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Weltweit wird an einem Impfstoff geforscht.

© Sakchai Lalit/dpa

Schwere Vorwürfe aus London: Russische Hacker sollen Impfstoff-Forscher ausspionieren

Sicherheitsbehörden schlagen Alarm. Der russische Geheimdienst soll auch das Brexit-Abkommen beeinflusst haben. Der Kreml weist die Vorwürfe zurück.

Großbritannien hat Russland in dieser Woche gleich zweimal öffentlich der Cyber-Spionage bezichtigt. Moskaus Geheimdienste seien aktiv bei der Bespitzelung von Wissenschaftlern, die einen Corona-Impfstoff entwickeln, teilte Aussenminister Dominic Raab in London mit.

Kurz zuvor hatte der Minister „russische Akteure“ der versuchten Einflussnahme auf die Unterhauswahl 2019 beschuldigt. Gleichzeitig kündigte das Geheimdienst-Kontrollgremium des britischen Parlaments für kommende Woche die lang verzögerte Veröffentlichung eines Berichts an, der mutmaßlicher russischer Einmischung ins Brexit-Referendum nachging.

Hohe Wahrscheinlichkeit

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow wies die Vorwürfe als unbewiesene Behauptungen zurück. Ein russischer Staatsfonds gab am Freitag bekannt, er habe ein Abkommen mit dem britischen Pharmakonzern Astra-Zeneca geschlossen, der mit der Universität Oxford zusammenarbeite. Dies zeige, dass sein Land nichts stehlen müsse, sagte ein Sprecher des Staatsfonds.

Die Cyber-Angriffe von APT 29, Cozy Bear und The Dukes auf Corona-Wissenschaftler seien verantwortungslos und völlig inakzeptabel, betonte Raab. Offenbar wurde dabei Malware mit dem Namen „WellMess“ und „WellMail“ verwendet. Die zuständige Spionage-Abwehrbehörde NCSC bezifferte die Wahrscheinlichkeit, dass APT29 Teil des russischen Geheimdienst-Apparates sei, auf „95 plus Prozent“.

Ziel der Angriffe seien Einrichtungen der medizinischen Forschung und Entwicklung gewesen; man sei sich „zu 80 bis 90 Prozent“ sicher, dass es dabei um die fieberhafte Forschung zu einem Covid-Impfstoff ging. Diese Einschätzung werde von den entsprechenden Behörden Kanadas sowie der USA geteilt. Sowohl London wie Washington hatten bereits im Mai vor Cyber-Angriffen auf Corona-Forscher gewarnt.

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Was die Einflussnahme auf die Wahl im Vergangenen Dezember angeht, sprach der Minister von „russischen Akteuren“, vermied also die direkte Beschuldigung des Regimes von Präsident Wladimir Putin. Die Vorwürfe beziehen sich auf eine Episode im Wahlkampf. Der damalige Oppositionsführer Jeremy Corbyn hatte unter Hinweis auf die Website Reddit Unterlagen aus den Verhandlungen über einen Handelsvertrag zwischen Großbritannien und den USA an die Öffentlichkeit gebracht. Corbyns Vorstoss änderte nichts am Wahlergebnis: Johnsons Konservative Partei wurde mit klarer Mehrheit im Amt bestätigt.

In Deutschland kein Verdacht

Dass Johnsons Vizepremier Raab die beiden grundsätzlich längst bekannten Sachverhalte jetzt herausstellte, dürfte mit einer empfindlichen Niederlage der Regierung zu tun haben. Nach monatelangem Gerangel war am Mittwoch erstmals seit der Wahl im Dezember der parlamentarische Geheimdienst-Kontrollausschuss zusammengetreten. Die vier Oppositionsvertreter kürten den konservativen Rüstungsexperten und früheren Leiter des Verteidigungsausschusses im Unterhaus, Julian Lewis, zum neuen Chef des Kontrollgremiums. Sofort nach Bekanntgabe der Wahl wurde Lewis aus der Fraktion geworfen.

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In Deutschland haben die Sicherheitsbehörden seit Beginn der Corona-Krise keine staatlichen Cyber-Angriffe auf mit der Pandemie befasste Forschungsinstitute und Firmen festgestellt. Wie der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Steve Alter, am Freitag in Berlin mitteilte, hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz Pharma-Unternehmen, die zu Covid-19 forschen, bereits vor einiger Zeit in allgemeiner Form auf die Möglichkeit entsprechender Bestrebungen von Hackern hingewiesen.

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