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Die Parade zum Tag des Sieges in Moskau - hier ein Foto von 2021 - ist eine Demonstration militärischer Stärke.

© imago images/ITAR-TASS

Siegen für den „Tag des Sieges“: Braucht Putin zum 9. Mai einen Erfolg?

Putin will offenbar am 9. Mai einen Erfolg im Ukraine-Krieg verkünden. Das setzt die Armee unter Druck – und lässt neue Angriffe auf Zivilisten befürchten.

Ein zentraler Termin in Wladimir Putins Kalender steht fest: Am 9. Mai wird der russische Präsident wie in jedem Jahr am „Tag des Sieges“ die Militärparade auf dem Roten Platz abnehmen und eine Rede halten. Dieser Tag erinnert an den Sieg der sowjetischen Armee über das nationalsozialistische Deutschland im Zweiten Weltkrieg. „Wir werden ihn so feiern, wie wir ihn immer feiern“, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow.

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Westliche Regierungen gehen davon aus, dass der russische Präsident an diesem traditionsbeladenen Tag einen militärischen Erfolg in der Ukraine verkünden will und muss. „Für Russland ist der 9. Mai ein wichtiger Tag für das Militär, und es ist relativ klar, dass es für Präsident Putin ein Tag des Sieges sein muss“, sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

Putin bezeichnet den 9. Mai als wichtigsten Feiertag seines Landes. Der „Tag des Sieges“ hat in Russland eine identitätsstiftende Funktion. Aus der Erinnerung an den gemeinsamen Sieg über den Faschismus im „Großen Vaterländischen Krieg“, wie der Zweite Weltkrieg in Russland genannt wird, ist eine Demonstration militärischer Stärke geworden.

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So marschieren Jahr für Jahr mehr als 10.000 Soldaten über den Roten Platz in Moskau, Panzer rollen an der Ehrentribüne vorbei, und Russlands Armee zeigt der Welt demonstrativ ihr modernstes Kriegsgerät.

Putin feierte den „Tag des Sieges“ 2014 auf der Krim

Im Jahr 2014 feierte Putin den 9. Mai mit einer doppelten Militärparade: Erst nahm er am traditionellen Aufmarsch der Armee auf dem Roten Platz teil. Seine Ansprache wurde wie in jedem Jahr live im Fernsehen übertragen. Danach flog er auf die wenige Wochen zuvor annektierte Halbinsel Krim. In der Bucht von Sewastopol nahm er von einem Schiff aus eine Parade von Kriegsschiffen, Kampfflugzeugen und Hubschraubern ab. Putin sagte, das Jahr 2014 werde in die Geschichte Russlands eingehen, und fügte hinzu: „Es bleibt noch viel zu tun.“

Die Annexion der Krim löste in Russland eine Welle des Nationalismus unter dem Motto „Die Krim ist unser“ aus. Doch während Putin in Moskau und Sewastopol seinen Erfolg feierte, ging der Krieg in der Ostukraine weiter. Allerdings tut der Kreml bis heute so, als hätten im Donbass nur ukrainische Separatisten gegen Kiews Armee gekämpft – die Beteiligung russischer Soldaten wurde geleugnet. Dabei hätte es den Krieg ohne Russlands Intervention gar nicht gegeben.

Nach US-Geheimdienstinformationen konzentrieren sich nun Putins Überlegungen auf den 9. Mai als den „Tag des Sieges“. Dieses Kalkül könnte Russlands weiteres militärisches Vorgehen in der Ukraine bestimmen. Hinzu kommt, dass in diesem Krieg für Moskaus Armee bisher offenbar kaum etwas nach Plan lief.

Am selben Tag, als Peskow versicherte, der „Tag des Sieges“ werde gefeiert wie immer, sprach der Kreml-Sprecher erstmals von „bedeutenden Verlusten“ russischer Truppen in der Ukraine und einer „riesigen Tragödie“. Nach längerem Zögern hat sich die russische Führung nun doch für eine Einberufung von Reservisten entschieden – ein weiteres Zeichen dafür, wie stark die Armee durch die ukrainischen Truppen unter Druck ist.

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Moskaus Propaganda zufolge kämpfen die russischen Soldaten in der Ukraine gegen Nazis. Damit könnte der Kreml am 9. Mai einen direkten Bogen vom Sieg über den Faschismus zum Krieg in der Ukraine schlagen. Doch von einer „Entnazifizierung“ der gesamten Ukraine und einem Regierungswechsel in Kiew ist seit Wochen keine Rede mehr. Russland hat seine Truppen aus dem Norden des Landes zurückgezogen.

Nachdem Putins Ziel, die ganze Ukraine einzunehmen, gescheitert sei, müsse sich der russische Präsident nun auf Plan B konzentrieren, der allerdings eine Deadline habe, sagte der ehemalige ukrainische Regierungschef Arsenij Jazenjuk kürzlich. „Die Deadline ist der 9. Mai.“

Russland steht also unter Druck, innerhalb der nächsten vier Wochen weitere Gebiete in der Ukraine unter Kontrolle zu bringen, um dies dann als militärischen Erfolg verkaufen zu können. In westlichen Hauptstädten geht man davon aus, dass das einer der Gründe für den Truppenrückzug im Norden war. Will der Kreml Erfolge präsentieren, muss er in der Ostukraine nun alles auf eine Karte setzen.

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Bereits Ende März hatte der russische Generalstab angekündigt, man wolle sich in der nächsten Phase des Krieges auf den Donbass konzentrieren. Dem russischen Überfall auf die gesamte Ukraine war die Anerkennung der selbsternannten Volksrepubliken in der Ostukraine durch Russland vorausgegangen.

Eroberung der Gebiete Donezk und Luhansk als Kriegsziel?

Diese von Russland unterstützten und zum großen Teil gelenkten Separatisten beanspruchen aber nicht nur die Gebiete für sich, in denen sie bis zum Beginn des großen Krieges am 24. Februar bereits die Kontrolle hatten, sondern die gesamten Bezirke Donezk und Luhansk. Deren Eroberung könnte dann Putin als erreichtes Kriegsziel verkünden.

Doch ob die russische Armee das in so kurzer Zeit erreicht, ist fraglich. Der Zeitdruck, unter dem sie nun steht, lässt deshalb eine massive Offensive im Donbass und noch mehr gezielte Angriffe auf zivile Ziele befürchten – wie zuletzt der Raketenangriff auf die Menschen am Bahnhof in Kramatorsk. Eine Verhandlungslösung zum jetzigen Zeitpunkt würde dagegen bedeuten, dass Russland in diesem Krieg kaum einen nennenswerten Erfolg vorweisen kann. Das macht ein Einlenken des Kremls noch unwahrscheinlicher.

Selbst wenn die Armee die Gebiete Donezk und Luhansk einnehmen würde und Putin am 9. Mai einen Erfolg verkünden könnte, heißt das noch lange nicht, dass der Krieg vorbei ist. Denn Putin ging es von Anfang an nicht nur um den Donbass, sondern um die ganze Ukraine.

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