zum Hauptinhalt
Vollführt in der Iran-Frage einen Balance-Akt: US-Präsident Barack Obama.

© dpa

Teherans Atomprogramm: Spaltet der Iran die Welt?

Die Zeit wird knapp: Am 24. November soll der jahrelange Streit um Irans Atomprogramm beigelegt werden. Die Staatengemeinschaft will mit einem Abkommen verhindern, dass das Land Nuklearwaffen bauen kann. Wer vertritt welche Positionen? Ein Überblick.

BARACK OBAMA
Der US-Präsident hat vor kurzem zwei Briefe geschrieben. Der erste ging an Ali Chamenei. Der religiöse Führer des Iran möge doch die Chance ergreifen, bis zum 24. November einen gemeinsamen Beschluss zum Atomprogramm zu erzielen. Amerika und der Iran hätten im Kampf gegen den "Islamischen Staat" ja gemeinsame Interessen. Der zweite Brief ging an den Kongress. Darin verspricht Barack Obama Senatoren und Abgeordneten, den am 14. November 1979 nach der Erstürmung der US-Botschaft in Teheran angeordneten nationalen Notstand in Bezug auf den Iran auch in diesem Jahr zu verlängern, "weil unsere Beziehungen mit dem Iran noch nicht wieder zu einem normalen Stand zurückgekehrt sind". Es ist ein Balanceakt, den Obama zwischen den Mullahs und den scharfen Iran-Skeptikern im eigenen Land vollführt.

Noch ist nicht abzusehen, ob er dem US-Präsidenten glückt. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte er versprochen, mit den Feinden Amerikas zu reden – statt wie sein Vorgänger George W. Bush im Zweifel einzumarschieren. Leicht macht es die Welt dem US-Präsidenten nicht, dieses Versprechen zu halten. Obamas außenpolitisches Vermächtnis ist angesichts des syrischen Desasters kaum zu retten.

Aber eine Einigung über die zivile Beschränkung von Irans Nuklearprogramm könnte Obama doch noch zu einem historischen Erfolg verhelfen. Angesichts der angespannten Situation brüten Obamas Berater offenbar über einem Plan, den sowohl die Vereinigten Staaten als auch der Iran mittragen könnten: Teheran soll die Leitungen entfernen, die seine Zentrifugen verbinden, in denen Uran angereichert wird.

So könnte der Iran einer zentralen Forderung nicht nur der USA nachkommen: seine Anreicherungskapazitäten zu stoppen. Und das, ohne die eigentlichen Maschinen zu entfernen. Barack Obama muss dafür jedoch nicht nur Ali Chamenei überzeugen. Der Widerstand gegen einen Deal ist im eigenen Land so groß wie das Vertrauen in den Iran klein ist.

Die Skeptiker im Kongress fordern neue Sanktionen, um den Druck auf den Iran zu erhöhen. Reuel Gerecht und Mark Dubowitz von der "Foundation for Defense of Democracies" präferieren im "Wall Street Journal" sogar einen Angriff auf den syrischen Diktator Baschar al Assad. Den wichtigsten Verbündeten Teherans in der Region aus dem Spiel zu nehmen, demonstriere glaubwürdige Stärke in den Verhandlungen. Barbara Junge

Hardliner oder Reformer? Der iranische Präsident Hassan Ruhani.

