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Auf Konfrontation. Meuthen, Gauland und Höcke stritten heftig. Meuthens Anhänger setzten sich am Ende noch einmal durch.

© imago images/Jens Schicke

Parteienforscher Oskar Niedermayer über Jörg Meuthens Rückhalt in der AfD: „Sein Stuhl ist keinesfalls sicher“

Parteikollegen warfen Meuthen nach seiner Auftaktrede beim Parteitag spalterisches Gebaren vor. Seine Position sei dennoch nicht geschwächt, sagt Parteienforscher Oskar Niedermayer im Interview.

Herr Niedermayer, auf dem AfD-Parteitag hat Bundessprecher Jörg Meuthen scharfe Kritik an „Provokateuren“ aus den eigenen Reihen geübt, Begriffe wie „Corona-Diktatur“ verurteilt. Steht die Partei nun vor einer Spaltung?

Die Art und Weise, wie Meuthen die Auftaktrede zum Frontalangriff auf seine Gegner genutzt hat, war schon sehr deutlich. Aber es lag wohl auch in Meuthens Interesse, die Gräben nicht weiter zuzuschütten. Dass die beiden Lager fast gleich groß sind, spricht gegen eine Spaltung. In der jetzigen Situation der Partei mit Werten um die 10 Prozent in den Umfragen ist beiden Lagern klar, dass sie alleine wahrscheinlich nicht über die Fünf-Prozent-Hürde kommen würden.

Ist der Machtkampf damit beendet?

Nein, aber jetzt wird sicher versucht, die Konflikte bis zur Wahl unter der Decke zu halten. Meuthen selbst ist ja auch schon am Sonntag zurückgerudert und betonte die Einheit der Partei. Wenn die Akteure einigermaßen rational agieren, werden sie jetzt so tun, als sei das ein reinigendes Gewitter gewesen.

Ist Meuthen geschwächt?

Nein, weil ja erstmal seine Rolle im Parteivorstand dadurch gestärkt wurde, dass drei neue Leute, die zu seinem Lager zählen, gewählt wurden. Er ist aber nur noch der Vorsitzende einer knappen Mehrheit der Partei und nicht mehr. Sein Stuhl ist keinesfalls sicher. Die Partei war schon immer ein Konglomerat von sehr vielen unterschiedlichen Menschen. Ihr bisheriges Erfolgsgeheimnis lag darin, dass sie sowohl in der Partei als auch bei ihrer Wählerschaft einerseits Gesinnungstäter versammelt mit Weltbildern, die von rechtskonservativ bis hin zu rechtsextrem reichen, andererseits aber auch ein Sammelsurium der von anderen Parteien Enttäuschten darstellt. In der Wählerschaft waren viele Protestwähler, die den anderen Parteien einen Denkzettel verpassen wollten.

Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer

© promo

Seit wann steht Meuthen so stark in der Kritik?

Ganz extrem hat es sich gesteigert, seit er den Rauswurf des rechtsextremen Andreas Kalbitz vorangetrieben hat. Der Flügel ist immer noch sehr stark, auch wenn er formal aufgelöst ist. Die Leute sind alle noch da und ihre Gesinnung hat sich nicht geändert. Dieser Teil der Partei wurde am Samstag kalt erwischt durch die Härte mit der Meuthen seine Angriffe vorgetragen hat. Dann mussten sie sich am Samstag sammeln und sind dann am Sonntag zum Gegenangriff angetreten.

Sehen Sie Parallelen zu Bernd Lucke und Frauke Petry?

Die Mehrheitsverhältnisse damals waren andere. Lucke ist mit Schimpf und Schande aus dem Parteitag herausgebuht worden, das war eine Atmosphäre, die ich so noch nie erlebt hatte bei einem Parteitag. Auch bei Petry waren die Mehrheitsverhältnisse so, dass sie keine Chance hatte. Jetzt haben wir eine Patt-Situation.

Denken Sie, dass sich Meuthen der Tragweite seiner Rede bewusst war?

Er wusste, was er tut. Vielleicht hat er die Stärke der Angriffe nicht ganz so vorausgesehen. Er möchte lieber eine rechtskonservative Partei mit einer halbwegs vernünftigen Abgrenzung zum Rechtsextremismus, davon erhofft er sich langfristig eine Stabilisierung der AfD: Das könnte funktionieren, wenn er mehr Macht in der Partei hätte, aber die hat er nicht. Dass er so scharf gegen Alexander Gauland geschossen hat, war auch nicht neu, schon lange sind sie sich nicht grün. Aber Gauland spielt eine immer geringere Rolle in der Partei, das weiß Meuthen.

Das Abhalten eines Präsenzparteitags war ein klares Statement gegen die Corona-Politik der Bundesregierung. Ist das ein Versuch, Wähler zu gewinnen?

Die AfD versucht über dieses Thema wieder einen Fuß in die Tür zu kriegen, vergebens. Mit der Migrationsfrage hatte die AfD einen Markenkern, der es ihr erlaubte, nicht nur konservative bis völkisch-nationalistische Wähler anzusprechen, sondern auch Protestwähler, die gegen die Regierungspolitik waren. Dieses Alleinstellungsmerkmal ist weg, Migration spielt noch eine Rolle, aber Corona schlägt alles. In der Corona-Frage hat die AfD kein Alleinstellungsmerkmal, da ist auch die FDP dabei.

Also hat die Corona-Krise der AfD geschadet?

Die Fundamentalkritik an den Corona-Maßnahmen findet nicht viel Widerhall. Momentan sind 86 Prozent der Bevölkerung gegen die Corona-Demos. Als AfD-Abgeordnete Protestler in den Bundestag eingeschleust hatten, gingen die AfD-Werte runter, nicht hoch. Das Thema nützt ihr nichts. Die Corona-Krise hat der Union dramatisch genutzt und der AfD am meisten geschadet hat, sie verlor rund ein Drittel ihres Wählerpotenzials.

Lea Schulze

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