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Um die Lastenaufteilung bei der Flüchtlingsaufnahme geht es am Mittwoch im Kanzleramt.

© Thilo Rückeis TSP

Showdown im Kanzleramt: So feilschen Bund und Länder vor dem Flüchtlingsgipfel um Milliarden

Die Länder fordern mehr Geld vom Bund zur Unterbringung der Flüchtlinge. Doch die Bundesregierung setzt andere Prioritäten.

Vor dem Flüchtlingsgipfel am Mittwoch im Kanzleramt zeichnet sich ein zähes Ringen zwischen Bund und Ländern um zusätzliche Milliarden für die Unterbringung der Migranten ab. Der hessische Regierungschef Boris Rhein (CDU) gehörte zu denen, die eine Aufstockung der Bundesmittel verlangten.

Der Bund müsse seinen Anteil zur Unterbringung und Integration der Flüchtlinge mindestens verdoppeln, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Die Bundesregierung weigert sich aber offenbar, weiteres Geld in größerem Umfang hinzuzuschießen.

Verschärft wird die Lage dadurch, dass auch im April die Zahl der Asylbewerber im Vergleich zum Vorjahresmonat erneut gestiegen ist. Das geht aus den aktuellen Zahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hervor.

Im April wurden demnach 19.629 Erstanträge auf Asyl vom Bundesamt entgegengenommen. Gegenüber dem vergangenen März sank dieser Wert zwar um 22 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr ist allerdings ein Anstieg um 72,8 Prozent zu verzeichnen. Im April 2022 hatten 11.359 Personen in Deutschland einen Erstantrag auf Asyl gestellt.

Im vergangenen Monat waren nach Angaben des Bamf folgende Staatsangehörigkeiten am stärksten vertreten: Syrien mit 5135 Erstanträgen, Afghanistan (3230 Erstanträge) und Türkei (2474 Erstanträge).

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Zahl der Asylbewerber in Deutschland in diesem Jahr erheblich über dem Vorjahr liegen dürfte. Experten gehen davon aus, dass die Marke von 300.000 erreicht wird. Im vergangenen Jahr waren in Deutschland 244.132 Asylanträge registriert worden. Davon waren 217.774 Erstanträge.

„Wenn es uns nicht gelingt, die aktuelle Entwicklung zu begrenzen, werden wir bis zum Jahresende 330.000 Asylanträge verzeichnen“, sagte der Parlamentsgeschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, dem Tagesspiegel.

Die Belastungsgrenze sei in vielen Kommunen aber bereits heute erreicht und mancherorts auch überschritten, sagte der CDU-Politiker weiter. „Von dem Gipfel muss das klare Signal ausgehen, dass Deutschland in der Migrationspolitik umsteuert und seinen migrationspolitischen Sonderweg in Europa verlässt“, verlangte er. 

Unions-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) warnt davor, dass es bis zum Jahresende 330.000 Asylanträge geben könnte.

© dpa/Soeren Stache

„Die Kommunen benötigen zusätzliche finanzielle Unterstützung, doch vor allem brauchen wir Maßnahmen, mit denen Migration gesteuert und begrenzt wird“, sagte der Unions-Parlamentsgeschäftsführer. Länder und Kommunen hätten Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) einen umfangreichen Maßnahmenkatalog zur Bewältigung der Migrationskrise vorgelegt, „der Faesers Untätigkeit in grelles Licht rückt“, so Frei.

Er verwies darauf, dass der Ruf nach einer Erweiterung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten auch unter SPD-Ministerpräsidenten immer lauter werde. Wenn es beim Flüchtlingsgipfel am kommenden Mittwoch aber allein ums Geld gehen sollte, „werden auch zusätzliche Milliarden schnell aufgebraucht sein“.

Vor dem Flüchtlingsgipfel, zu dem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ins Kanzleramt einlädt, setzt die Bundesregierung weniger auf die Bereitstellung zusätzlicher Milliarden und mehr auf Maßnahmen zur Begrenzung der Asylbewerberzahlen. Zur längerfristigen Entlastung soll der Plan des Sonderbevollmächtigten der Bundesregierung für Migration, Joachim Stamp (FDP), beitragen, Georgien und Moldau zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären.

