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Wolfgang Schäuble gilt als aussichtsreicher Kandidat für den Posten des Eurogruppen-Vorsitzes.

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Eurogruppen-Vorsitz: SPD fordert Verzicht auf EU-Topjob für Schäuble

Die SPD hält den Posten des Eurogruppenchefs für einflusslos. Deshalb sollte Merkel ihn nicht für Schäuble beanspruchen. Wichtiger sei die Führung einer anderen EU-Behörde. Doch dort zeichnen sich schon Probleme ab.

Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aufgefordert, ihren Anspruch auf die Besetzung des Eurogruppen-Vorsitzes  aufzugeben und sich stattdessen dafür einzusetzen, dass der neue Euro-Rettungsfonds ESM künftig von einem Deutschen geführt wird. „Wichtig ist, dass sich Deutschland bei der Personalie des geschäftsführenden Direktors des ESM durchsetzt“, sagte Schneider Handelsblatt Online.  Der Chef des provisorischen Euro-Rettungsschirms EFSF, Klaus Regling, mache einen guten Job und habe sich damit für die neue Position qualifiziert. „Bevor Frau Merkel auf dem prestigeträchtigen, aber einflusslosen Eurogruppenvorsitz für Herrn Schäuble besteht, nur um die Chancen für eine Mehrheit in ihren eigenen Reihen zum ESM zu sichern, sollte sie besser Herrn Regling unterstützen.“

Der derzeitige Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker erwartet eine Entscheidung über seinen Nachfolger erst Ende Juni. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gilt als Favorit. Ende Juni findet in Brüssel ein EU-Gipfel statt, auf dem die Personalie entschieden werden könnte. Juncker will den Eurogruppen-Vorsitz nach sieben Jahren wegen der hohen Arbeitsbelastung abgeben.

Schäuble hatte bereits seine Bereitschaft zur Führung des wichtigsten Gremiums der Währungsunion erklärt. Wenn er Eurogruppen-Chef wird, ist für weitere Deutsche in dem Besetzungsreigen wahrscheinlich kein Platz mehr.

Regling muss womöglich einer Spanierin weichen. Nach Handelsblatt-Informationen soll die spanische Spitzenbeamtin  Belèn Romana Garcia Chefin des ESM werden. Spanien müsste dafür entschädigt werden, nicht mehr im EZB-Direktorium vertreten zu sein. Denn als Sachwalter der täglichen Arbeit der Zentralbank hat der Luxemburger Notenbankchef Yves Mersch die besten Chancen - das aber auch erst, seit klar ist, dass sein Landsmann Juncker aus der Eurogruppe ausscheidet.

Derweil zeichnen sich Probleme bei der Inkraftsetzung des ESM ab. SPD-Haushälter Schneider forderte Finanzminister Schäuble auf, die Funktionsfähigkeit des Fonds sicherzustellen. Hintergrund ist ein Gutachten der Unternehmensberatung A.T. Kerney. Darin werden deutliche Zweifel geäußert, ob der bis zu 500 Milliarden Euro schwere Fonds dauerhaft mit nur 75 Mitarbeitern geführt werden kann.  So wiesen die Gutachter unter anderem darauf hin, dass die ESM-Bilanz um die Hälfte größer sein werde als die der weltgrößten Staatsfonds von Norwegen und Abu Dhabi, die Behörde aber dennoch nur über einen Bruchteil ihrer Mitarbeiter verfüge.

Schneider sagte dazu, zwar sei der ESM kein Investmentfonds. Das Bundesfinanzministerium sei aber „gefordert, den Aufbau des ESM so mitzusteuern, dass er seinen Aufgaben gerecht werden kann“. Bei der Errichtung des ESM könne überdies auf den Erfahrungen und Möglichkeiten des EFSF aufgebaut werden, der über die gleichen Instrumente wie der ESM verfüge. Bei der Ausstattung des ESM habe allerdings auch der Deutsche Bundestag „ein wichtiges Wort“ mitzureden, betonte der SPD-Politiker.

Wie Schneider sieht auch FDP-Fraktionsvize Volker Wissing das Finanzministerium in der Pflicht, einzugreifen, sollte das vorgesehene Personal für den ESM nicht ausreichend sein. „Sollte sich das als zutreffend erweisen, muss das Personal aufgestockt werden“, sagte Wissing Handelsblatt Online. Er machte aber zugleich deutlich, dass man klar trennen müsse zwischen operativen Problemen, die auch im operativen Betrieb gelöst werden können und strukturellen problemen, die weit gravierender wären. „Auf den ESM zu verzichten, weil eine Unternehmensberatung dessen Personalausstattung für nicht ausreichend hält, ist nicht überzeugend“, sagte Wissing.

