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Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU)

© Jörg Carstensen /dpa

Seehofer und die Coronakrise: Das lange Warten auf eine europäische Lösung

Der Bundesinnenminister möchte mehr Tempo bei der Bekämpfung des Coronavirus. Bei der Ankündigung neuer Grenzkontrollen kritisiert er indirekt EU und SPD.

Von Frank Jansen

Es geht dem Bundesinnenminister zu langsam voran in der Bekämpfung des Coronavirus. In Europa und auch in Deutschland. Man  brauche sich nicht zu wundern, dass Staaten wie Tschechien und Polen auf eigene Faust die Grenzen schließen, „wenn wir keine europäische Lösung haben“, sagt Horst Seehofer (CSU) am Sonntagabend auf der eilig einberufenen Pressekonferenz in seinem Ministerium in Berlin. Seehofer verkündet „vorübergehende Grenzkontrollen an den Binnengrenzen zu Österreich, der Schweiz, Frankreich, Luxemburg und Dänemark“ von diesem Montag an, ab acht Uhr. „Bei Reisenden ohne triftigen Reisegrund gilt, dass sie nicht mehr ein- und ausreisen dürfen“, sagt Seehofer.

Der Warenverkehr soll jedoch weiter fließen, bei Berufspendlern wird es offenbar eine Lösung geben, die Baden-Württemberg vorgeschlagen hat. In Absprache mit dem Arbeitgeber des Pendlers bekommt er von den Behörden einen Passagierschein, der wie eine Vignette an der Windschutzscheiben anzubringen ist. Und der ebenfalls anwesende Chef der Bundespolizei, Dieter Romann, knarzt einen Journalisten an, „wir schließen keine Grenzen, das tut Nordkorea. Wir kontrollieren Grenzen, das ist was ganz anderes“. Seehofer nickt. Alles gut und richtig. Aber ginge es nach ihm, wäre das schon früher passiert.

"Der Gesundheitsschutz der Bevölkerung geht über alles"

„Solange keine europäische Lösung da ist, muss man im Interesse der eigenen Bevölkerung handeln“, betont der Minister. Der Ton wird ungeduldig, „ich kann nicht sagen, weil es keine Lösung gibt, machen wir nichts“. Die rechtlichen Grundlagen für Grenzkontrollen und Einreiseverbote sind ihm nicht unwichtig, aber der Blick auf Paragrafen ist jetzt weniger dringend, „im Moment geht mir der Gesundheitsschutz der Bevölkerung über alles“.

Aber wer bremst denn nun, wollen Journalisten wissen. Seehofer druckst etwas herum, er will in der Coronakrise nicht auch noch Streit in der EU. Oder in Berlin. „In Deutschland ist das Virus seit Januar“, sagt er. Es klingt, als habe das nicht jeder wahrhaben wollen. Und Seehofer legt nach. Natürlich könne man auch die Frage stellen, warum in Deutschland nicht vergangenen Montag schon die Schulen geschlossen wurden.

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Also wird er nochmal gefragt, wer denn nun bremst. Seehofer zögert mit der Antwort, doch dann erlaubt er sich einen nicht zu überhörenden Schlenker. „Das Problem ist so groß“, sagt er, „das ist dem parteipolitischen Diskurs entzogen“. Wen er meint, sagt er nicht, aber der Hinweis auf die Parteipolitik dürfte weniger europäisch gemeint sein, eher schon als  Fingerzeig in Richtung SPD.

Es wäre auch nicht das erste Mal, dass Seehofer dem Koalitionspartner vorhält, zu langsam zu sein. Monatelang hat er mit der SPD um mehr Befugnisse für den Verfassungsschutz bei der Bekämpfung des Extremismus gerungen. Erst die Anschläge in Halle und Hanau bewirkten den Durchbruch für Seehofers Gesetzentwurf.

Der Minister ließ sich testen und blieb einige Tage zuhause

In Sachen Corona ist die Prognose des Ministers allerdings noch dunkler als beim Rechtsextremismus. „Wir haben es mit einem sehr aggressiven und schnellen Virus zu tun“, sagt er, „wir werden damit Monate zu tun haben“. Das sei „mit Abstand“ die größte Herausforderung seiner politischen Laufbahn.

Und am Ende der Pressekonferenz beschwört er über die Medien die Bevölkerung, soziale Kontakte zu reduzieren. Die Frage eines Journalisten, ob dann nun Pressekonferenzen mit Dutzenden Teilnehmern künftig durch Videokonferenz ersetzt würden, beantwortet Seehofer allerdings nicht.

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Auskunft gibt es allerdings zur Frage, in welchem Maße das Ministerium und seine Behörden vom Coronavirus getroffen sind. Seehofer berichtet, er habe sich testen lassen, nachdem er bei Verhandlungen in Brüssel mit einem Minister zu tun hatte, bei dem ein Mitarbeiter infiziert ist. Er sei dann, betont Seehofer, einige Tage zuhause geblieben. Auch von dort könne man ein Ministerium führen, sagt Seehofer und lächelt seinem Staatssekretär Hans-Georg Engelke zu, der neben ihm sitzt.

Dieter Romann sagt, bei der Bundespolizei gebe es vier infizierte Beamte, 240 seien bereits in Quarantäne gewesen. Und 90 Labortests seien „noch offen“. Und Romann nennt eine weitere Belastung der Bundespolizei, „von Kita- und Schulschließungen sind viele Väter und Mütter in Uniform betroffen“. Aber dass die Bundespolizei mit den nun ausgeweiteten Grenzkontrollen überlastet sein könnte, hält Romann offenbar für eine fast schon ehrenrührige Annahme. „Wir haben ausreichend Beamte“, sagt er knapp. Fairerweise fügt er aber auch hinzu, „wir bedanken uns bei Zollverwaltung und Landespolizei, die uns unterstützen“.

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