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Erleichtert und erfreut. Frauen feiern in Buenos Aires ihren Erfolg.

© Ronaldo SchemidtAFP

Schwangerschaftsabbruch in Argentinien legalisiert: Mit dem grünen Tuch für mehr Selbstbestimmung

Jahrelang kämpften Argentiniens Frauen für das Recht auf Abtreibung. Jetzt hatten sie Erfolg: Bis zur 14. Woche bleiben Schwangerschaftsabbrüche straffrei.

In den frühen Morgenstunden war es soweit. Nach einer zwölfstündigen, emotional geführten Debatte stimmte Argentiniens Senat am Mittwoch für die Legalisierung der Abtreibung. Hunderttausende Befürworter und Gegner des Gesetzesvorhabens verfolgten die Abstimmung auf der Straße und in den sozialen Netzwerken.

Bis zur 14. Schwangerschaftswoche sollen Frauen nun in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen kostenlos abtreiben können. Argentinien korrigiert damit ein Gesetz aus dem Jahr 1920 und ist das erste große Land Lateinamerikas, das den Schwangerschaftsabbruch straffrei macht. Bislang ist die Abtreibung nur in Uruguay, Kuba, Guayana und Französisch-Guayana legal, außerdem in Mexiko-Stadt sowie dem mexikanischen Teilstaat Oaxaca.

Das Gesetz, das 2018 knapp im argentinischen Senat gescheitert war, wird als Erfolg für den neuen, linken Präsidenten Alberto Fernández gewertet. Es ist aber vor allem dem Einsatz einer jungen feministischen Bewegung geschuldet. Das Erkennungszeichen dieser „Revolution der Töchter“ war ein grünes Halstuch, das man immer häufiger auf den Straßen der Hauptstadt Buenos Aires und der umliegenden Provinz sah.

So gut wie alle Senatoren aus der Metropolenregion stimmten denn auch für die Legalisierung, während die Vertreter aus abgelegeneren und ärmeren Provinzen dagegen votierten. Am Ende ging die Abstimmung 38 zu 29 bei einer Enthaltung und zwei abwesenden Senatoren aus.

Jede sechste Schwangere in Argentinien ist nicht volljährig

Besonders bewegend war die Rede der Senatorin Gladys González. Sie erlitt zwei Tage nach der Abstimmung von 2018 eine Fehlgeburt. Sie hatte damals für die Legalisierung gestimmt und Drohungen aus der katholischen Kirche erhalten. „Ich dachte, dass Gott mich für mein Votum bestrafe“, sagte sie. „Bis ich begriff, dass Gott die Menschen nicht bestraft, sondern sie liebt.“ Keine Frau, die abtreibe, tue dies leichtfertig.

Adios! Frauen feiern ihren Erfolg. In den Händen halten sie Kleiderbügel, die illegale Abtreibungen symbolisieren.
Adios! Frauen feiern ihren Erfolg. In den Händen halten sie Kleiderbügel, die illegale Abtreibungen symbolisieren.

© Victor Caivano/AP/dpa

Das Hauptargument der „grünen“ Bewegung lautete: Das Gesetz muss endlich der Wirklichkeit angepasst werden, nicht umgekehrt. Bisher war die Abtreibung nur bei Vergewaltigung und Gefahr für die Gesundheit der Mutter erlaubt. Dennoch machten jedes Jahr rund eine halbe Millionen Argentinierinnen einen klandestinen Schwangerschaftsabbruch. 2018 starben mindestens 38 Frauen an den Folgen dieser unsicheren Prozeduren, fast 40.000 wurden in Hospitäler eingeliefert.

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Zudem sind auffällig viele Minderjährige aus armen Verhältnissen von einer ungewollten Schwangerschaft betroffen. Der Fall einer Elfjährigen sorgte vergangenes Jahr für Aufsehen. Sie war vergewaltigt worden, und man zwang sie, per Kaiserschnitt zu gebären. Das Neugeborene starb vier Tage später. Schätzungen zufolge ist jede sechste Schwangere in Argentinien nicht volljährig, die Mehrzahl hat weder Zugang zu sexueller Aufklärung noch Verhütungsmitteln.

Der Papst stellte sich gegen das Vorhaben

Die Abtreibungsgegner, allen voran die katholische Kirche sowie die evangelikalen Sekten, argumentierten mit dem Schutz des ungeborenen Lebens. Ihre Erkennungsfarbe war himmelblau. Doch selbst ein Tweet des argentinischen Papstes Franziskus änderte nichts am Votum. Jedes abgelehnte Kind sei ein Kind Gottes, schrieb er.

Die Legalisierung der Abtreibung in Argentinien nun steht im harten Kontrast zum großen Rest Lateinamerikas. In El Salvador, Guatemala, Honduras, Haiti und der Dominikanischen Republik herrscht ein absolutes Abtreibungsverbot. In El Salvador wurden seit 1998 circa 140 Frauen verurteilt, einige wurden sogar mit bis zu 35 Jahren Gefängnis bestraft.

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