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Bundesfinanzminister und FDP-Chef: Christian Lindner.

© Reuters/Annegret Hilse

„Sicher nicht alles richtig gemacht“: Lindner zieht durchwachsene Zwischenbilanz der Ampel

Der Finanzminister äußert sich selbstkritisch zur Arbeit der Regierung, verteidigt aber das Vorgehen seiner FDP. 2024 müsse der Fokus auf die Wirtschaft gelegt werden, so Lindner.

Die Umfragewerte der Ampelregierung sind seit Monaten im Keller, die Frustration über die Arbeit der Regierung bei vielen hoch, das Bild der Koalition aus SPD, Grünen und FDP von ständigem Streit geprägt. Bundesfinanzminister Christian Lindner zieht nun in einem Interview eine sehr durchwachsene Bilanz des Jahres 2023. „Wir haben sicher nicht alles richtig gemacht in diesem Jahr. Unter dem Strich aber haben wir mehr richtig als falsch gemacht“, sagte der FDP-Politiker dem Sender ntv.

„Die Stimmung ist gedrückt von den Mehrfachkrisen“, sagte Lindner. Es gebe schwierige Situation auf vielen internationalen Schauplätzen.  „Wirtschaftlich haben wir es mit Rezession und Inflation zu tun, wir sehen die Probleme der starken Migration. All das wird natürlich mit der jeweiligen Regierung verbunden“, so der Finanzminister.

Selbstkritisch äußerte er sich über Aufstellung des Haushalts 2023 zum Jahreswechsel 2021/2022, der vom Bundesverfassungsgericht einkassiert worden war.

Es ist keine gute Idee, die Regierung ohne triftigen Grund zu verlassen.

Christian Lindner, Bundesfinanzminister und FDP-Chef

„Mit dem Wissen um die Auslegung der Schuldenbremse des Grundgesetzes durch das Verfassungsgericht hätten wir sicher nicht die ungenutzten Kreditermächtigungen in den Klimafonds umgebucht. Das Urteil aus Karlsruhe hat aber eine Rechtsklarheit geschaffen, die ich nun genutzt habe, um reinen Tisch zu machen“, sagte Lindner.

Lindner sieht Streichungen im Haushalt falsch bewertet

Angesprochen auf die Verwirrung und den Ärger, den die durch das Karlsruher Urteil nötig gewordenen Einsparungen ausgelöst hatten, sagte Lindner: „Die Reaktion der Öffentlichkeit ist von einer Streichliste geprägt. Ich bin mir sicher, dass viele Menschen nicht wissen, dass sie kommendes Jahr nicht belastet, sondern unter dem Strich entlastet werden. Deshalb liegt mir daran, das Paket im Zusammenhang dazustellen.“

Lindner widersprach in dem Interview dem Eindruck, es seien vor allem die Liberalen, die in der Ampelregierung Streit auslösten. „Ich würde die These nicht unterschreiben, es sei überwiegend die FDP, die Diskussionen vom Zaun bräche. Der Eindruck mag bei manchen so aufkommen, weil zumeist einer unserer beiden linken Koalitionspartner mit der FDP diskutiert. Das ist unserer Rolle geschuldet, weil wir eben die Partei der Mitte in der Koalition sind“ sagte Lindner.

Auf die Frage, ob die Partei von Wirtschaftsminister Robert Habeck zur Halbzeit der Legislatur eher Gegner oder Partner seien, sagte der Finanzminister: „Die Grünen sind gegenwärtig Koalitionspartner und zugleich parteipolitischer Wettbewerber – im Unterschied zur Union, die momentan nur parteipolitischer Wettbewerber ist.“

Nicht festlegen wollte sich Lindner, was die von ihm bevorzugte Option wäre, wenn in spätestens zwei Jahren der neue Bundestag gewählt wird – Finanzminister im Kabinett Friedrich Merz oder Finanzminister im Kabinett Olaf Scholz. „Diese Frage schaut zu weit in die Zukunft“, sagte Lindner.

„Wenn Sie die Finanzpolitik ansprechen, da wirbt die SPD für Steuererhöhungen und mehr Schulden. Genau das verhindern wir in der Regierung Scholz gerade. Auf der anderen Seite liebäugelt auch die CDU mit Steuererhöhungen und manche Ministerpräsidenten würden die Schuldenbremse gerne loswerden, weil sie unbequeme Entscheidungen fordert.“ Er könne nur sagen, „dass die FDP als eigenständige Partei in die nächste Wahl gehen wird“.

Zur aktuellen Mitgliederbefragung in der FDP zum Verbleib in der Ampel sagte der Chef der Liberalen, er habe Respekt vor denen, die sich Gedanken darüber machen, wie die FDP gestärkt werden kann.

„Aber es ist keine gute Idee, die Regierung ohne triftigen Grund zu verlassen. Die FDP setzt viel an liberaler Politik in dieser Koalition um. Da sollte man die Republik nicht einer rot-grünen Minderheitsregierung oder dem Chaos überlassen. Denn es gäbe ja nicht plötzlich Neuwahlen und eine bürgerliche Mehrheit“, so Lindner.

Lindner will Dynamisierungspaket für die Wirtschaft

Mit Blick auf die Pläne der Ampelregierung für 2024 sagte Lindner, nach dem Konsolidierungspaket für den Haushalt bedürfe es jetzt eines Dynamisierungspakets für die Wirtschaft. „Wir können und dürfen uns nicht mit den aktuellen Wachstumszahlen zufriedengeben. Deshalb muss es weitere entschlossene Schritte beim Bürokratieabbau geben, die im Alltag der Betriebe ankommen. Wir müssen am Arbeitsmarkt alle Fach- und Arbeitskräfte aktivieren.“

In diesem Zusammenhang appellierte der Finanzminister an Unionsfraktionschef Merz: „Und hilfreich wäre, wenn die Union die Verzögerung des Wachstumschancengesetzes Anfang des Jahres beendet.“

Mittelstand und Industrie könnten die steuerlichen Anreize für Investitionen, Bautätigkeit und Forschungsvorhaben gut gebrauchen. „Die CDU sollte das nicht verhindern“, sagte Lindner. (lem)

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