© dpa

HASSAN RUHANI
Er war angetreten als Präsident der sanften Veränderungen, gefeiert vom Westen als Reformer, der er eigentlich nie war. Hassan Ruhani, Präsident des Iran, ist ein Geistlicher. Ein moderater zwar, aber doch ein Mann der ersten Stunde während der islamischen Revolution 1979. Sein Wahlprogramm ließ hoffen: Lockerung der Zensur, Einführung einer Bürgerrechts-Charta und Ausbau der Frauenrechte. Vor allem aber schien er grundsätzlich bereit, das iranische Atomprogramm dem wirtschaftlichen Aufschwung des Landes unterzuordnen. Noch 2006 hatte Ruhani Irans Streben nach der Bombe für sinnlos erklärt: „Ein mit Atomwaffen ausgerüsteter Iran würde die Region destabilisieren (...) und die spärlichen Ressourcen verschwenden“, schrieb er in einem Beitrag für das "Time"-Magazin. Auch kurz nach Amtsantritt machte er Hoffnung: "Es ist schön, wenn die Atomanlage Natanz läuft – aber noch schöner, wenn auch andere Fabriken laufen." Nun, ein gutes Jahr später in der letzten Phase der aktuellen Verhandlungsrunde, scheint sich zu bestätigen, was auch Henner Fürtig, Iran-Kenner und Direktor des Giga-Instituts für Nahost-Studien, befürchtet hatte: "Form und Stil werden sich ändern, Inhalte weniger", sagte Fürtig. Denn Ruhani ist Präsident von Gnaden des iranischen Wächterrats und in der Verfassung nur Nummer zwei im Staat hinter dem radikal-konservativen "Revolutionsführer" Ali Chamenei. Vor dem Ende der Verhandlungen am 24. November hat Ruhani die Hoffnungen auf eine Einigung bereits gedämpft: "Man kann nicht alle Differenzen der vergangenen zwölf Jahre auf einmal lösen", sagte er der Agentur ISNA. Bedeutet: Selbst wenn Ruhani gewillt sein sollte, substanzielle Zugeständnisse zu machen, würde ihm das iranische Establishment das niemals durchgehen lassen. Sidney Gennies

Sitzt nicht mit am Verhandlungstisch: Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

© dpa

BENJAMIN NETANJAHU

Er sitzt nicht mit am Verhandlungstisch, ist aber allgegenwärtig. Und Benjamin Netanjahu mobilisiert alle Kräfte, damit Israels Interessen bei den Gesprächen gebührend beachtet werden. Denn der Premier hat eine Mission: Er will verhindern, dass der Iran zur Nuklearmacht wird. Weil dies seiner Überzeugung nach eine existenzielle Bedrohung für den jüdischen Staat bedeuten würde.

Immer wieder verweist Netanjahu auf die Hasstiraden gegen Israel, die aus Teheran kommen. In der Tat vergeht kaum ein Tag ohne heftige verbale Attacken gegen das "zionistische Gebilde". Erst vor wenigen Tagen hetzte Revolutionsführer Ali Chamenei via Twitter gegen Israel und veröffentlichte einen Plan für die Auslöschung des Landes.

Derartige Drohungen nimmt Netanjahu ernst, ebenso wie viele Israelis. Für sie steht außer Frage, dass man dem Iran keinesfalls ermöglichen darf, eine Atombombe zu bauen. Auch den beschwichtigenden Worten von Präsident Hassan Ruhani schenkt Netanjahu keinen Glauben. Er hält den immer mild lächelnden, sich moderat gebenden Staatschef der Islamischen Republik vielmehr für einen Wolf im Schafspelz. Einen, der dem Westen ins Ohr säuselt, tatsächlich aber knallhart die Interessen der Mullahs verficht. Mehrfach hat Netanjahu daher versucht, eine Annäherung zwischen den USA und dem Iran zu hintertreiben – weitgehend erfolglos.

Da eine Einigung im Atomstreit womöglich nicht mehr zu verhindern ist, drängt der Likud-Politiker auf umfassende Sicherheitsgarantien für den jüdischen Staat. Auch weil er weiß: Ein militärisches Vorgehen gegen Irans Atomprogramm ist keine Option. Israels Armeechefs sind dagegen, ebenso wie die Amerikaner. Keiner will dieses unkalkulierbare Risiko eingehen. Der 24. November könnte somit zu Netanjahus größter Niederlage werden. Sollten die Gespräche allerdings scheitern, wäre es für ihn ein persönlicher Triumph. Christian Böhme

Sucht die Nähe zu Teheran: Wladimir Putin.

