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Immer wieder demonstrieren Fahrradfahrer für mehr Rechte im Straßenverkehr. Wie hier vor kurzem in Berlin-Pankow.

© IMAGO/Seeliger

Sicherheit im Verkehr: Erreichen wir die Vision Zero auf der Straße?

Die Zahl der Schwerverletzten und Toten ist weiter hoch, unter den Opfern sind viele Radfahrerinnen und Fußgänger. Wie ändert sich was? Drei Meinungen.

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Von der „Vision Zero“ ist Deutschland weit entfernt. Nach wie vor sterben pro Jahr rund 3000 Menschen im Straßenverkehr. Wie sich das ändern kann, diskutiert diesen Samstag der Verkehrssicherheitstag.

Die Ampel will mit einer Reform des Straßenverkehrsgesetzes die Sicherheit erhöhen. Verkehrsplaner sollen künftig den Schutz von Gesundheit und Umwelt genauso berücksichtigen wie die Flüssigkeit des Verkehrs. Schafft das endlich einen wirksamen Schutz für alle Verkehrsteilnehmer? Wir fragen drei Expert:innen, wie und wann die Vision Zero auf der Straße erreicht wird? Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Das Problem muss an der Wurzel gepackt werden

2782 Menschen sind 2022 in Deutschland bei Unfällen im Straßenverkehr ums Leben gekommen. Das waren neun Prozent weniger als im Vor-Coronajahr 2019. Doch von Januar bis März 2023 ist die Zahl der Toten wieder gestiegen. Es sind vor allem Radfahrerinnen und Fußgänger, die teils buchstäblich unter die Räder kommen. Das zeigt: Die gesetzlich verankerte Vision Zero von null Verkehrstoten ist unter den aktuellen Bedingungen unerreichbar.

Staatliche Sicherheitskampagnen wie „#mehrAchtung“ oder „Blicki blickt’s!“ verlagern die Verantwortung auf die Bürger:innen – und laufen ins Leere, solange das Problem nicht an der Wurzel gepackt wird. Die Reform des Straßenverkehrsrechts soll dafür sorgen, schwächere Verkehrsteilnehmer:innen besser zu schützen: Indem Kommunen einfacher Tempo 30 anordnen, Zebrastreifen oder Radspuren einrichten können, ohne eine Gefahrenlage nachweisen zu müssen.

Das Verkehrsministerium hat nun endlich eine Gesetzesreform vorgelegt, die Kommunen tatsächlich mehr Entscheidungsspielräume zu geben scheint. Es wird höchste Zeit. 


Wo Menschen unterwegs sind, passieren Unfälle

Mobilität ermöglicht Begegnung, Wohlstand und Lebensfreude. Doch wo Menschen unterwegs sind, passieren Unfälle, entsteht Leid. Jeder Tote und Verletzte ist einer zu viel.

Die Vision Zero im engeren Sinne ist jedoch eine Vision. Sie fordert vielmehr dazu auf, zwei Dinge zu maximieren und demütig abzuwägen: Mobilität und Sicherheit. Das spiegelt sich auch im Straßenverkehrsrecht wider. Nicht umsonst stehen im Straßenverkehrsgesetz Flüssigkeit und Sicherheit an erster Stelle. Das muss auch so bleiben.

Die Anzahl der Verunglückten im Straßenverkehr hat in den letzten Jahrzehnten abgenommen. Gleichzeitig verändert sich das Mobilitätsverhalten und es braucht ein sicheres Nebeneinander verschiedener Verkehrsformen. Lastenräder stellen für Fußgänger ein größeres Risiko dar, da sie größer und schwerer sind, Pedelecs sind durchschnittlich schneller unterwegs als normale Räder.

Im Sinne der Vision Zero muss Verkehrspolitik solche Aspekte genauer analysieren, um maßgeschneiderte Lösungen anzubieten.


Es dauert zu lange, bis ein Zebrastreifen kommt

Die vielen Verkehrstoten zeigen: Es ist noch ein weiter Weg bis zum Erreichen der Vision Zero. In dieser Woche war ich in Berlin bei der Einweihung eines Zebrastreifens, über den Grundschulkinder endlich sicher vom Schulgebäude zu ihrem Sportplatz gehen können. Die Straßenverkehrsbehörde hat den Zebrastreifen zunächst abgelehnt, weil bisher noch kein Kind verletzt worden ist.

Im aktuellen Straßenverkehrsrecht ist die Flüssigkeit des Autoverkehrs wichtiger als sichere Wege für Kinder. Eine erkannte Gefahr muss aufwändig nachgewiesen werden. Deshalb dauert es zum Beispiel in Berlin-Mitte durchschnittlich drei Jahre, bis ein beschlossener Zebrastreifen kommt – das ist einfach zu lang.

Wir wollen das ändern und dafür das Straßenverkehrsgesetz modernisieren. Die Kommunen müssen über Maßnahmen zur Verkehrssicherheit vor Ort entscheiden können. Sie müssen eine gefährliche Stelle entschärfen können, ehe sich Unfälle ereignen. Dann werden Straßen und Wege unserer Städte und Gemeinden für alle Menschen sicher und wir gehen einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Vision Zero.

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