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An der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien sind bei Zusammenstößen zwischen Flüchtlingen und der mazedonischen Polizei am Freitag mindestens fünf Flüchtlinge leicht verletzt worden.

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Mazedonien: Soldaten setzen Blendgranaten gegen Flüchtlinge ein

Mazedonien hat wegen des Flüchtlingsstroms den Ausnahmezustand verhängt, an der griechischen Grenze versuchen täglich hunderte, einen Zug Richtung Serbien zu bekommen. Es gibt in dem kleinen Balkanstaat immer mehr verletzte Notleidende.

Der Geschäftsmann aus Aleppo kann sich genau erinnern, was passiert ist, als er nach Mazedonien kam. „Die Polizei hat ihre Stöcke benutzt, um uns in eine Richtung zu treiben, die haben einige Leute sehr stark geschlagen“, erzählt Nabeel al-Shwaykh über seine Ankunft in Gevgelija an der griechischen Grenze, wo hunderte Flüchtlinge täglich versuchen, einen Zug in Richtung Serbien zu bekommen. „Wir dachten, dass wir Papiere bekommen werden, wenn wir nach Mazedonien kommen, aber es gab gar nichts. Die Polizei wollte nur, dass wir rasch zum Zug gehen.“ Viele Flüchtlinge, die durch Mazedonien durchgefahren sind, erzählen alle dasselbe.

Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen berichten, dass sie am Freitagmorgen an der griechisch-mazedonischen Grenze zehn Flüchtlinge behandelt haben, die durch Blendgranaten mazedonischer Sicherheitskräfte verletzt worden sein sollen. Seit Donnerstag seien 100 Flüchtlinge wegen Erkrankungen und Erschöpfung behandelt worden, so viele Notleidende mussten seit dem Start einer mobilen Klinik im April dieses Jahres in so kurzer Zeit noch nicht behandelt werden.

Wegen des starken Flüchtlingsandrangs hatte Mazedonien am Donnerstag den Ausnahmezustand ausgerufen und den Einsatz von Soldaten an seiner Grenze zu Griechenland vorbereitet. Die „massiven illegalen Grenzübertritte“ machten eine „größere Kontrolle erforderlich“, erklärte die Regierung.

Im Niemandsland zwischen Mazedonien und Griechenland sitzen zurzeit mehr als 3000 Flüchtlinge fest.

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Mittlerweile dürfen die Flüchtlinge, wenn sie Mazedonien durchqueren, immerhin die Züge benutzen – das war noch vor ein paar Wochen anders. Damals kamen einige Flüchtlinge auf der Route ums Leben, weil sie auf den Gleisen gehend von Zügen erfasst wurden. Seit Juni dürfen sie nun 72 Stunden ungehindert durch das Land reisen. Sie kommen alle über die griechische Grenze bei Bogorodica nach Mazedonien – die nächste Bahnstation ist Gevgelija. Dort können sie sich bei der Polizei registrieren lassen. In den letzten zwei Monaten haben dies etwa 35.000 Flüchtlinge in Mazedonien getan.

„Mazedonien hat das Asylgesetz geändert und dem serbischen angepasst“, erzählt der Leiter des UNHCR in Belgrad, Hans Friedrich Schodder. „Seitdem die Flüchtlinge Papiere bekommen und öffentliche Verkehrsmittel benutzen können, sind Berichte über Verbrechen zurückgegangen. Es geht darum, einer weiteren Viktimisierung vorzubeugen und sie nicht in den Untergrund zu drängen.“

Viele Flüchtlinge wollen sich dennoch nicht in Mazedonien registrieren lassen, weil sie Angst haben dann aus Ungarn wieder zurück nach Serbien oder Mazedonien abgeschoben zu werden. Denn Ungarn hat kürzlich sein Asylgesetz dahingehend verändert, dass solche Rückschiebungen leichter möglich sind. Manche Flüchtlinge lassen sich erst jenseits der Grenze in Serbien, in dem großen Verteilungszentrum in Preševo registrieren.

Die Flüchtlinge werden Opfer von Kriminellen

Auffallend oft erzählen sie, dass sie beim Überqueren der Grenze von Banden überfallen worden wären. Manche sprechen von afghanischen Banden, manche von lokalen Leuten. Die 23-jährige Somalierin Warda H., die mit ihrer zweijährigen Tochter Rose die Balkanroute nach Europa nahm, erzählt: „Es kamen zehn Leute mit Messern, die haben uns bedroht und uns die Handys und das Geld weggenommen.“ Warda H. glaubt, dass der Taxifahrer, der sie und ihre Familie über die Grenze gebracht habe, diese Diebe informiert hat.

In der Nähe der Bahnstation Tabanovtse im Norden von Mazedonien, an der serbischen Grenze, dort wo die Flüchtlinge aus den Zügen steigen, liegt die Stadt Kumanovo. Dort haben sich Menschen zusammengetan, um den durchreisenden Flüchtlingen zu helfen. Sie spenden Lebensmittel, Wasser, Medizin und Kleidung und bringen sie zu den ankommenden Zügen.

Viele sind erschöpft und übermüdet, manche richtig ausgehungert, wenn sie ankommen. Die Flüchtlinge stehen unter großem Druck, noch rechtzeitig nach Ungarn zu kommen, bevor sie der Zaun daran hindern wird, den die ungarische Regierung bauen lässt. Auf ihren Handyfotos zeigen sie die Verwandten, die sie in Aleppo oder in Homs zurückgelassen haben. Sie waren meist ein paar Wochen auf der Flucht, wenn sie nach Mazedonien gekommen sind. Viele von ihnen sind gerade noch dem Tod entkommen.

Von Tabanovtse aus gehen die Flüchtlinge dann über die Grenze nach Serbien. Jeden Tag werden dort etwa 2000 neue Flüchtlinge gezählt, die über die mazedonische Grenze kommen. Die meisten von ihnen sagen, ihr Ziel sei Deutschland oder Schweden. Dort erhoffen sie sich Sicherheit.
Mazedonien ist aus deutscher Sicht ein sicheres Herkunftsland – es ist aber kein sicheres Drittland. Syrer etwa, die dort als Flüchtlinge registriert werden, können nicht, wenn sie einmal in Deutschland sind, wieder nach Mazedonien abgeschoben werden.

Unsere Themenseite zum Flüchtlingsdrama finden Sie hier.

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