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Der Etat 2020 ist durch - Bundesfinanzminister Olaf Scholz und die Koalition haben die Basis für das kommende Jahr gelegt.

© imago images / photothek

Bundeshaushalt 2020 mit schwarzer Null: Solides Gerüst – oder Wette auf die Zukunft?

Dank Niedrigzins und Rücklagen schafft die Koalition einen ausgeglichenen Etat für 2020. Die Opposition glaubt nicht, dass es so noch lange gutgeht.

Um kurz nach fünf Uhr am Freitagmorgen, nach fünfzehn Stunden im Sitzungssaal 2.400 des Paul-Löbe-Hauses, hat der Haushaltsauschuss des Bundestags den letzten Haken gesetzt: Der Bundesetat für 2020 steht. Dass es so lange dauerte, lag an der stolzen Zahl von mehr als 1800 Änderungsanträgen – ein Drittel davon von den Freien Demokraten, die mittels großer, kleiner und kleinster Mittelkürzungen nachweisen wollten, dass die sofortige Abschaffung des Solidaritätszuschlags (mit einer Mindereinnahme von knapp 20 Milliarden Euro) eigentlich nur ein Klacks wäre. Natürlich fand keiner der exakt 598 FDP-Kürzungswünsche eine Mehrheit.

Das gesamte Parlament wird den neuen Etat Ende November beschließen. 362 Milliarden Euro wird der Bund im kommenden Jahr ausgeben können. Neue Schulden muss die Koalition nicht machen, es bleibt bei der schwarzen Null, die mittlerweile nicht nur von den Oppositionsparteien, sondern auch von Arbeitgebern und Gewerkschaften in seltener Eintracht kritisiert wird. Es soll mehr investiert werden – und dafür sollen neue Schulden gemacht werden, so die Forderung.

Mehr Investitionen – die nicht alle ankommen

Ein bisschen sind die Koalitionsfraktionen dem Druck auch entgegengekommen. Gegenüber dem Etatentwurf wurden die Investitionen um 1,2 Milliarden auf jetzt fast 43 Milliarden Euro erhöht. Aber das Kernproblem der staatlichen Investitionspolitik wird wohl auch das Jahr 2020 begleiten: Die Mittel fließen nicht im erwünschten Maß ab. Es bleibt Geld liegen im Etat.

Allein im Energie- und Klimafonds, dem Hauptfinanzierungsvehikel der schwarz-roten Klimapolitik, wird sich das 2019 wohl auf 1,2 Milliarden Euro summieren. Auf 20 bis 30 Prozent beziffert der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke die Ausgabenreste in den Investitionsetats.

Kein Wunder also, dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und die Koalition schon jetzt damit planen: 4,9 Milliarden Euro stehen als so genannte globale Minderausgabe im neuen Haushalt, womit die Erwartung verbunden ist, dass Haushaltsmittel mindestens in dieser Höhe nicht ausgegeben werden können.

Und hier tut sich der große Widerspruch auf. Einerseits steht die Forderung nach einem „Ende des Dogmas der schwarzen Null“ im Raum (so die Haushaltspolitiker Gesine Loetzsch von der Linken und Sven-Christian Kindler von den Grünen), verbunden mit dem Wiedereinstieg in eine schuldenfinanzierte Investitionspolitik.

Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, warum es notwendig ist, wenn das ohne Schulden mögliche Investitionsvolumen gar nicht ausgeschöpft werden kann. Loetzsch, Fricke und Kindler werfen der Regierung vor, ihre Ausgabenprogramme seien einerseits zu bürokratisch, andererseits gebe es zu wenig Anreiz für die einzelnen Ministerien, das verfügbare Geld aktiver unter die Leute zu bringen.

Die schwarze Null – schon dahin?

Zudem sei der Haushalt 2020 nicht mehr so solide gezimmert, wie die Koalition es vorgebe, kritisieren die Oppositionsparteien. Eigentlich sei die schwarze Null schon dahin, wie Kindler es formuliert. Denn aus den (gegenüber den bisherigen Erwartungen leicht niedrigeren) Einnahmen des kommenden Jahres lassen sich die im Vergleich zum laufenden Jahr um 1,6 Prozent höheren Ausgaben eigentlich gar nicht decken.

Was Scholz & Co. geholfen hat, ist einerseits die mit den Jahren aus den Überschüssen angesammelte Rücklage. Mit dem Überschuss von 2019, der wohl noch auf zehn Milliarden Euro anwachsen kann, steigt sie laut Fricke auf 42 Milliarden Euro. Davon hat der Finanzminister zur Deckung des nächstjährigen Etats gut zehn Milliarden abgezweigt.

Dazu kommen geringere Zinskosten, weil der Bund immer weniger ans eine Gläubiger zahlen muss (der Durchschnittszins aller Bundesanleihen beträgt nur noch etwa 1,3 Prozent). All das zusammen – Anzapfen der Rücklage, nochmals geringere Zinskosten, globale Minderausgabe – hat den Etatausgleich relativ mühelos gelingen lassen.

Risiken: Rezession und Verfassungsklagen

Ob das nun solide ist oder nicht, darüber lässt sich streiten. Und 2020 jedenfalls kommt die Koalition damit wohl gut über die Runden. Kindler, Loetzsch und Fricke sehen die echten Risiken denn auch eher ab 2021 auf die Regierung zukommen. Denn was ist, wenn die in diesem Jahr knapp vermiedene Rezession doch noch kommt?

Was wäre, wenn das Bundesverfassungsgericht den erwartbaren Klagen gegen den Solidaritätszuschlag entspricht, die sich gegen die nur teilweise Abschaffung erst ab 2021 wenden werden? Was wird sein, wenn alle Rücklagen aufgefressen sind? Was freilich auch erst in zwei, drei Jahren der Fall sein dürfte. Und ein geringer Leitzins im Euroraum wird es dem Finanzminister wohl noch jahrelang erlauben, den Posten für die Zinsausgaben niedriger anzusetzen. Kindler sagt, die Koalition hoffe auf eine gute Konjunktur im kommenden Jahr.

„Es ist eine Wette auf die Zukunft.“ Das sagt die Opposition freilich schon länger. Die Wette hat Schwarz-Rot seit Jahren aber regelmäßig gewonnen. Und auch nach dieser Schlussrunde im Ausschuss stellen die beiden Chef-Haushälter der Koalition, Johannes Kahrs (SPD) und Eckhardt Rehberg (CDU), lapidar fest: "Deutschland hat kein Finanzierungsproblem."

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