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Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern

© dpa/Peter Kneffel

Hunderte positiv getestete Urlauber nicht informiert: Söder sagt Nordsee-Reise wegen schwerer Panne mit Coronatests ab

Aufgrund verzögerter Testergebnisse in Bayern wissen Hunderte Reiserückkehrer noch nichts von ihrer Infektion. Die Kritik an den bayerischen Behörden ist groß.

Es wären so schöne Bilder geworden am Donnerstag an der Nordsee: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und sein Kieler Amtskollege Daniel Günther (CDU) gemeinsam auf Wattwanderung, gemeinsam auf einer Schifffahrt zu Seehundbänken draußen im Meer. Ein großer Medien-Tross hätte den Unions-Politikern viele schöne Fotos, Videos, Texte und auch manche große Schlagzeilen beschert.

Die großen Schlagzeilen hat Söder nun aber anders: Eine schwere Panne mit Coronatests in Bayern bringt seine Staatsregierung und ihn selbst erstmals seit langer Zeit in schwere Bedrängnis. Söder sah keine andere Lösung, als die Reise an die Küste abzusagen. „Bayern geht vor“, schrieb er auf Twitter.

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Söder nannte den „Fehler“ bei den Testzentren „sehr, sehr ärgerlich“. „Das muss sofort behoben werden und darf nicht mehr passieren. Alle Strukturen sind umgehend zu überprüfen“, verlangte der CSU-Politiker. Der Regierungschef war dem Vernehmen nach schon öfter unzufrieden mit dem Corona-Krisenmanagement des Gesundheitsministeriums gewesen.

Söders verhinderter Gastgeber Günther zeigte Verständnis für die kurzfristige Besuchsabsage seines bayerischen Amtskollegen. „In solchen Situationen ist ein Regierungschef in seinem Bundesland gefordert“, sagte Günther am Mittwochabend der Deutschen Presse-Agentur. „Jeder andere Länderregierungschef hätte genauso entschieden.“ Günther zufolge vereinbarten beide Ministerpräsidenten, den verabredeten Besuch zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen.

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Gesundheitsministerin räumt „Übertragungsprobleme“ ein

Anlass für Söders Unmut und die Änderung seiner Reisepläne waren Äußerungen seiner Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU). Die hatte zuvor in München eingestanden, dass rund 44.000 Reiserückkehrer noch kein Testergebnis bekommen haben, darunter auch 900 nachweislich mit Sars-CoV-2 Infizierte. Die Opposition übte scharfe Kritik und verlangte Aufklärung.

Huml sagte, die positiv Getesteten sollten bis Donnerstagmittag ihr Ergebnis bekommen. Der Zeitverzug ärgere sie „massiv“, sie bedauere das sehr. Es gebe eine „Übermittlungsproblematik“, „da gibt es nichts schönzureden“.

Grund für die Verzögerungen seien vor allem Probleme bei der händischen Übertragung von Daten und eine unerwartet hohe Nutzung des Angebots, erklärte der Präsident des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Andreas Zapf. Er sprach von einer „Panne“. Manche Formulare von Getesteten seien unvollständig oder schwer leserlich ausgefüllt, zudem müssen sie mit den Codes von Rachenabstrichen abgeglichen werden.

Seit dem 25. Juli können sich Reisende bei der Ankunft an den Flughäfen München und Nürnberg testen lassen, seit Anfang August in Memmingen. Zunächst war das Angebot freiwillig. Für Urlauber aus Risikogebieten greift seit Samstag bundesweit eine Testpflicht.

Darüber hinaus hatte die Staatsregierung seit Ende Juli Teststationen an den Hauptbahnhöfen München und Nürnberg sowie an den Autobahnraststätten Hochfelln-Nord (A8), Inntal-Ost (A93) und Donautal-Ost (A3) einrichten lassen. Diese wurden zunächst von Hilfsorganisationen betrieben. Seit dieser Woche übernehmen nach und nach private Anbieter den Betrieb. Damit soll auch die Datenübertragung an allen Stellen digitalisiert werden.

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Söder hatte erst am Montag betont, dass Bayern das einzige Bundesland mit einem solchen Angebot sei, aber Menschen aus allen Regionen der Bundesrepublik sich hier testen lassen könnten. Rund 85.000 solcher Tests wurden nach Angaben von Huml bislang insgesamt gemacht. Die Übertragungsprobleme beträfen aber nur die Raststätten und Bahnhöfe, wo insgesamt knapp 60.000 Menschen getestet worden seien. Wie viele von ihnen aus welchem Land ankamen und wo sie wohnen, war zunächst unklar.

Melanie Huml (CSU), Staatsministerin für Gesundheit und Pflege in Bayern

© dpa/Peter Kneffel

Huml betonte, dass Rückkehrer aus festgelegten Risikogebieten, die noch auf ihr Ergebnis warten, in Quarantäne bleiben müssen. Man habe zudem keine Erkenntnisse, dass Ergebnisse verloren gegangen seien.

Wie viele der 900 positiv Getesteten aus Bayern und wie viele aus dem übrigen Bundesgebiet kommen, konnten Huml und Zapf nicht sagen. Die Gesundheitsministerin verwies lediglich auf eine Stichprobe aus den vergangenen Wochen - da waren 40 Prozent der Tests von Menschen aus Bayern. Die meisten Infizierten seien an der A3 bei Passau festgestellt worden, sagte Zapf. Genaue Zahlen nannte er nicht.

Opposition sieht Bild des Krisenmanagers Söder angekratzt

Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann hatte den Vorfall als „eklatantes Regierungsversagen“ bezeichnet. „Das ist eine Schocknachricht für Deutschland und kratzt am Nimbus des selbstgefälligen Krisenmanagers Söder“, erklärte er am Mittwochabend - vor Söders Reise-Absage. Der Regierungschef müsse umgehend dafür sorgen, dass das Handeln seiner Ministerinnen und Minister mit seinen wortgewaltigen Ankündigungen Schritt hält, so Hartmann. „Sonst muss man an dieser Stelle festhalten: Söder kann Krise nicht.“

FDP-Fraktionschef Martin Hagen twitterte: „Desolate Bilanz: Zwei Drittel der Corona-Tests von Reiserückkehrern in Bayern wurden vertrödelt oder verschlampt“. Zunehmend bekomme Söders Inszenierung als Corona-Musterschüler Risse. Diesmal könne die CSU das „Versagen der Regierung“ nicht auf den kleinen Koalitionspartner, die Freien Wähler, schieben. Die Tests für Reiserückkehrer an Autobahnen und Hauptbahnhöfen hatte Söder angeschoben. Fachlich zuständig ist Huml.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Markus Rinderspacher schrieb: „Dieses Versagen erfordert Aufklärung.“ Die Administration habe geschlampt. „Wie kann das passieren? Wer steht politisch dafür gerade?“ (dpa)

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