© dpa

WLADIMIR PUTIN
Der Iran, so formuliert es jüngst ein russischer Diplomat, sei derzeit "eine der am stärksten unterbewerteten Aktien der globalen Politik". Fallen die Sanktionen gegen Teheran, werde der Kurs nach oben schnellen. Gemeinsam könnten Moskau und Teheran ihren Einfluss im Nahen und vor allem im Mittleren Osten erheblich ausbauen. Zum Beispiel durch effektives Krisenmanagement in Syrien, im Irak und vor allem in Afghanistan, das bis weit ins 18. Jahrhundert Teil des Iran war und sich diesem sprachlich und kulturell weiterhin verbunden fühlt. Auch bei der Beilegung schwelender Konflikte im Südkaukasus und in Zentralasien würde Kremlchef Wladimir Putin lieber mit dem Iran als mit dem Nato-Mitglied Türkei kooperieren. Und dann gibt es noch erhebliche wirtschaftliche Interessen. Russische Unternehmen würden durch das Iran-Geschäft wieder satte Gewinne einfahren und mit ihren Abgaben auch die Staatsfinanzen stabilisieren. Moskau, das inzwischen im Zuge der Ukraine-Krise mittlerweile selbst schmerzhafte Erfahrungen mit Isolation und Embargo gemacht hat, möchte beides möglichst schnell ändern. Darauf drängt vor allem die Rüstungsindustrie. Durch die auch von Putin – zähneknirschend – mitgetragenen Sanktionen platzte ein Milliardenvertrag für die Lieferung moderner Luftabwehrraketen. Auch die Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie leidet. Noch vor der entscheidenden Verhandlungsrunde unterzeichneten Teheran und Moskau jetzt einen Vertrag über die Lieferung von zwei weiteren Reaktoren für das von Russland fertiggestellte iranische Kernkraftwerk Buschehr – und eine Absichtserklärung zum Bau neuer Meiler. Dazu kommen ambitionierte gemeinsame Verkehrsprojekte. Doch noch ist fraglich, ob Russland gegen die ebenfalls schon startklare Konkurrenz aus den westlichen Staaten bestehen kann. Und ob Teheran bei der Teilung der öl- und gasreichen Kaspi-See oder in regionalen Bündnissen an einem Strang mit Moskau und Peking zieht, ist trotz deren Engagements für die Aufhebung der Sanktionen auch alles andere als sicher. Elke Windisch

Setzt sich für eine Verhandlungslösung ein: Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier.

© dpa

FRANK-WALTER STEINMEIER
Die deutsche Außenpolitik hat sich gemeinsam mit europäischen Partnern auch in solchen Zeiten auf eine Verhandlungslösung eingesetzt, in denen die USA daran wenig Interesse zeigten. Obwohl Deutschland ein traditionell starker Handelspartner Irans ist, verhängte die Bundesregierung mit anderen EU-Staaten Sanktionen und ermöglichte so eine einheitliche Haltung. Wegen seiner aktiven diplomatischen Rolle und seiner politischen Bedeutung gehört Deutschland seit acht Jahren zu der Staatengruppe, die mit Teheran verhandelt, obwohl es im Gegensatz zu den USA, Großbritannien, Frankreich, Russland und China kein ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat ist.

Europäische und deutsche Diplomaten hätten einen direkten Zugang zum Iran und kontinuierlich den Dialog gepflegt, urteilte kürzlich der Politikwissenschaftler Behrooz Abdolvand. Die deutsche und europäische Diplomatie habe deshalb "wie ein Katalysator für die Verhandlungen gewirkt". Es sei vor allem ihr Verdienst, dass es 2013 zu der provisorischen Abmachung gekommen sei, die nun als Basis dient.

Die Verhinderung der atomaren Aufrüstung des Iran und der gesamten Region ist für Berlin Ansporn genug für das eigene Engagement. Seit dem Vorrücken des "Islamischen Staats" (IS) kommt die Hoffnung hinzu, dass Teheran nach einem Abkommen und dem Ende der Sanktionen eine konstruktivere Nachbarschaftspolitik verfolgen könnte.

Nach Berliner Lesart ist der Kampf gegen den IS nur zu gewinnen, wenn die alten Gegner Iran und Saudi-Arabien ihren Einfluss so nutzen, dass sie die Region stabilisieren. Die problematischen Seiten des Regimes werden dabei nicht ausgeklammert. "Der Iran ist ein Teil des Problems, aber auch ein Teil der Lösung", lautet die Formel im Auswärtigen Amt. Hans Monath

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false