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Der russische UN-Botschafter Vasily Nebenzya im UN-Sicherheitsrat.

© REUTERS

Dramatische Nachtsitzung im UN-Sicherheitsrat: „Sie fahren direkt zur Hölle, Herr Botschafter“

Während Putin die Ukraine bombardieren lässt, verteidigt sein UN-Botschafter in New York die Attacken. Dann kommt der Auftritt des Vertreters der Ukraine.

Es wirkt fast wie Hohn, ausgerechnet in dieser Situation hat Russland den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat, in dem Gremium der Vereinten Nationen, das eigentlich der Friedenssicherung auf der Welt dienen soll.

Im Februar hatte Russland den Vorsitz übernommen. Die 8974. Sitzung des UN-Sicherheitsrats, eine Sondersitzung, wird kurzfristig einberufen, es ist später Mittwochabend in New York.

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Der russische UN-Botschafter Vasily Nebenzya ist vor Sitzungsbeginn in intensivem Austausch mit UN-Generalsekretär António Guterres, gestikuliert. Guterres hört mit versteinertem Blick zu. Dann ertönt der Gong, alle setzen sich. Nebenzya schlägt den kleinen Holzhammer, die Sitzung ist eröffnet.

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Diese Sitzung habe die Ukraine beantragt, trägt er vor. Jenes Land, das Russland gerade mit massiven Luftschlägen angreifen lässt. Er lädt Deutschland und die Ukraine ein, an der Sitzung teilzunehmen, beide gehören derzeit nicht zu den 15 Mitgliedern des Sicherheitsrats. Ständige Mitglieder sind China, Frankreich, Russland, Großbritannien und die USA, dazu kommen zehn wechselnde Mitglieder.

Dass neben dem russischen Botschafter Guterres sitzt, zeigt den Ernst der Lage. Fast zeitgleich meldet die russische Nachrichtenagentur Interfax, dass Russland Raketenangriffe auf militärische Ziele in der ganzen Ukraine begonnen hat. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba spricht von einem "großangelegten Krieg gegen die Ukraine".

Guterres selbst hatte es vor wenigen Wochen nicht für möglich gehalten, dass Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine vom Zaun brechen könnte.

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„Ich dachte, es wird nichts Ernstes passieren. Und ich lag falsch", sagt er in seinem Eingangsstatement. Er wolle jetzt etwas aus seinem tiefsten Herzen sagen: „Präsident Putin, stoppen Sie ihre Truppen, die die Ukraine angreifen. Geben Sie dem Frieden eine Chance!“

Russlands UN-Botschafter Vasily Nebenzya im Gespräch mit UN-Generalsekretär António Guterres

© AFP

Der ukrainische UN-Botschafter spricht Worte, die hier keiner vergisst

Der glatzköpfige Nebenzya sitzt regungslos daneben, er wird noch viele solcher Aussagen in der rund 90-minütigen Sitzung hören. Der russische UN-Botschafter erklärt, Moskau ziele auf die „machthabende Junta in Kiew“.

Putin hatte die frei gewählte Regierung ja als ein vom Westen gesteuertes Marionetten-Regime bezeichnet. Die drei UN-Botschafterinnen der USA, Großbritanniens und Deutschlands, Linda Thomas-Greenfield, Barbara Woodward und Antje Leendertse, tragen schwarz an diesem Tag.

Mehr zum russischen Angriff auf die Ukraine bei Tagesspiegel Plus:

„Genau zu der Zeit, als wir uns hier im Rat versammelt haben, um Frieden zu suchen, hat Putin eine Kriegsbotschaft übermittelt“, sagt die US-Botschafterin. Antje Leendertse fordert Russland auf, alle militärischen Aktionen gegen die Ukraine unverzüglich einzustellen und die Truppen abzuziehen.

Es ist ganz still, als der ukrainische UN-Botschafter, Serhij Kyslyzja, das Wort ergreift: „Wir verurteilen die Aggression, die Sie gegen mein Volk verüben. Es gibt kein Fegefeuer für Kriegsverbrecher. Sie fahren direkt zur Hölle, Botschafter“.

Nebenzya beendet die Sitzung.

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Die Mahnung Kenias: Wenn die Großen das Völkerrecht brechen

Doch diese Worte werden nicht erhört, es ist zu spät. Auch hier ist zu spüren, die alte Weltordnung gerade zerbricht.

Vor wenigen Tagen hatte Kenias Botschafter bei den Vereinten Nationen, Martin Kimani, im Sicherheitsrat eine bewegende Rede gehalten.

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Die „taz“ hat sie dokumentiert: „Kenia und fast jedes afrikanische Land wurde durch das Ende eines Empire geboren. Unsere Grenzen zogen wir nicht selbst. Sie wurden in den fernen Kolonialmetropolen London, Paris und Lissabon gezogen, ohne Rücksicht auf die alten Nationen, die sie spalteten“, sagte Kimani.

„Wir glauben, dass alle Staaten, die aus zusammengebrochenen und zurückgewichenen Empires entstehen, viele Völker in sich tragen, die sich nach Integration mit Völkern in Nachbarstaaten sehnen. Das ist normal und verständlich. Denn wer will nicht mit seinen Brüdern vereint werden und mit ihnen gemeinsame Ziele verwirklichen? Doch Kenia lehnt es ab, eine solche Sehnsucht mit Gewalt zu verfolgen.“

Genau das macht Wladimir Putin, der der Ukraine das Recht abgesprochen hat, als eigener Staat zu existieren und das Land als historischen Teil eines großrussischen Reiches sieht. Russen, Ukrainer, Belarussen sind für ihn Teil einer Nation.

Dafür bricht er alle Regeln des Völkerrechts, er setzt auf das Recht des Stärkeren, statt auf die Stärke des Rechts. Kimani sagte in seiner Rede noch, er verurteile aufs Schärfste den Trend der letzten Jahrzehnte, dass mächtige Staaten, Mitglieder dieses Sicherheitsrates eingeschlossen, bedenkenlos das Völkerrecht verletzen würden. „Der Multilateralismus liegt im Sterben heute Nacht. Er ist angegriffen worden, wie von anderen mächtigen Staaten in der jüngsten Vergangenheit.“

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