Dass die Kommunen angesichts der steigenden Asylbewerberzahlen und der Ukraine-Flüchtlinge mit einer doppelten Belastung konfrontiert sind, machte die Hamburger Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) deutlich.

Allein im Jahr 2022 seien in Hamburg – vor allem auch vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine - rund 15.900 zusätzliche Plätze in öffentlich-rechtlicher Unterbringung geschaffen worden, sagte sie dem Tagesspiegel. „Eine Entspannung zeichnet sich nicht ab. Die Zahl der Menschen, die auf den Hauptmigrationsrouten nach Hamburg kommen, steigt weiterhin an, und wann der Krieg in der Ukraine enden wird, ist nicht abzusehen“, fügte sie hinzu.

Hier sind wir zunehmend darauf angewiesen, die Unterstützung auch von Privaten zu erhalten.

Melanie Schlotzhauer (SPD), Hamburger Sozialsenatorin

Die Unterbringung von Schutzsuchenden insbesondere aus der Ukraine, aber auch der Asyl- und Schutzsuchenden aus anderen Ländern stelle Hamburg vor große Herausforderungen, sagte Schlotzhauer weiter. „Das Gesamtsystem der öffentlich-rechtlichen Unterbringung ist nahezu zu 100 Prozent ausgelastet“, stellte sie klar.

Deshalb baue Hamburg laufend weitere Plätze auf und prüfe weitere Flächen und Objekte. Aufgrund der Stadtstaatlichkeit Hamburgs seien die zur Verfügung stehenden öffentlichen Flächen jedoch sehr begrenzt und inzwischen auch endlich. „Hier sind wir zunehmend darauf angewiesen, die Unterstützung auch von Privaten zu erhalten“ erläuterte die Sozialsenatorin.

Der sächsische Innenminister Armin Schuster und sein brandenburgischer Amtskollege Michael Stübgen (beide CDU) forderten in einem Schreiben an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Einrichtung stationärer Grenzkontrollen, um unerlaubten Einreisen zu verhindern. Schuster und Stübgen wiesen in dem Schreiben darauf hin, dass sich allein in den vergangenen zwei Wochen fast 1.400 Personen in den Erstaufnahmeeinrichtungen Sachsens und Brandenburgs gemeldet hätten. Der weitaus überwiegende Teil reise dabei mit der Hilfe von Schleppern illegal nach Deutschland ein. Der Druck an den EU-Außengrenzen durch irreguläre Migration sei so hoch wie seit dem Jahren der Flüchtlingskrise von 2015/16 nicht mehr, schrieben Schuster und Stübgen weiter.

Der Deutsche Landkreistag forderte unterdessen vor dem Flüchtlingsgipfel klare Entscheidungen von Bund und Ländern. „Die Landkreise brauchen dringend eine verlässliche Perspektive zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen, zur Intensivierung der Rückführungsbemühungen und zur Finanzierung“, sagte der Präsident des Landkreistages, Reinhard Sager, der „Rheinischen Post“ .

Bund will wohl kein zusätzliches Geld für Kommunen bereitstellen

Der Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe, sprach sich unterdessen dafür aus, Flüchtlingen in Deutschland schneller Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewähren. „Ich bin dafür, dass Geflüchtete, die den Kommunen zugewiesen werden, sofort arbeiten dürfen - unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus“, sagte der Oberbürgermeister von Münster den Zeitungen der Funke Mediengruppe. 

Die Bundesregierung plant offenbar keine wesentliche Erhöhung der Flüchtlingshilfen für Länder und Kommunen. Das geht aus einem Entwurfpapier für den Flüchtlingsgipfel hervor, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorlag. Aus dem Beschlussvorschlag lässt sich der Vorwurf an die Länder herauslesen, sie würden die Zuwendungen des Bundes nicht in ausreichendem Maße an die Kommunen weitergeben.

Um Asylverfahren zu beschleunigen, will der Bund die Länder dazu bringen, ihre Ausländerbehörden personell und technisch besser auszustatten und die Verfahren bis Ende 2024 komplett zu digitalisieren. Außerdem verfolgt die Bundesregierung das Ziel, Asylgerichtsverfahren zu verkürzen.

Darüber hinaus spricht sich die Regierung für sogenannte zentrale Ankunftszentren aus. Von dort sollen Menschen, deren Asylanträge geringe Erfolgschancen haben, direkt wieder abgeschoben werden können.

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