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Wahlkampf: Steinmeier bezichtigt Guttenberg der Jobvernichtung

Arcandor als Wahlkampf-Futter: Nach dem Insolvenzantrag der Karstadt-Mutter hat SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier den Kurs von Wirtschaftsminister Guttenberg kritisiert. "Es kann doch nicht sein, dass der Arbeitsminister für Arbeit kämpft und der Wirtschaftsminister für Insolvenzen."

SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier versucht nach dem Debakel seiner Partei bei der Europawahl, die SPD aus der Krise zu bringen und nimmt die Insolvenz von Arcandor zum Anlass, Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) anzugreifen.

"In einer Regierung muss man an einem Strang ziehen", sagte Steinmeier der "Bild"-Zeitung. "Es kann doch nicht sein, dass der Arbeitsminister für Arbeit kämpft und der Wirtschaftsminister für Insolvenzen." Regierende, denen egal sei, was mit abertausenden Arbeitsplätzen passiere, sollten in ihrem Amtseid noch einmal nachlesen, was ihre Pflicht ist, nämlich Schaden vom deutschen Volke abzuwenden, so Steinmeier. Auch Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) warf Guttenberg im NDR vor, "ohne Not von Anfang an die Insolvenz ungefragt im Munde" geführt zu haben. Dies sei nicht nur Verhandlungstaktik, sondern eine inakzeptable Herangehensweise.

Kurz vor dem Auslaufen lebenswichtiger Darlehen hatte Arcandor am Dienstag für sich und die Töchter Karstadt, Primondo und Quelle Insolvenzanträge gestellt. Zuvor waren mehrere Versuche, staatliche Hilfe zu erhalten, gescheitert. Davon betroffen sind etwa 43.000 Mitarbeiter, die nun Insolvenzgeld erhalten. Steinmeier hatte sich stets gegen eine Insolvenz ausgesprochen.

Merkel und Guttenberg verteidigen Entscheidung

Wie zuvor schon Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte auch Guttenberg erneut die Entscheidung, Arcandor keine staatliche Hilfe zu gewähren. "Wenn Eigentümer und Gläubiger nicht bereit sind, Risiken zu übernehmen, kann man diese doch nicht dem Steuerzahler aufbürden", sagte Guttenberg.

Im Übrigen sei eine Insolvenz nicht das Ende aller Dinge, sondern könne den Boden für einen erfolgreichen Neuanfang bereiten. Dem Bericht zufolge will der Wirtschaftsminister sich am Mittwoch mit Arbeitnehmervertretern des Arcandor-Konzerns treffen, um über die Rettung von Arbeitsplätzen beim insolventen Unternehmen zu beraten.

Metro-Chef: "Wir wollen einen starken Kaufhauskonzern bauen."

Baldmöglichst sollen die von dem Handelskonzern Metro angestrebten Verhandlungen über eine Fusion von Karstadt und Kaufhof zu einer neuen Deutschen Warenhaus AG weitergeführt werden. Metro-Chef Eckhard Cordes bekräftigte das Interesse seines Konzerns an den zu Arcandor gehörenden Karstadt-Warenhäusern. "Wir wollen einen starken Kaufhauskonzern bauen." Er wolle dies kurz- und mittelfristig schaffen, und nicht nur das: "Ich glaube sogar, und da bin ich jetzt ganz tollkühn, dass es die Möglichkeit geben könnte, ein solches neues Unternehmen an die Börse zu bringen", betonte der Metro-Chef.

Nach der geplanten Zusammenlegung sollten von den dann insgesamt gut 200 Warenhäusern etwa 160 erhalten bleiben. Die anderen will Cordes schließen. 5000 Arbeitsplätze sollen nach Angaben von Metro dadurch wegfallen. Der Beschäftigungspakt, den Arcandor mit 32.000 Beschäftigen abgeschlossen hat, dürfte mit der Insolvenz hinfällig geworden sein.

Zugleich zeigte Cordes sich zuversichtlich, dass es keine kartellrechtlichen Bedenken gegen die Fusion geben sollte. Er habe dazu bereits Vorgespräche geführt.

Nach Ansicht von Hans Haarmeyer von der Fachhochschule Koblenz dürfte sich die Position von Metro mit der Insolvenz deutlich verbessern: "Cordes kann die Bedingungen dann weitgehend diktieren", sagte der Insolvenzexperte. Die Metro könne sich die wertvollsten Filialen hinauspicken und die restlichen Häuser mit ihren Schulden in der Insolvenzmasse belassen. Ähnliche strategische Vorteile hätte auch der Hamburger Otto-Versand.

Wie das "Handelsblatt" aus Kreisen zweier beteiligter Investmentbanken erfuhr, prüft Cordes bereits den Weiterverkauf dieser Warenhaus AG an einen ausländischen Käufer. Als Interessent wird dabei der italienische Warenhaus-Unternehmer Maurizio Borletti genannt, der von einem nicht genannten Finanzinvestor unterstützt werden soll.

Tiefensee: Insolvenz als Chance nutzen

Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) appellierte an die künftigen Betreiber der Warenhäuser, die Insolvenz als Chance zu nutzen. "Jedes Haus verdient eine Chance, jede Stadt braucht Unterstützung", sagte er der "Leipziger Volkszeitung". Er wolle dazu nach besten Kräften mit flankierender städtebaulicher Förderung einen Beitrag leisten.

Der Deutsche Städtetag hofft, dass trotz des Insolvenzantrags "möglichst viele der Kaufhäuser erhalten bleiben und Arbeitsplätze in einem sehr großen Umfang gerettet werden können". Wie Städtetagspräsidentin Petra Roth der "Passauer Neuen Presse" sagte, haben die mehr als 70 betroffenen Städte "ein starkes Interesse an Lösungen für die Beschäftigten und daran, dass die Warenhäuser auch unter veränderten Vorzeichen weiter zu attraktiven Innenstädten beitragen können".

DGB-Chef Michael Sommer untermauerte seine Forderung nach staatlicher Unterstützung für schwächelnde Unternehmen. "Ich hoffe, dass jetzt im Insolvenzverfahren der Staat die notwendigen Hilfen gibt", sagte Sommer in der ARD. Es gehe darum, die Arbeitsplätze von zehntausenden Menschen zu retten. Dabei dürften keine Unterschiede zwischen Banken und Unternehmen gemacht werden.

Die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Margret Mönig-Raane verteidigte die Strategie des früheren Arcandor-Vorstandschefs Thomas Middelhoff. Es habe riesige Bankschulden mit teilweise zweistelligen Zinsraten gegeben, sagte Mönig-Raane, die auch im Arcandor-Aufsichtsrat sitzt, im Deutschlandradio Kultur. Die Hälfte der Immobilien zu verkaufen, um diese Schulden zu bezahlen und wieder investieren zu können, sei eine gute Lösung gewesen. Middelhoff hatte den Konzern im März verlassen. Für das Geschäftsjahr 2007/08 hatte er einen Verlust von mehr als 700 Millionen Euro zu verantworten.

Großaktionärin Madeleine Schickedanz bedauerte die Insolvenz. Zugleich wies sie indirekt jede Verantwortung zurück. "Ich habe mich mit meinem gesamten Vermögen engagiert und damit nach landläufiger Auffassung weit über jedes vertretbare Maß ins Risiko begeben", betonte sie am Dienstag in einer persönlichen Erklärung.

ZEIT ONLINE, tst, dpa, Reuters

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