Die Unternehmensberatung A.T. Kearney unterstützt den EFSF-Chef Regling beim Aufbau des ESM. In ihrem Gutachten zur Bewertung von Reglings ESM-Personalkonzept schreiben die Experten: "Als auf dem Markt tätiges Unternehmen dürfen wir anmerken, dass die derzeit genehmigte Größe des Teams möglicherweise zu klein ist, um wirksam arbeiten zu können, wenn sich die gegenwärtige Krise noch über mehrere Jahre hinziehen sollte." Der ESM werde über ein Kapital verfügen, das dem der weltweit größten Banken entspreche und doppelt so groß sei wie die niederländische APG-Gruppe - die größte Pensionskasse in Europa -, die in ihrer Abteilung Finanzen 700 Leute beschäftige.

Der ESM soll kriselnde Euro-Länder mit bis zu 500 Milliarden Euro unterstützen können, unter anderem durch direkte Kredite oder den Kauf von Staatsanleihen. Dazu wird der ESM von den Euro-Staaten schrittweise mit einem Eigenkapital von 80 Milliarden Euro ausgestattet. Die Kapitalbasis ermöglicht es dem ESM, selbst am Markt die Mittel aufzunehmen, die er braucht.

Weil sich die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone am 9. Dezember 2011 darauf verständigt haben, den ESM um ein Jahr vorzuziehen, um die Finanzmärkte zu beruhigen, muss Regling in Windeseile eine funktionsfähige Arbeitsstruktur aufbauen und ein Team aus hoch qualifizierten Experten zusammenstellen. Würde die Darlehenskapazität des ESM ausgeschöpft, würde rechnerisch jeder der 75 Mitarbeiter Verantwortung für 6,6 Milliarden Euro tragen, heißt es in Reglings Personal-Konzept: "Dies ist ein im Bereich der Finanzdienstleistungen einmaliges Verhältnis." In der privaten Anlagenverwaltung liegt das Pro-Kopf-Verhältnis etwa bei 300 bis 400 Millionen Euro der Gesamtbilanz. In Nicht-Krisen-Zeiten soll die ESM-Belegschaft auf 45 reduziert werden.

In Regierungskreisen hieß es, es sei bekannt, dass der EFSF eine Einschätzung von A.T Kearney erbeten habe. "Daraus lässt sich jedoch in keiner Weise der Schluss ziehen, die aktuelle Personalausstattung oder gar die Funktionsfähigkeit des ESM zu bezweifeln." Allerdings wurde in den Kreisen ergänzt, dass die finale Ausstattung des ESM letztendlich im Laufe seiner Existenz kontrolliert und überprüft werden müsse. Dies sei jedoch hier und heute keine Frage der Diskussion, hieß es.

Aus Sicht des haushaltspolitischen Sprechers der Unions-Fraktion, Norbert Barthle, ist die Personaldecke des ESM nicht zu kurz. "Bisher gab es keine Probleme mit der Abwicklung der Programme im EFSF, warum also sollte der ESM nicht funktionieren", sagte er: "Nothilfeprogramme kann man nicht mit Kreditgeschäft gleichsetzen." Die Etat-Expertin der Grünen, Priska Hinz, sagte, wenn sich zeige, dass der ESM eines Tages mehr Personal brauche, sollte hier wegen seiner großen Verantwortung nicht gespart werden.

Zurzeit läuft in den Euro-Staaten die Ratifizierung des ESM-Vertrags. Finanzminister Wolfgang Schäuble hat den ESM als "wichtigsten Baustein zur Überwindung der Krise" bezeichnet. Deutschland übernimmt eine Gesamthaftung von 190 Milliarden Euro. Davon werden 22 Milliarden in den Kapitalstock eingezahlt, 168 Milliarden Euro müssen bei Bedarf nachgeschossen werden. Wann der Bundestag abstimmt, ist noch offen. Die Regierung will den ESM gemeinsam mit dem Fiskalpakt verabschieden, der für mehr Haushaltsdisziplin in der Euro-Zone sorgen soll. Die Opposition will allerdings zusätzlich eine Wachstumsstrategie vereinbaren.

(mit Reuters)

Zuerst erschienen bei Handelsblatt Online

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