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Ihr Auftritt, Herr Präsident. Reuven Rivlin im Kulturzentrum Pfefferberg in der Schönhauser Allee.

© Wolfgang Kumm/dpa

Besuch des israelischen Staatschefs: Selfies mit dem Präsidenten

Vor 50 Jahren hat Reuven Rivlin gegen die politische Annäherung zwischen dem jüdischen Staat und der Bundesrepublik protestiert. Heute kümmert er sich als Staatschef in einem Berliner Kulturzentrum um die Zukunft der deutsch-israelischen Beziehungen.

Reuven Rivlin hat es nicht sonderlich eilig. Israels Staatschef schlendert an diesem Dienstagvormittag gemütlich über den Hof des Berliner Kulturzentrums Pfefferberg, unterhält sich mit jungen Leuten, schüttelt Hände, lässt sich bereitwillig von und mit ihnen fotografieren. Es ist derselbe Reuven Rivlin, der 50 Jahre zuvor lauthals protestiert hatte, weil die Bundesrepublik und der jüdische Staat politisch aufeinanderzugingen.

Deutschlands erster Botschafter in Israel, ein ehemaliger Wehrmachtsoffizier, wurde damals mit wütenden Protesten und "Nazis-Raus-Rufen" empfangen. Zu präsent waren 1965 die Erinnerungen an den Holocaust. Und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit dem Nachfolgestaat der Täter empfanden viele Juden als einen Affront. Unvorstellbar und unmöglich nach dem millionenfachen Morden.

Heute ist Rivlin Israels Präsident, nennt das Verhältnis zur Deutschland eine "wunderbare, wertvolle Freundschaft" und hat dabei – ohne die Abgründe der Geschichte außer Acht zu lassen – die Gegenwart fest im Blick. Beim Festakt am Abend wird Bundespräsident Joachim Gauck in der Philharmonie ebenfalls das Verbindende zwischen beiden Ländern betonen, aber gleichzeitig fordern, sich nicht selbstzufrieden zurückzulehnen. "Wir müssen uns fragen, was wir tun können, um die israelisch-deutsche Freundschaft weiter zu vertiefen."

Gemeinsam fürs Morgen tüfteln

Rivlin versucht es auf seine Art. Am zweiten Tag seines Staatsbesuchs lässt er sich im Hof des Pfefferbergs ein schnittig aussehendes Fahrzeug erklären. Deutsche und israelische Studenten haben den Rennwagen gemeinsam entworfen. Gut 30.000 Stunden ihrer Freizeit hat sie das gekostet. Unterstützt wurden sie vom "Deutsch-israelischen Zukunftsforum".

Die Stiftung fördert gemeinsame Projekte von jungen Menschen aus beiden Ländern. Das Kennen, das Verstehenlernen spielt dabei eine wichtige Rolle. Und das, was ist und werden kann. Im Alltag, wenn man zum Beispiel als Team ein sehr schnelles Auto entwickeln will, wird weniger an der Vergangenheit herumgeschraubt als vielmehr für künftige Herausforderungen getüftelt.

Israelische und deutsche Studenten haben diesen Rennwagen gemeinsam konstruiert.

© lFoto: dpa

Auch der freundliche, fröhliche Herr Rivlin will nicht wissen, wie es denn für die Israelis und Deutschen so war, miteinander etwas aufzubauen. Er möchte lieber erfahren, wie schnell der Renner (130 Kilometer pro Stunde) und was wirklich neu an ihm ist (unter anderem die leichten Felgen). Dann noch ein paar Selfies mit den Präsidenten und Händeschütteln.

Mein Kumpel, der Präsident

Dieser Termin in der Schönhauser Allee hat so gar nichts Steifes, Ritualisiertes und Krampfhaftes, das dem deutsch-israelischen Verhältnis auf der offiziellen Ebene allzu oft anhaftet. Hier geht es zu, wie unter Kumpeln. Menschen, die sich schätzen und mögen. Die Politik scheint in geradezu unwirklicher Ferne zu liegen.

Doch selbstverständlich ist kein Staatsbesuch eines israelischen Präsidenten politikfrei. Und da gibt es, in aller Freundschaft, durchaus Meinungsverschiedenheiten. Zum Beispiel beim Nahostkonflikt. Deutschlands Vertreter – vom Bundespräsidenten bis zur Kanzlerin – sind weiterhin fest davon überzeugt, dass es einen dauerhaften Frieden zwischen Israelis und Palästinenser nur auf Grundlage einer Zwei-Staaten-Lösung geben kann.

Reuven Rivlin sieht das anders. Der frühere Vorsitzende des konservativen Likud plädiert für ein föderatives Modell: "Ein Staat für zwei Völker, mit zivilen Rechten für beide. Zwei Entitäten Seite an Seite." Auf dieser Grundlage sei ein friedliches Zusammenleben vorstellbar. Ist Rivlin ein Hardliner, der den Palästinensern Böses will?

Föderation mit den Palästinensern

Aus der Sicht vieler Israelis ist er wohl eher ein Realist. Trotz aller Kompromissbereitschaft will man sich eine Zwei-Staaten-Lösung nicht aufzwingen lassen. Aus einem einfachen Grund – die schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit: Wir haben uns zum Beispiel aus Gaza zurückgezoge. Und was war die Gegenleistung? Raketenbeschuss! Nun sollen wir das Westjordanland und Ost-Jerusalem aufgeben?

Für Rivlin ist aber ebenso klar, dass es nur eine einvernehmliche Lösung geben kann. Man müsse zusammen einen Weg finden, "wie wir für die nächsten Jahre zusammenleben können", sagte der 75-Jährige dem "Focus". Deshalb müssten beide Seiten Kompromisse schließen. Erst wenn Israelis wie Palästinenser begriffen, dass sie miteinander auskommen müssten, werde es Frieden geben.

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