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Michael Theurer ist stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion.

© Christoph Soeder/picture alliance

FDP legt „Stufenplan“ vor: So wollen die Liberalen die Corona-Maßnahmen lockern

Angesichts sinkender Infektionszahlen drängen die Freidemokraten auf eine schrittweise und zunächst regionale „Öffnung von Wirtschaft und Gesellschaft“.

Dass der Lockdown verlängert wird, darüber herrschen einen Tag vor dem Bund-Länder-Treffen an diesem Mittwoch kaum noch Zweifel. Zu groß ist in der Politik die Sorge vor den neuen Virus-Mutationen, als dass man schnell und flächendeckend wieder zur Normalität zurückkehren möchte. Davon geht man auch bei den Liberalen fest aus.

Doch einverstanden sind die Freidemokraten mit den Plänen der Verantwortlichen in Bund und Ländern keineswegs. Es dürfe nicht sein, dass ein „gesamtes Land in Geiselhaft des Lockdowns“ genommen werde, wenn es Alternativen dazu gebe, sagt Michael Theurer, der stellvertretende Chef der FDP-Bundestagsfraktion.

Mit der Alternative meint Theurer einen „Stufenplan“, den seine Fraktion jüngst beschlossen hat. Das Ziel ist die schrittweise „Öffnung von Wirtschaft und Gesellschaft“, wie Theurer sagt.

„Die Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen brauchen Planbarkeit und eine Perspektive“, heißt es in dem Antrag, den die FDP diese Woche in den Bundestag einbringen will. „Notwendig ist deshalb eine souveräne und verlässliche Strategie, die den Menschen Orientierung bietet und die notwendigen Maßnahmen begründet.“

Sieben Stufen sieht der Plan insgesamt vor – von der „akuten Gesundheitsnotlage“ bei einem Inzidenzwert von mehr als 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen bis hin zur „Stufe 0“ bei einem Inzidenzwert unter 10. „Eindeutige ‚Wenn-Dann-Regeln‘“ sollen dabei über Lockerungen beziehungsweise Verschärfungen der Corona-Maßnahmen bestimmen.

Mehr Spielraum für Schulen, Kneipen, Schwimmbäder

Bei einem Inzidenzwert über 200 sollen Geschäfte und Restaurants geschlossen bleiben, Schulen und Kitas nur Notbetreuung anbieten und lediglich „private Zusammenkünfte eines Haushalts und einer weiteren Person“ erlaubt sein.

Sinken die Infektionszahlen in einem Landkreis, sollen die Maßnahmen dort gelockert werden. Bleibt er Inzidenzwert etwa sieben Tage lang stabil unter 35, sollen die Schulen zum Regelbetrieb zurückkehren, Kneipen und Schwimmbäder unter Auflagen öffnen und größere private Treffen erlaubt sein.

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Die Regionalisierung der Corona-Politik spielt in dem FDP-Konzept eine zentrale Rolle. „Unterschiedliche Lagen erfordern unterschiedliche Maßnahmen“, sagt Theurer.

Seine Kollegin Christine Aschenberg-Dugnus, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, verweist dabei auf ihren Wahlkreis Rendsburg-Eckernförde in Schleswig-Holstein. Dort liegt der Inzidenzwert aktuell bei 25,5. „Unser Kreis möchte nach dem 15. (Februar) gerne die Schulen wieder öffnen“, sagt sie.

Neben dem Inzidenzwert will die FDP auch andere Faktoren einbeziehen, wenn es um die Ausweitung beziehungsweise Lockerung der Corona-Maßnahmen geht.

„Wir glauben, dass die einseitige Fokussierung auf die Sieben-Tage-Inzidenz nicht zielführend ist“, sagt Theurer. Die Belegung der Intensivbetten in einer Region, Testkapazitäten und auch der R-Wert – die Reproduktionszahl, die angibt, wie viele Menschen ein Infizierter im Schnitt ansteckt – sollen dem FDP-Konzept zufolge zur Bewertung der Corona-Lage miteinbezogen werden.

Kritik an Markus Söder

Mit ihrem Vorstoß verbindet die FDP-Fraktion deutliche Kritik an der Corona-Politik von Bund und Ländern – und will sich damit auch als konstruktive Oppositionskraft profilieren. Von „Versäumnissen und Versagen der Bundesregierung“ spricht Theurer.

Stephan Thomae, wie Theurer stellvertretender Fraktionschef im Bundestag, kritisiert in diesem Zusammenhang auch Bayerns CSU-Ministerpräsidenten Markus Söder, der zuletzt gesagt hatte, dass der Politik in der Coronakrise nichts übrigbleibe als „auf Sicht“ zu fahren. „Auf Sicht fahren muss man, wenn man keinen Plan hat“, sagt Thomae dazu.

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Der FDP-„Stufenplan“ reiht sich in aktuelle Bemühungen der Liberalen ein, der Corona-Politik der Bundesregierung eigene Vorschläge entgegenzusetzen – und damit auch auf Konfrontation zur Union zu gehen.

So hat nordrhein-westfälische Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp am vergangenen Freitag einen eigenen, mit dem CDU-Koalitionspartner unabgestimmten, Stufenplan vorgelegt. Der sieht eine an den Inzidenzwerten gekoppelte Öffnung von Schulen, Kitas, Geschäften und Freizeiteinrichtungen vor.

Wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung

In Schleswig-Holstein, wo die Liberalen mit CDU und Grünen regieren, drängen sie ebenfalls auf Lockerungen. Doch auch andere Landesregierungen wie Niedersachsen und Thüringen haben vor dem Treffen der Ministerpräsidentenkonferenz am kommenden Mittwoch bereits Stufenpläne vorgelegt.

Mit dem Drängen auf Lockerungen zielt die FDP im Wahljahr auch auf den die wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung in der Coronakrise.

„Die Folgen des Lockdowns kommen jetzt bei den Menschen an“, sagt Theurer. Von verzweifelten Unternehmern bis hin zu frustrierten Eltern – viele Bürgerinnen und Bürger seien am Ende ihrer Kräfte. Deshalb, so sagt Theurer, sei die Aussicht auf schrittweise Öffnungen „geboten aus Gründen des Grundrechtschutzes“.

Dass ihr Antrag im Bundestag gegen die Stimmen der großen Koalition keine Chance haben dürfte, das wissen zwar auch die Liberalen. Mit Blick auf das anstehende Bund-Länder-Treffen erwartet die FDP-Gesundheitsexpertin Aschenberg-Dugnus aber zumindest „sehr harte Dikussionen“ zwischen Bundesregierung den Länderchefs.

Weiter drängen auf die „Öffnung von Wirtschaft und Gesellschaft“ wollen die Liberalen in jedem Fall. Zur Frage, wie die Erfolgschancen dafür stehen, sagt Fraktionsvize Theurer: „Steter Tropfen höhlt den Stein.“

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