal 23 Jahren, er ist ein Beispiel für Steinmeiers Blick für Talente. Danach blieb er in dessen Diensten, der mit einer Amerikanerin verheiratete Silbermann formt die Gedanken des Viellesers Steinmeier zu Worten.

Als eine der wichtigstem Reden wird intern die in Yad Vashem bezeichnet, 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz durfte er als erster Bundespräsident des Tätervolks in der zentralen israelischen Holocaust-Gedenkstätte reden und beschönigte nichts mit Blick auf den wieder zunehmenden Antisemitismus in Deutschland: "Es ist eine andere Zeit, aber dasselbe Böse". Innenpolitisch war ihm besonders auch die Rede zum 9. November 2018, dem 100. Jahrestag der Ausrufung der Republik wichtig, besonders akribisch setzte sich das Team auch mit dem schwierigen kolonialen Erbe im Vorfeld der Präsidenten-Rede zur Eröffnung des Humboldt-Forums auseinander.

Anna Engelke ist seit 2017 Sprecherin des Bundespräsidenten.

© Jens Müller/ARD-Hauptstadtstudio/dpa

Dafür, dass Steinmeier öffentlich gut „verkauft“ wird, ist bisher Anna Engelke zuständig. Die langjährige NDR-Hörfunkjournalistin, die auch fünf Jahre als Korrespondentin in Washington war, versteht es, die Besuche und Botschaften des Präsidenten gut in Szene zu setzen; nicht immer hat es Steinmeier leicht durchzudringen, dass seine Botschaften auch wahrgenommen werden. Engelke gehört wie auch Steinmeiers Büroleiterin Dörte Dinger zum engsten Beraterkreis. Alle in dem eingeschworenen Team eint die Erwartung, dass die zweite Amtszeit - gerade auch wegen des parteiübergreifenden Vertrauensvorschusses - die schwierigere werden wird. Das Team könnte, je nach Umfang der Abgänge, dann noch einmal neu aufgestellt werden, auch für frische Impulse. Bange scheint dem Bundespräsidenten jedenfalls bei allen Unwägbarkeiten nicht vor der weiteren Amtszeit zu sein. Einer, der Steinmeier eng begleitet, sagt: „Frank hat eine solche Lust an dem Amt gefunden, der hat noch einiges vor.“

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